Bundestagsdebatte um Paragraf 219a: Warten auf die SPD
Bis zum Herbst wollte die SPD eine Lösung für Paragraf 219a finden. Doch das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen steht immer noch.
Der Paragraf verbietet nicht nur Werbung, sondern auch, dass Ärzt*innen auf ihren Webseiten oder anderswo öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Seit die Gießener Ärztin Kristina Hänel im November 2017 wegen dieses Gesetzes zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde, drängt die SPD darauf, den Paragrafen zu streichen – ebenso wie Grüne und Linke. Auch die FDP sieht Handlungsbedarf und will den Paragrafen weitreichend reformieren.
Erst vor einer Woche wurde Hänels Berufung verworfen. „Sie müssen dieses Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf um ein besseres Gesetz“, hatte der vorsitzende Richter der Ärztin in der Urteilsverkündung mit auf den Weg gegeben. Hänel will weitergehen bis zum Bundesverfassungsgericht.
Zusammen hätten die vier Fraktionen eine knappe Mehrheit; doch die SPD ist inzwischen an den Koalitionspartner Union gebunden. Und so wartet sie auf den Regierungsvorschlag, den die Bundeskanzlerin ihnen im März zugesagt hat – und der Rest wartet auf die SPD. „Bis zum Herbst“, hieß es immer wieder aus der SPD.
Täglich neue Anzeigen, Anklagen, Urteile
Der Herbst ist da, doch ein Vorschlag oder gar ein Kompromiss mit der Union ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Koalitionspartner betont an diesem Abend vor den ausgedünnten Reihen des Plenums noch mehrmals, wie wichtig er den Erhalt des Paragrafen findet.
„Auch das ungeborene Leben könnte ein kleines Mädchen und eine Frau werden wollen“, sagt die CSU-Abgeordnete Silke Launert, als im Plenum von Frauenrechten die Rede ist – ignorierend, dass es beim Paragrafen 219a nicht um Abtreibungen, sondern um öffentlich zugängliche Informationen darüber geht, wer diese durchführt. „Vor Ihnen steht jetzt jemand, der sagt: Reformbedarf: Nein“, sagt ihr Fraktionskollege Alexander Hoffmann.
„Es eilt“, sagt hingegen Eva Högl. „Jeden Tag gibt es weitere Anzeigen, Anklagen und Urteile.“ Tatsächlich stehen in Hessen derzeit zwei weitere Ärztinnen vor Gericht, in Berlin hat die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift gegen eine Ärztin verfasst.
„Wenn jemand über legales Tun sachlich informiert, halte ich es für verfassungswidrig, wenn er dafür bestraft wird“, sagt Fechner. „Im Herbst“ solle eine Lösung gefunden werden, betont er noch einmal – sonst müsse die Abstimmung seiner Meinung freigegeben werden. Dann könnte die SPD gegen die Union stimmen.
Die Argumente sind lange ausgetauscht
Die anderen Fraktionen gehen mit den Sozialdemokrat*innen hart ins Gericht. „Nicht nur, dass Sie jeden Rest von Glaubwürdigkeit verspielen“, sagt Cornelia Möhring (Linke). „Sie unterstützen damit das rückständige Frauenbild von Union und den Rechten und rütteln damit an Ihren eigenen Grundfesten.“ Ulle Schauws (Grüne) sagt: „Ihr seid im Wort bei den Frauen, bei der Parteibasis, bei den Bürgern.“
Stephan Thomae (FDP) fordert ein Ende der Verschlepperei: „Es ist doch ein peinliches Bild, dass wir hier nichts zustande bringen und seit Monaten diskutieren.“ Wenn die Union nicht einschwenken wolle, dann solle die SPD ohne den Koalitionspartner handeln.
Inhaltlich Neues ist an diesem Abend nicht zu hören. Die Argumente zum 219a Strafgesetzbuch sind lange ausgetauscht. Und so kommt die weitreichendste Ankündigung an diesem Abend wohl von Stephan Thomae.
Zwar halte seine Fraktion an ihrem vermittelnden Vorschlag fest, sagt der Liberale. „Wir werden uns aber keiner Initiative verwehren, die dafür sorgt, dass nicht alles so bleibt, wie es jetzt ist.“ Und so endet der Abend, wie er begonnen hat: Mit Warten auf die SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Wir unterschätzen den Menschen und seine Möglichkeiten“
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball