Bundestagswahl 2025: Etwas tun macht glücklich
Läuft gerade nicht für den Klimaschutz. Und dann auch noch Friedrich Merz als nächster Bundeskanzler? Es kann schlimmer kommen, muss es aber nicht.
L asst mich doch einfach in Ruhe. Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, plant Windräder wegzureißen, sie sind ihm zu hässlich. Atomkraftwerke hingegen findet er todschick, selbst wenn der RWE-Chef sie nicht mehr will. Die FDP will das Umweltbundesamt abschaffen. Obwohl sie noch nicht einmal weiß, wie das richtig heißt, sie sagt nämlich Bundesumweltamt. Aber Details interessieren doch nur Profis.Besser man regt sich darüber auf, wenn SPD-Mann Olaf Scholz „Tünkram“ sagt.
Zum Wegschalten ist das alles, schon klar. Nur: Das macht nichts besser, auch niemanden glücklicher. Fragen Sie Psychologen. Die sagen dann so was wie: Ohnmacht schön und gut, aber Sie müssen aktiv ran, sonst macht Sie das kaputt. Zumal Sie nicht ignorieren können, wenn wieder Autos durch Straßen schwimmen, es für Tigermücken und Zecken angenehmer wird in Deutschland, für Menschen aber nicht. Mitreden, sich ermächtigen ist klüger, als andere einfach machen zu lassen. Das gehört außerdem zu einer ernst genommenen Demokratie dazu.
Kurz zur Erinnerung, was 2024 so passiert ist, zum Verzweifeln gibt es jedenfalls Beispiele genug. August: Air New Zealand kippt als erste Airline ihre Klimaziele. Oktober: Nachdem der Mineralölkonzern BP seine selbst gewählte Vorgabe kassiert hat, bis 2030 die Förderung von Öl und Gas zu senken, erklärt Deutschland-Chef Patrick Wendeler, man sei nicht dazu da, „Sozialverbandstätigkeiten“ zu übernehmen.
November: Der Getränkeriese Coca Cola schraubt seine Selbstverpflichtung zurück, die Welt mit weniger Plastikmüll zu fluten. Das war kurz vor dem UNO-Plastikgipfel, auf dem die Ölförderländer alles blockierten. Und dann hat, Stand der Umfragen heute, Friedrich Merz gute Chancen, der nächste Bundeskanzler zu werden.
Den Job als Sparkassendirektor in Brilon würde man ihm zutrauen, aber den eines Managers, der Deutschland ein klimaneutrales Update verpasst? In den vergangenen Monaten hat Hobbypilot Merz der vermaledeiten Öko-ist-doof-Stimmung nichts entgegengesetzt. Die Wärmepumpe zum Beispiel ist kein technisches Gerät zum Heizen mehr, sondern ein Kulturkampf-Ding.
Es stehen sich gegenüber: jene, die das Alte zurückhaben wollen und jene, die die Modernisierung für unabdingbar halten. Merz sagt über Robert Habeck: „Der Bundeswirtschaftsminister ist Kinderbuchautor, ich bin Jurist. Wir haben beide von Technologie keine Ahnung.“ Dabei wissen inzwischen viele: Wärmepumpen sind keine Raketenwissenschaft, dafür aber sehr effizient, sie müssen wieder raus aus der ideologischen Ecke.
Märkte der Zukunft
Aber es ist nicht ausgemacht, dass Merz diese Anti-Öko-Kampagne als Regierungschef durchhält. Dafür ist zu streiten. Die Argumente sind offensichtlich, münden in einem grundsoliden Anliegen der Union, die sich wie derzeit alle Parteien mit ökonomischer Cleverness profilieren will: Wer der deutschen Wirtschaft in ihrer tiefen Strukturkrise etwas Gutes tun will, muss sich um die Märkte der Zukunft kümmern – und die sind grün. Oder sollen sich die Fehler der deutschen Autoindustrie wiederholen?
Das sind Folgen der Merkel-Regierungen, aber auch der Ampelkoalition. Sie hat sich die versprochene Politik für Fortschritt nicht getraut. Viele sehen den Grund dafür im handwerklich schlecht entworfenen Heizungsgesetz und machen Habeck dafür verantwortlich. Das war es aber nicht allein. Die Macht der Traktoren, der Bauern kam hinzu.
Als die Ampel im November 2023 nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein mehrere Milliarden schweres Haushaltsloch füllen musste und die Landwirte ihre Dieselvergünstigungen verlieren sollten, rollten diese von ihren Höfen in die Hauptstadt. Die Scholz-Regierung knickte ein, streckte das Aus der althergebrachten klimaschädlichen Subventionen – und machte sich erpressbar für die Zukunft. Der Druck war groß in jenen Tagen.
Hilft nix, runter da!
Nur, es war nicht gut, sich lediglich eine Berufsgruppe vorzuknöpfen. Der Traktor ist nichts anderes als ein Dienstwagen. Warum dann nicht alle rannehmen? So traf es einzig eine bekanntermaßen protestfreudige Klientel. Der Präsident des traditionellen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, ergriff seine eigene Chance, zuvor hatte ihm die Organisation den Schneid abgekauft, nun galt er wieder als der Vertreter aller Bauern.
Diese verdruckste Politik – „Ihr müsst gar nichts, auch nicht in Krisen, wenn ihr nicht wollt“ –, wem hilft sie? Den Profiteuren der alten Geschäftsmodelle. Die gibt es in jeder Branche. Sie werden jede Modernisierung weiter blockieren. Ihnen wird es egal sein, wenn die Welt an Made in Germany einfach vorbeigeht. Vor lauter Resignation werden nur jene gehört, die laut genug schreien – und es mag sich gar der Hang zum Sofa einschleichen.
Hilft aber nix, runter da. Sich noch mal vergewissern: Eine Regierung einer exportorientierten Industrienation kann das nicht einfach so laufen lassen. Wollen Friedrich Merz und seine Union angeblich auch nicht. Nur: Bisher planen sie eine Art Reiche-Leute-Politik. Vor allem ein CO₂-Preis soll zum klimafreundlichen Umbau führen.
Klimaschädlich Fahren und Wohnen muss Luxus werden
Das wird aber nichts. Herkömmlich Auto fahren oder Wohnung heizen müsste rasch Luxus werden, damit sich moderne Technologien durchsetzen und die Klimaziele erreicht werden. Welche Regierung will das durchfechten? Der Unmut des Wahlvolkes wäre enorm. Das heißt nicht, dass Preissignale nicht richtig sind.
Damit sie nicht ins Unermessliche steigen, muss der Staat – und da bleibt die „Ja zu marktwirtschaftlichem Klima-und Umweltschutz“-Union vage – zugleich Innovationen fördern, Klimaschädlichem Grenzen setzen. Das scheint, auch wenn Ökonomen dazu schon seit Langem raten, erklärungsbedürftig.
Dafür werden Sie gebraucht. Reden Sie. Überall: in Parteien, beim Protest auf der Straße, beim hitzigen Gespräch mit den Verwandten. Denn – das ist ein Rat von Psychologen – etwas tun macht glücklicher. Und andere weniger bescheuert.
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