Option Schwarz-Grün in Berlin: Das kleinere zweier Übel

Koalieren mit der CDU finden viele Berliner Grüne unvorstellbar. Doch mit dem Noch-Koalitionspartner SPD ist es oft ähnlich schwierig bis verfahren.

Kai Wegner steht lachend mit einem Blumenstrauß auf einer Bühne, umringt von Anhängern

Kai Wegner am Wahlabend nach dem deutlichen Wahlsieg der CDU in Berlin Foto: Mike Schmidt/imago

BERLIN taz | Am Tag eins nach der Wahl sind die Botschaften erwartbar noch dieselben: Nach dem deutlichen Wahlsieg der CDU beansprucht sowohl diese als auch die bisher regierende rot-grün-rote Koalition für sich,die nächste Regierung in Berlin zu bilden. In den Fokus rücken nun zunehmend die Grünen. Denn sie hätten machtpolitisch weniger zu verlieren als die SPD.

Mit ihrer Spitzenkandidatin Jarasch liegen sie gerade mal 105 Stimmen – bei 1.532.164 gültigen – hinter der SPD. In einem weiteren rot-grün-roten Bündnis wären sie genauso Juniorpartner wie bei Schwarz-Grün. Eine Stimmennachzählung soll es nur bei Unregelmäßigkeiten geben.

CDU und Grüne in Berlin zusammen – das gilt bei grober Draufsicht als unmögliche Paarung. Was aber viel damit zu tun hat, dass, von außen betrachtet, vor allem die Grünen im links dominierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wahrgenommen werden. Dort ist die CDU eine zu vernachlässigende Größe. Mit CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner also an einen Tisch? Unvorstellbar.

Doch für einen im Bezirk verwurzelten führenden Grünen gilt das nicht. Werner Graf, früher Kreuzberger Bezirkspolitiker und nach fünf Jahren als Landesvorsitzender seit 2022 Fraktionschef im Parlament, sitzt schon mal mit CDU-Wegner beim Kaffee zusammen. Dabei soll es nicht nur um die gemeinsame Leidenschaft für die abstiegsbedrohte Hertha BSC gehen.

Wegners Traumkoalition?

„Werner und ich sprechen nicht nur über Hertha“, sagte Kai Wegner jüngst im taz-Interview. Er bastelt seit Jahren an Schwarz-Grün, auch wenn es sich im Wahlkampf des Öfteren anders anhörte. Wegner nannte das auch schon mal „meine Traumkoalition“.

Legt man allerdings und vor allem die Positionen von Schwarz und Grün in der Verkehrs- und Innenpolitik nebeneinander, drängt sich der Eindruck auf, dass auch alles gemeinsame Kaffeetrinken keine Koalition ermöglicht. Zu weit auseinander liegen die beiden Parteien da: Die Grünen wollen etwa den Weiterbau der A100 stoppen, die CDU will sie als viel verspottete „Klimaautobahn“ weiterführen. Und beim recht unterschiedlichen Verhältnis zur Polizei gibt es gleichermaßen Streitpotenzial.

Die Sache ist bloß: Mit der SPD, zumindest unter Führung der amtierenden Regierenden Franziska Giffey, ist das schon jetzt nicht anders. Künftig wäre die Zusammenarbeit von Rot und Grün noch schwieriger. Beispiel A100: Die SPD hat zwar etwas anderes beschlossen – doch Giffey gilt beim Autobahnweiterbau durchaus als offen. Und polizeitreuer als die aktuelle SPD-Innensenatorin Iris Spranger könnte selbst ein CDUler kaum sein.

Dazu kommt, dass eine weitgehend autofreie Innenstadt auch die SPD-Basis nicht will. All das gilt umso mehr, als Giffey nach der SPD-Wahlschlappe angekündigt hat, dass ihre Partei in der Koalition ihr Profil schärfen müsse – vor allem mit den Top-Wahlthemen Sicherheit und Wohnungsbau. Mehr SPD pur aber würde zu noch mehr Zerwürfnis im links-grünen Bündnis führen.

Wo gibt es mehr Gestaltungsmacht für die Grünen?

Vor die Wahl zwischen zwei Übel gestellt, könnten die Grünen also durchaus genauer betrachten, in welchem Bündnis sie mehr Ministerien – in Berlin: Senatsverwaltungen – leiten würden. Und wo sie mehr Gestaltungsmacht bekämen. Naturgemäß in einem Zweier-Bündnis mehr als in einem Dreier-Bündnis.

Noch ein Punkt könnte auch grundsätzlich widerstrebende Grüne Richtung CDU neigen lassen: Rot-Grün-Rot lässt sich nur als tickende Zeitbombe fortsetzen. Denn weiterhin steht die Entscheidung aus, ob der positive Volksentscheid zur milliardenschweren Enteignung großer Wohnungseigentümer vom September 2021 umgesetzt werden muss.

Die Linkspartei ist eindeutig dafür, viele Grüne sind es auch – Giffey hingegen hat im Wahlkampf ihre ablehnende Haltung zu Enteignungen zu einer „Gewissensfrage“ gemacht. Eine rot-grün-rote Koalition würde so auf einen Bruch im Sommer hinsteuern, wenn die Enteignungsentscheidung bei Regierung und Parlament ansteht.

Nicht die ganze Berliner CDU mag's grün

Mit der CDU wäre immerhin von vornherein klar, dass es keine Enteignung geben würde. Denkbar ist dabei, dass sich Parteichef Wegner auf das von Jarasch bevorzugte Modell des „gemeinwohlorientierten Wohnraums“ einlässt, das Vermieter stärker in die Pflicht nimmt.

Im Herbst hatte er seine eigene Partei mit einem Papier zu mehr Mieterschutz überrascht und sich damit CDU-intern nicht nur Freunde gemacht. Überhaupt sitzt längst nicht die ganze CDU zum Kaffee mit den Grünen zusammen: Wegner musste sich in der Partei durchaus Kritik an seiner Wunschkonstellation Schwarz-Grün anhören.

Ein zentraler Punkt eint CDU und Grüne: Beide kritisieren den Zustand der Berliner Verwaltung. „Ein Verstecken hinter dem Schönreden einzelner Erfolge darf es nicht mehr geben“, hielt Grünen-Fraktionschef Graf im November Giffey vor. Und dass man Berlin „vom Kopf auf die Füße“ stellen müsse. Nichts anderes will wohl Wegner.

Vor dem Hintergrund, dass sich die Grünen über die Machtverliebtheit der SPD ärgern, stehen interessante Sondierungsgespräche an. Sie sei „sehr gespannt auf die Gespräche mit der CDU“, sagte Jarasch am Montag, aber: „Zu den Voraussetzungen, Berlin eine gute Zukunft zu sichern, gehört neben dem Klimaschutz auch, dass man in der Lage ist, mit einer vielfältigen Gesellschaft umzugehen. Das sehe ich bei der CDU nicht.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.