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Schwarz-Grün in BerlinEine Koalition gegen die Spaltung?

Uwe Rada
Kommentar von Uwe Rada

Klaus Wowereit brach 2001 ein Tabu. Nur eine Koalition mit der PDS könne die Stadt wieder zusammenführen, sagte er. Gilt das auch für Schwarz-Grün?

Werden auf jeden Fall miteinander sprechen: Kai Wegner und Bettina Jarasch Foto: Mike Schmidt/imago

A ls Regierender Bürgermeister hat Klaus Wowereit einst ein Tabu gebrochen. Gegen den Widerstand großer Teile seiner Partei hat er 2001 die Berliner SPD in eine Koalition mit der PDS geführt. Seine Begründung war am Ende auch für die eigenen Genossinnen und Genossen überzeugend. Weil die SPD vor allem im Westen der Stadt stark sei, die PDS dagegen im Osten, wäre ein solches Bündnis auch ein Zeichen des Zusammenwachsens in einer gespaltenen Stadt.

Auch nach der Wiederholungswahl am Sonntag zeigt sich Berlin wieder gespalten. Die Wahlkarte zeigt eine grüne Innenstadt und drumherum viel Schwarz. Da überrascht es nicht, dass Kai Wegner, der Wahlsieger der CDU, ebenfalls das Argument Wowereits bemüht. In einem Interview sagte er dem Tagesspiegel: „Berlin ist gespalten, wir sollten die Stadt jetzt wieder zusammenführen.“

Wäre Schwarz-Grün heute ein ebenso mutiges Modell wie Rot-Rot vor mehr als 20 Jahren? Noch halten sich die Beteiligten bedeckt. Zwar gratulierte Jarasch in der Runde der Spitzenkandidaten noch am Wahlabend dem CDU-Chef. Doch sie betonte auch, dass es ihr Ziel sei, die bisherige Koalition mit SPD und Linkspartei fortzuführen. Das galt auch am Tag danach, als feststand, dass Jarasch mit einem denkbar knappen Vorsprung der SPD mit 105 Stimmen nicht selbst ins Rote Rathaus einziehen wird.

Die Tür ist nicht ganz zu

Einen Spalt aber lässt die Grüne die Tür offen. „Es gibt bei den Grünen kein Bündnis ohne Mobilitäts- und Wärmewende, ohne Berlin wirklich klimaneutral umzubauen und ohne echten Mieterschutz“, sagte Jarasch im RBB-Inforadio. Nur bei starken Zugeständnissen der CDU hielte sie Schwarz-Grün für möglich. Aber auch die Grünen müssen sich natürlich fragen, ob sie nicht selbst Teil des Problems sind. Die Sperrung der Friedrichstraße hat die Partei womöglich die Stimmen gekostet, die es gebraucht hätte, um auf Platz zwei zu landen.

Darüber hinaus zeigen die 28,2 Prozent, die Wegners CDU eingefahren hat, dass die Berlinerinnen und Berliner außerhalb des S-Bahn-Rings gerne etwas mehr über Integration und weniger über die Verkehrswende diskutieren wollten. Noch ist schwer vorstellbar, wie das Entgegenkommen, das Jarasch fordert, aussehen könnte. Auch Schwarz-Grün müsste schließlich ein Enteigungsgesetz auf den Weg bringen.

Gleichzeitig dürfen die Grünen nicht tatenlos zusehen, wie die CDU der SPD Avancen macht. Bei aller Liebe zu Rot-Grün-Rot könnte es am Ende auch auf Schwarz-Rot hinauslaufen. Die Grünen wären dann ebenso raus, wie die SPD bei Schwarz-Grün raus wäre. Ziemlich riskant wäre es für die Grünen deshalb, darauf zu bauen, dass die SPD-Basis Schwarz-Rot schon einen Strich durch die Rechnung machen würde. Schon am Abend wurden in manchen Kreisen die Genossen bereits auf die Große Koalition eingestimmt.

Die Regierungsbildung in Berlin droht nicht nur langwierig, sondern auch zu einem Roulette zu werden. Vielleicht wäre es da auch ratsam, mal einen Moment nicht nur auf die eigene Partei, sondern auch auf die Stadt zu schauen. Gerade Berlin hat mit seiner Geschichte auch eine gewisse Verantwortung, Teilungen und Spaltungen zu überwinden.

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Uwe Rada
Redakteur taz.Berlin
Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.
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18 Kommentare

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  • Einerseits ist Demokratie auch dazu da, sehr verschiedene Sichtweisen und Interessen politisch abzubilden. Wenn von den relevanten Parteien die politischen Pole miteinander koalieren, kann dieser Gedanke Schaden nehmen - für was dann überhaupt noch wählen, könnten sich manche fragen.

    Andererseits: wenn in einer immer vielfältigeren Gesellschaft noch nichtmal CDU und Grüne miteinander koalieren können, die relativ zur Buntheit der Gesellschaft eher nicht sehr weit auseinanderliegen (und noch weniger relativ zur Buntheit der Welt, zu der man ja offen sein will), dann fragt man sich, wie Politik überhaupt noch gehen soll.

  • "Einen Spalt aber lässt die Grüne die Tür offen."



    Ein weiterer Grund, die Grünen nicht gewählt zuhaben.

  • Ich bin kein freund von Schwarz-Grün, aber nach 22 Jahren SPD geführten Regierungen, und 8 Jahren als Junior Partner der CDU, wäre es mal sinnvoll die SPD in die Opposition zu schicken.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Na, Foto ausgetauscht? Zu devote Haltung gegen Spaltung?



    Aufgrund der organisatorischen Mängel in September 2021 war es richtig, die Wahl wiederholen zu lassen. Es gilt aber zu beachten, dass es keine „Neuwahl“ war und dass aufgrund der zeitlichen Distanz die stark veränderte politische Lage dann doch unangemessen stark gewirkt hat. Gutwillig kann frauman darum feststellen, dass die regierende Koalition trotz des Angstwahlkampfes der CDU bestätigt wurde.



    Die CDU holt seit den 1950er Jahren fremde Menschen nach Deutschland um anschließend mit diesen die Wähler:innen zu ängstigen. Das darf nicht belohnt werden. Aber trotzdem ist zu befürchten, dass die Grünen mit der CDU eine Koalition bilden werden. Sie müssen ja regieren um zu transformieren.

  • "Auch Schwarz-Grün müsste schließlich ein Enteigungsgesetz auf den Weg bringen"



    Mir erschließt sich jetzt nicht wieso ?



    Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie und nicht in einer Welt in der unrealistische populistische Initiativen Gesetze machen... wäre ja noch schöner ... das vergisst die taz ganz gerne...

  • So eine Diskussion hätt ich erwartet, falls rot/rot/grün die Mehrheit verliert. Das aufzumachen, obwohl sie weiter besteht, es inhaltlich passt und ja nun auch schon eingeübt ist, und Giffey dann auch noch knapp vorne liegt, zeigt vor allem dass es Berlin so schlecht nicht gehen kann. Das ist ja der pure Luxus. Genau wie schwarz-grün als Patentrezept gegen "Spaltung". Alle mit Fensterblick in's Grüne einfach zusammen. Wer könnte da noch außen vor bleiben?

  • Alle Parteien der RRG-Koalition haben die Wähler vor der Wahl darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie die RRG-Regierung fortsetzen würden, wenn die Wähler ihnen dafür eine Mehrheit gäben. Die haben sie nun: RRG hat 49% der Stimmen erhalten und stellt nun eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten. Von Wechselstimmung kann keine Rede sein.

    Was wäre das für ein Demokratieverständnis, wenn nun SPD und Grüne wegen des medialen Drucks eine Koalition mit einer Partei anstreben wollten, die in den letzten Jahren kaum Konstruktives in die Berliner Politik eingebracht hat, sondern überwiegend durch populistische Äußerungen aufgefallen ist?

  • Kommt Zeit kommt Schwarz-Grün.



    Die demokratischen Argumente sind überwältigend.

  • Die Grafiken zur Wahl sind ja immer etwas tendenziös. Aber schaut man auf die Färbung der Wahlbezirke, könnte man den schon den Eindruck einer neuen Teilung gewinnen.

  • "Da müssten die Grünen ihre Selbstachtung schon weitestgehend aufgeben."



    ... haben sie doch schon — Lützerath, Stuttgart 21 etc. Die Grünen sind die Partei der FDP-Wähler mit schlechtem Gewissen (der Spruch ist nicht von mir)

    • @Fritz Müller:

      Das werde ich - mit Ihrer Erlaubnis - übernehmen. FDP-Wähler mit schlechtem Gewissen. Genauso stellen sich mir die Pankow überflutenden Woko-Gentrifikatoren dar. Wir dunkeldeutschen Ossis stören die (höchstwahrscheinlich) bei der Verkitschung ihrer Umwelt. Ich habe zwar im Westen studiert, aber irgendwie waren meine Kumpels aus Rheinland-Pfalz anders, als die Richards und Jonasse hier.

  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Schwarz-Grün in Berlin?



    Nach den massiven Anwürfen und Angriffen der CDU im Wahlkampf?



    Da müssten die Grünen ihre Selbstachtung schon weitestgehend aufgeben.



    Und auf die umweltzerstörerische Politik der CDU einschwenken.



    Obwohl - Rot-Grün um die Jahrtausendwende? NRW? BW? Hessen? Hamburg? Sogar in der Ampel?



    Was war/ist da noch von genuin grüner Politik übrig?



    Nicht mehr als von sozialpolitischer Politik bei der SPD.



    Da hat ja die FDP mehr Prozente bei den Wählern! Viel mehr!



    Also bei etwas längerer Betrachtung:



    Die SPD hat "große Schnittmengen" (Czaja) mit der CDU - ist praktisch zu CDU light verzwergt.



    Die Grünen Spitzen sind/waren in etlichen politischen Konstellationen bereit, ihr politisches Profil bis zur Selbstaufgabe zu zerschnippeln - und die Basis hat sich ihrer Spitze immer brav unterworfen.



    Plastic Surgery in der Politik sozusaen.



    Fazit: Wegner hat alle Chancen.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Mit anderen Worten: lassen die Berliner Grünen sich auf Schwarz/Grün ein, tun sie der SPD einen riesengroßen Gefallen, weil die ganze Häme, die sie schon wegen ihrer sonstigen klimapolitischen Volten einstecken mussten, sich nun auch mit diesem “Umfaller“ abermals über sie ergießen und von den inhaltlichen Leerstellen der SPD ablenken würde.



      Die Grünen lehnen sich in relevanten Politikfeldern dermaßen weit aus dem Fenster (auch moralisch), dass man ihnen nicht durchgehen lassen möchte, mit der CDU anzubandeln (eigentlich ein normaler demokratischer Vorgang).



      Das haben SPD und Linkspartei nicht erfunden, um mit dem Narrativ von der Notwendigkeit eines “linken Blocks” die Berliner Grünen an sich zu binden (die Berliner glauben in ihrer Gesamtheit eh nicht an diese Mär) … diesen Klotz haben sich die Hauptstadt-Grünen schon selbst ans Bein gebunden.

    • @655170 (Profil gelöscht):

      Es wäre nicht das erste Mal dass das Getöse des Wahlkampfs bereits am Tag nach der Wahl mit Blick auf mögliche Machtoptionen verdrängt wird ;)

    • @655170 (Profil gelöscht):

      "Da müssten die Grünen ihre Selbstachtung schon weitestgehend aufgeben."



      Das ist ja nun bekanntermaßen ihre allerleichteste Übung. Kein Führungspersonal anderer Parteien hat so schnell und so intensiv verinnerlicht, dass das Aufgeben der Werte und Ziele der Partei die Schlüssel zum ganz persönlichen Erfolg sind.



      Da muss man sich nur die instagram-Kanäle der vielen jungen / neuen Bundestagsabgeordneten der Grünen anschauen. Da gibt es nur ICH, ICH und ICH. Politischer Inhalt ist da Fehlanzeige.

  • Ich denke, dass ein Fortsetzen der aktuellen Koalition die Spaltung der Stadt nicht beenden wird. Es ist faszinierend, wie gespalten sich die Stadt in Innenstadt und zentrumsferne Gebiete gediehen ist. Alle müssen sich die Frage stellen, dass aus den Ergebnissen abgeleitet werden müssen. Es werden keine Koalitionen gewählt und über 28% wollen dass die CDU die Regierung übernimmt. Bei Rot oder Grün sind es jeweils nur 18%. Das ist eindeutig und wenn sich zwei Verlierer zusammentun um den Gewinner zu verhindern ist das mindestens fragwürdig.

    • @Tauros:

      Ich denke, 28% sind so ziemlich das Maximum, das eine ehemalige Volkspartei auf so “heißem Pflaster” wie Berlin erreichen kann … zugestanden, ein respektabler Wahlsieg der Berliner CDU, der aber mehr den Misserfolgen und der falschen Themensetzung der Mitte/Links-Koalition von Frau Giffey geschuldet ist als der eigenen Strahlkraft. Und “innere Sicherheit” zieht immer, im Westberliner Speckgürtel wie im östlichen, eher AfD-affinen Weichbild der Hauptstadt (schwarzer Trauerrand).



      Lassen wir die (CDU-)Kirche also ruhig im Dorf.

    • @Tauros:

      Andererseits könnte man man auch sagen 72% wollen nicht von der CDU regiert werden. Dementsprechend sehe ich das nicht als Fragwürdig.