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Bundestagsdebatte um Paragraf 219aWarten auf die SPD

Bis zum Herbst wollte die SPD eine Lösung für Paragraf 219a finden. Doch das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen steht immer noch.

Demonstrant*innen unterstützen die Gießener Ärztin Hänel vorm Landgericht am vergangenen Freitag Foto: dpa

Berlin taz | Es wirkt an diesem Donnerstagabend bisweilen, als sei man in der Zeit etwa acht Monate zurückgereist. Im Plenarsaal des Deutschen Bundestages steht Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, am Mikrofon und sagt: „Wir dürfen und können diese Frage nicht den Gerichten überlassen. Hier sind wir als Gesetzgeber gefragt.“ Högl spricht, ebenso wie die anderen Abgeordneten vor ihr und nach ihr, an diesem Abend über den Paragrafen 219a – das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche.

Der Paragraf verbietet nicht nur Werbung, sondern auch, dass Ärzt*innen auf ihren Webseiten oder anderswo öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Seit die Gießener Ärztin Kristina Hänel im November 2017 wegen dieses Gesetzes zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde, drängt die SPD darauf, den Paragrafen zu streichen – ebenso wie Grüne und Linke. Auch die FDP sieht Handlungsbedarf und will den Paragrafen weitreichend reformieren.

Erst vor einer Woche wurde Hänels Berufung verworfen. „Sie müssen dieses Urteil tragen wie einen Ehrentitel im Kampf um ein besseres Gesetz“, hatte der vorsitzende Richter der Ärztin in der Urteilsverkündung mit auf den Weg gegeben. Hänel will weitergehen bis zum Bundesverfassungsgericht.

Zusammen hätten die vier Fraktionen eine knappe Mehrheit; doch die SPD ist inzwischen an den Koalitionspartner Union gebunden. Und so wartet sie auf den Regierungsvorschlag, den die Bundeskanzlerin ihnen im März zugesagt hat – und der Rest wartet auf die SPD. „Bis zum Herbst“, hieß es immer wieder aus der SPD.

Täglich neue Anzeigen, Anklagen, Urteile

Der Herbst ist da, doch ein Vorschlag oder gar ein Kompromiss mit der Union ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Koalitionspartner betont an diesem Abend vor den ausgedünnten Reihen des Plenums noch mehrmals, wie wichtig er den Erhalt des Paragrafen findet.

„Auch das ungeborene Leben könnte ein kleines Mädchen und eine Frau werden wollen“, sagt die CSU-Abgeordnete Silke Launert, als im Plenum von Frauenrechten die Rede ist – ignorierend, dass es beim Paragrafen 219a nicht um Abtreibungen, sondern um öffentlich zugängliche Informationen darüber geht, wer diese durchführt. „Vor Ihnen steht jetzt jemand, der sagt: Reformbedarf: Nein“, sagt ihr Fraktionskollege Alexander Hoffmann.

„Es eilt“, sagt hingegen Eva Högl. „Jeden Tag gibt es weitere Anzeigen, Anklagen und Urteile.“ Tatsächlich stehen in Hessen derzeit zwei weitere Ärztinnen vor Gericht, in Berlin hat die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift gegen eine Ärztin verfasst.

„Wenn jemand über legales Tun sachlich informiert, halte ich es für verfassungswidrig, wenn er dafür bestraft wird“, sagt Fechner. „Im Herbst“ solle eine Lösung gefunden werden, betont er noch einmal – sonst müsse die Abstimmung seiner Meinung freigegeben werden. Dann könnte die SPD gegen die Union stimmen.

Die Argumente sind lange ausgetauscht

Die anderen Fraktionen gehen mit den Sozialdemokrat*innen hart ins Gericht. „Nicht nur, dass Sie jeden Rest von Glaubwürdigkeit verspielen“, sagt Cornelia Möhring (Linke). „Sie unterstützen damit das rückständige Frauenbild von Union und den Rechten und rütteln damit an Ihren eigenen Grundfesten.“ Ulle Schauws (Grüne) sagt: „Ihr seid im Wort bei den Frauen, bei der Parteibasis, bei den Bürgern.“

Stephan Thomae (FDP) fordert ein Ende der Verschlepperei: „Es ist doch ein peinliches Bild, dass wir hier nichts zustande bringen und seit Monaten diskutieren.“ Wenn die Union nicht einschwenken wolle, dann solle die SPD ohne den Koalitionspartner handeln.

Inhaltlich Neues ist an diesem Abend nicht zu hören. Die Argumente zum 219a Strafgesetzbuch sind lange ausgetauscht. Und so kommt die weitreichendste Ankündigung an diesem Abend wohl von Stephan Thomae.

Zwar halte seine Fraktion an ihrem vermittelnden Vorschlag fest, sagt der Liberale. „Wir werden uns aber keiner Initiative verwehren, die dafür sorgt, dass nicht alles so bleibt, wie es jetzt ist.“ Und so endet der Abend, wie er begonnen hat: Mit Warten auf die SPD.

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5 Kommentare

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  • Sorry, aber JEDER noch so sachliche Hinweis auf ein Produkt oder eine Dienstleistung, die vom Anbieter öffentlich an eine unbestimmte Zahl von potenziellen Nachfragern gerichtet wird, hat werbenden Charakter, ist also nicht NUR Information, sondern immer AUCH Werbung. Wer mitteilt, dass er eine Leitstung anbietet, setzt damit zwangsläufig ein Motivationsmoment, dieses Angebot anzunehmen, selbst wenn er nur informieren will. Man ersetze "Schwangerschaftsabbruch" durch irgendwas anderes, was es nicht überall gibt (z. B. bestimmte Markenartikel), und der Effekt sollte klar sein.

    Und nochmal sorry, aber die verfassungsrechtliche Lage bleibt, dass Schwangerschaftsabbruch als Stratat gegen das (ungeborene) Leben zu werten ist, also keine ethische Rechtfertigung erfährt, sondern nur bedingt straffrei gestellt werden muss, um die Würde (in Form des Selbstbestimmungsrechts) der Schwangeren zu wahren. Das Verbot JEGLICHER Werbung dafür ist da nur konsequent, insbesondere auch unter dem Aspekt, dass eine Straftat nicht in der Außendarstellung mit rechtlich unproblematischen Leistungen in eine Reihe gestellt werden soll.

    Dass es Informationsmöglichkeiten für Schwangere geben sollte, ist deshlab nicht falsch. Aber sie dürfen halt keinen öffentlich werbenden Charakter haben. Listen gibt es bei den Beratungsstellen, zunehmend hoffentlich auch von öffentlicher Seite im Netz.

    • @Normalo:

      "Stratat gegen das (ungeborene) Leben". Wann genau beginnt dieses ungeborene Leben ihrer Meinung nach? Mit dem Erhalt von Nerven und der damit verbundenen Leidensfähigkeit eines Organismus oder mit der Theorie der Beseelung, die jeglicher wissenschaftlicher Basis entbehrt? Vielleicht sollte man auch Pornographie verbieten, da sie mit dazu beiträgt, dass Trillionen armer wehrloser Spermien in Taschentüchern hingerichtet werden, quasi ein Auftragsmord, wie Franziskus sagen würde. Ich denke, dass ein innerhalb der vorgeschriebenen drei Monate angetriebener Zellhaufen weniger leidet, als zB ein ohne Betäubung kastriertes Ferkel (christlich approved). Natürlich kann das niemand mit Sicherheit sagen, allerdings sollten wir hier wie überall uns an der Wissenschaft orientieren, die erfahrungsgemäß der Wahrheit nunmal am nähsten kommt.



      Sind ihrer Meinung nach alle ärztlichen Leistungen über die diese auf ihrer eigenen Seite informieren gleich Werbung? 'Ich hatte zwar kein Krebs, aber die Werbung für Chemotherapie war einfach zu überzeugend, das musste ich unbedingt ausprobieren...'

    • @Normalo:

      1. Informationen über Schwangerschaftsabbruch sind keine Werbung!



      Werbung kommt ungebeten und aufdringlich ins Haus, etwa für ein neues Haarwuchsmittel, das man dann bereitwillig ausprobiert. Völlig absurd ist aber dies: Frau stößt beim Surfen im Internet auf eine Information zum Schwangerschaftsabbruch und denkt, ach das ist ja mal ‘ne Idee, probier‘ ich doch mal aus. Für wie dumm halten Sie denn die Frauen?



      Keine Frau, die ihr Kind bekommen möchte, lässt sich durch die bloße Information über Schwangerschaftsabbruch dazu verleiten, ihn auch machen zu lassen. Zumal frau gezielt danach suchen muss, sich also schon vorher entschieden hat.



      2. Schwangerschaftsabbruch ist unter bestimmten Bedingungen legal, machen Sie sich kundig! Also darf darüber auch informiert werden.

  • Der Weg zur Selbstzerstörung wird kosequent fortgesetzt, vernünftige Handlungen wären da nur hinderlich!

  • In Zeiten wo CDU Menschen wie Maaßen herumgeistern könnte die SPD doch tatsächlich einfach mal was auf den Weg bringen, bzw. mittragen. Absurder wäre es nicht.