Bund-Länder-Runde zur Coronapolitik: Entschieden unentschieden
Die Warnungen des Expertenrats vor Omikron sind drastisch – die politischen Schlussfolgerungen der Ampel daraus leider nur halbherzig und zögerlich.
L aut dem Expertenrat der Bundesregierung hört sich alles ziemlich düster an. Die Infektionszahlen sinken zwar derzeit. Die neue Omikron-Variante habe aber eine „nie dagewesene Verbreitungsgeschwindigkeit“ und unterlaufe zudem den bestehenden Infektionsschutz. Das alles könne zu einer „explosionsartigen Verbreitung führen.“ So steht es in dem am Dienstag gefassten Beschluss von Kanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsident:innen der Länder. Die Informationen sind auf dem Tisch. Angesichts dieser drastischen Worte kommt einem die Schlussfolgerung daraus aber mindestens halbherzig vor.
Dass Bund und Länder auf Boostern und Impfen setzen, ist vollkommen richtig. Aber die verschärften Kontaktbeschränkungen werfen Fragen auf – ob sie grundsätzlich ausreichen, aber vor allem, was den Zeitpunkt betrifft. Spätestens ab dem 28. Dezember dürfen Geimpfte und Genese höchstens zu zehnt zusammenkommen, Kinder unter 14 werden nicht mitgezählt.
Großveranstaltungen dürfen dann nur noch ohne Zuschauer stattfinden, Clubs und Diskos machen dicht. Die scharfen Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Personen bleiben bestehen. Der gesetzte Beginn, „spätestens ab dem 28. Dezember“, ist völlig beliebig und Ausdruck politischer Unentschiedenheit.
Es ist kein Geheimnis: Die Länderchef:innen sind sich uneins. Für Mecklenburg-Vorpommern werden die Maßnahmen etwa früher gelten, für andere Länder erst ab dem 28. Dezember. Ganz nach dem Motto: Erst Weihnachten, dann die Pandemiebekämpfung. Alles daran ist falsch, wenn gleichzeitig Krankenhäuser, Polizei oder Feuerwehr oder Stromversorger sich gerade auf ein worst-case-Szenario vorbereiten müssen, falls mit der Omikron-Varinate zu viele Arbeitskräfte ausfallen. Olaf Scholz hätte die Bevölkerung in Alarmbereitschaft versetzen müssen, stattdessen hat er sie mit seiner Rede eingeschläfert.
Was die zermürbte Bevölkerung nach zwei Jahren Entbehrungen verdient hat, ist nachvollziehbares Handeln. Eine schnelle Reduktion von Kontakten hilft jetzt, um das Personal in den Kliniken zu schonen und die Überlastung der Kliniken zu verhindern. Weihnachten hin oder her. Und zu klarer Kommunikation könnte auch gehören, dass die neue Bundesregierung neue wichtige Informationen – wie neue Beschlüsse etwa – sofort in möglichst vielen Sprachen zur Verfügung stellt. Auch dies ist, wie so vieles andere auch, nicht passiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass