CDU holt bestes Ergebnis bei Berlin-Wahl: König erst mal ohne Land

Die CDU liegt klar vorn – weil aber Rot-Grün-Rot wohl weiter eine Mehrheit hätte, könnte die CDU in der Opposition bleiben.

Kai Wegnersteht auf einer Bühne, hinter ihm sind andere Menschen, er strahlt

Strahlender Sieger: Kai Wegner am Wahlabend Foto: Michele Tantussi/reuters

BERLIN taz | Er strahlt einfach. Kai Wegner, der CDU-Spitzenkandidat, steht im Festsaal im 3. Stock des Abgeordnetenhauses, des Berliner Landesparlaments, in dem seine Partei sich traditionell an Wahlabenden trifft. Viel zu feiern gab es da in den vergangenen 20 Jahren nicht. Dieses Mal ist das anders: Auf 27,5 Prozent ist der in CDU-Schwarz getönte Balken der Wahlprognose gestiegen, die auf Fernsehschirmen vor Bildern von Gerhard Richter zu sehen ist. Das wäre – es ist erst die Prognose, noch keine Hochrechnung – das beste CDU-Ergebnis seit 1999 und deutlich mehr als SPD und Grüne mit je 18,5 Prozent.

Wegner genießt sichtlich erst mal nur – er, der oft unterschätzte Bodenständige, den die Bundesspitze angeblich als Spitzenkandidat hatte verhindern wollen, ist der Sieger des Abends. Was er dabei ausblenden muss: Trotz starker Verluste könnte die bisherige rot-grün-rote Koalition unter Führung von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey weiter regieren – es reicht immer noch zu einer Mehrheit für das Dreierbündnis. Doch Tenor im Saal ist das, was auf dem Bildschirm CDU-Generalsekretär Mario Czaja angesichts von 10 Prozentpunkten Vorsprung so formuliert: „Jeder Anstand verbietet es, dass diese Regierung weiter Verantwortung übernimmt.“

Strahlende Gesichter verfolgen diese Zahlen, darunter Schauspieler Dieter Hallervorden, der in Berlin ein eigenes Theater betreibt. Zu lang waren die Christdemokraten nicht mehr in einer solchen Siegerrolle. 2001 hatten sie sich nach einem großen örtlichen Bankenskandal aus der Berliner Regierungszentrale verabschieden müssen und seither nur einmal, von 2011 bis 2016, als SPD-Juniorpartner mitregiert. Nach ARD-Befragungen gaben nun die Themen Sicherheit und Wohnen den Ausschlag pro CDU, in der gemessenen Wichtigkeit deutlich vor Klima und Verkehr.

Wegner überraschte mit liberalen Positionen

1999, das Jahr des bislang letzten CDU-Wahlerfolgs, war auch das Jahr, in dem Wegner, heute 50, erstmals ins Abgeordnetenhaus einzog. Auch wenn er 2005 in den Bundestag wechselte, 16 Jahre dort blieb und erst zur nun wiederholten Wahl vom 26. September 2021 wieder für das Abgeordnetenhaus kandidierte, blieb er immer nahe an landes- und auch lokalpolitischen Themen dran. Wegner ist tief verwurzelt im Stadtrandbezirk Spandau, wurde dort geboren, führt auch die örtliche CDU an und lebt dort weiter.

Mit dieser Verwurzelung warb er vor allem, als er 2019 erfolgreich auf eine Ablösung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters als CDU-Landesvorsitzende drängte. Die war zwar als Kulturpolitikerin überregional äußerst anerkannt, schien aber an Berliner Lokalthemen jenseits von Museen und Opern nicht sonderlich interessiert.

Bei der Wahl 2021 schaffte die lange zerstrittene und nun zunehmend geeinte CDU mit Wegner immerhin ein leicht besseres Wahlergebnis als 2016, weniger als einen Prozentpunkt hinter den in Umfragen lange führenden Grünen. Das gelang trotz des negativen Trends der parallelen Bundestagswahl.

Wegner, der lange als Rechtsausleger innerhalb der Berliner CDU galt, hat seit Übernahme des Landesvorsitzes mehrfach überrascht. Einen Parteitag ließ er exklusiv zum Thema Umwelt stattfinden und präsentierte dabei die Idee, das Ex-Flughafengelände des Tempelhofer Felds zu einem klimafördernden Wald zu machen. Und im vergangenen Herbst machte er sich in seiner eigenen Partei nicht nur Freunde, als er ein Papier zu mehr Mieterschutz durchsetzte. Im Bundestag hatte Wegner als baupolitischer Sprecher seiner Fraktion bis 2021 zu denen gehört, die sich letztlich erfolgreich gegen einen Mietendeckel wandten. Schon früher, 2015, warb er CDU-intern für die Ehe für alle.

Größere bundespolitische Bedeutung wird dem Wahlausgang jedoch nicht zugemessen. Dass die CDU auf Bundesebene in Umfragen bei 30 Prozent liegt, hat Wegner gewiss nicht geschadet. Andersherum kann sich Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz den Erfolg der Landespartei kaum zu eigen machen. Zum einen prägten Berliner Themen die Wahl, zum anderen hätte sich Merz angeblich gerne einen anderen Spitzenkandidaten mit mehr Ausstrahlung gewünscht.

Ein guter Einstieg in ein Jahr, das im Herbst noch zwei wichtige Landtagswahlen mit sich bringt, ist es für die Union aber durchaus. „Die CDU muss beweisen, dass sie Großstadt kann“, hat Merz beim Wahlkampfendspurt am Freitag gesagt. Das jetzige Ergebnis ist immerhin das beste, das überhaupt irgendeine Partei seit 2011 in Berlin als größter deutscher Großstadt holte.

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