Bundestag debattiert Gewalthilfegesetz: Hoffnung für Frauenhäuser
Der rot-grüne Gesetzentwurf für mehr Frauenhausplätze könnte noch vor der Bundestagswahl beschlossen werden – falls auch Forderungen der CDU/CSU aufgenommen werden.
Bei der Problemanalyse herrschte im Bundestag große Einigkeit. Fast jede Rednerin erwähnte, dass im Jahr 2023 rund 180.000 Frauen und Mädchen Opfer häuslicher Gewalt wurden. 360 Frauen wurden in Deutschland sogar getötet, weil sie Frauen waren. Dabei gibt es in Deutschland nur 7.700 Plätze in Frauenhäusern, der Bedarf wäre dreifach so hoch. Regelmäßig müssen deshalb Frauen abgewiesen werden.
Der Gesetzentwurf „für ein verlässliches Hilfesystem bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt“, den SPD und Grüne in den Bundestag einbrachten, will das ändern. Gewaltbetroffene Personen sollen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung erhalten. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) versprach, dass der Bund in den Ausbau der Schutz- und Beratungsinfrastuktur „einsteigen“ werde. Bis 2036 sollen immerhin 2,6 Milliarden Euro an Länder und Kommunen fließen.
Für Leni Breymaier (SPD) war der entscheidende Durchbruch hierzu der Ampel-Koalitionsvertrag 2021. Damals sei man endlich „weggekommen von dieser Förderalismusdenke, dass nur die Länder zuständig sind für den Schutz der Frauen“.
Zunächst gab es im Bundestag aber vor allem Schuldzuweisungen. Die Ampel-Koalition habe drei Jahre lang „nichts“ gemacht, kritisierte die Abgeordnete Silvia Breher (CDU). „Sie haben dieses Thema erst mit dem Ampel-Aus für sich entdeckt.“ Dorothee Bär (CSU) warf Ministerin Paus vor, sie habe nicht das Gespräch mit der Union gesucht. Erst am Vorabend der Bundestagsdebatte habe es eine Einladung gegeben.
Familienministerin Paus sah die Schuld dagegen bei Finanzminister Lindner, der „kein Geld zur Verfügung gestellt“ habe. SPD-Frau Breymaier lobte zugleich den neuen Finanzminister Jörg Kukies (SPD), der „neue Finanzierungsmöglichkeiten aufgetan“ habe.
Ministerin Paus mahnte: „Länder, Kommunen und Verbände warten auf dieses Gesetz“. Die SPD-Abgeordnete Ariane Fäscher wurde ganz massiv: Falls man das Gesetz in die nächste Wahlperiode verschiebe, werde das „mindestens 170 Frauenleben“ kosten.
Kompromisssuche in dieser Woche
Doch die Debatte endete eher konstruktiv. Ministerin Paus bot der Opposition an: „Lassen Sie uns an den Tisch setzen und schauen, wie wir das Gesetz noch verbessern können.“ Und Grünen-Fraktionsvize Maria Klein-Schmeink unterbrach die schimpfende CSU-Frau Bär mit einer konkreten Zwischenfrage: „Kommen wir ins Gespräch? Können wir gemeinsam daran arbeiten, dieses wichtige Gesetz noch zu verabschieden?“ Und Bär antwortete: „Selbstverständlich – ich habe das immer gesagt – stehen wir für Gespräche zur Verfügung.“ In dieser Woche werden sich nun Bär, Klein-Schmeink und der SPD-Fraktionsvize Sönke Rix auf Kompromiss-Suche machen.
Die CDU-Abgeordnete Ingrid Pahlmann beschrieb, welche Punkte aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion „eingearbeitet werden müssen“. So müsse es auch „konsequente Prävention“ und „Strafverschärfungen“ für Täter geben. Notwendig seien zudem „Antiaggressionsprogramme“ und eine „elektronische Überwachung zur Durchsetzung von Annäherungsverboten“. Letzteres dürfte bei der rot-grünen Rumpf-Koalition sogar offene Türen einrennen. Denn erst vorige Woche hat der neue Justizminister Volker Wissing (parteilos) einen Gesetzentwurf zur Nutzung der elektronischen Fußfessel gegen prügelnde Männer vorgestellt.
Bevor es zu harmonisch wurde, forderte Dorothee Bär aber auch Gespräche über die Aufnahme von „biologischen Männern“ in Frauenhäuser. Die Mitarbeiter:innen seien verunsichert und fürchteten Mittelkürzungen, wenn sie Transfrauen ablehnen. Die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge hielt entgegen: „Für mich persönlich sind Transfrauen auch Frauen“. Nach ihrer Kenntnis fänden Frauenhäuser immer einen Weg, wenn Transfrauen um Schutz bitten. Ideal seien „Apartmentlösungen“.
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