Britischer Asyl-Deal: Nach Ruanda, fertig, los
Großbritanniens Parlament verabschiedet das Gesetz, das Abschiebungen illegal eingereister Asylsuchender nach Ruanda ermöglichen soll.

Premierminister Rishi Sunak jubelte Dienstagfrüh über eine „grundlegende Veränderung des globalen Migrationssystems“. Das Gesetz werde Migranten von der gefährlichen Überquerung des Ärmelkanals abhalten und „das Geschäftsmodell der kriminellen Gangs brechen, die sie ausbeuten“, sagte er. Man mache den Menschen klar: „Wenn du illegal herkommst, kannst du nicht bleiben.“
Konkret ermöglicht das Ruanda-Gesetz die Umsetzung des Asylpartnerschaftsabkommens zwischen Großbritannien und Ruanda, sobald auch dieses vom britischen Parlament ratifiziert worden ist – ein Schritt, der noch aussteht, aber nun als Formsache gilt.
Der Flüchtlingsdeal geht auf den 13. April 2022 zurück, als die Regierungen in London und Kigali eine erste Absichtserklärung unterzeichneten. Diese umfasste einen „Mechanismus zur Umsiedlung von Asylsuchenden, deren Gesuche das Vereinigte Königreich nicht behandelt, nach Ruanda, das ihre Anträge behandeln und die Personen nach Entscheidung entweder ansiedeln oder entfernen wird, im Einklang mit den ruandischen Gesetzen, der Flüchtlingskonvention und geltenden internationalen Standards“.
Triumph für Sunak nach Jahren der Mühe
Ein erster Flug nach Ruanda im Juni 2022 wurde aber vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Eilverfahren gestoppt. Im November 2023 kippte der Oberste Gerichtshof in London die Vereinbarung komplett, da Ruanda wegen Mängeln in seinem Asylsystem nicht als sicheres Drittland einzustufen sei. Um diese Bedenken auszuräumen, entstand im Dezember 2023 das neue Asylpartnerschaftsabkommen.
Anders als die Vereinbarung von 2022 sieht das Abkommen von 2023 ausschließlich internationales Recht zur Behandlung von Asylanträgen der aus Großbritannien nach Ruanda zu bringenden Asylsuchenden vor. Es schließt ihre Abschiebung in ein Drittland aus, schreibt hohe Standards für Asylverfahren in Ruanda fest und richtet eine multinationale Commonwealth-Berufungsinstanz ein.
Auf dieser Grundlage entstand das neue britische Gesetz, das in der Hauptsache Ruanda zum sicheren Drittland erklärt. Einwände gegen mögliche Abschiebungen nach Ruanda sind dann nur noch aufgrund der persönlichen Umstände einzelner Asylsuchender möglich, nicht mehr grundsätzlich.
Für Premierminister Sunak ist das ein Triumph nach Jahren vergeblicher Mühe. Seit seinem Amtsantritt 2022 steht er unter Druck des rechten Flügels der Konservativen, weil die Zahl von Migranten und Flüchtlingen, die mit Schlauchbooten aus Frankreich nach Großbritannien kommen, massiv gestiegen ist, auf inzwischen mehrere Zehntausend im Jahr. Bei Kriegsflüchtlingen aus Ländern wie Syrien, Irak und Afghanistan stieß dies noch auf Verständnis, nicht aber bei den jüngsten Einreisewellen von Arbeitsmigranten aus Ländern wie Albanien und Vietnam.
Ruanda bekommt für die Umsetzung sehr viel Geld
Unter anderem deswegen erlebt die rechtspopulistische Partei Reform UK, gegründet von Nigel Farage, einen Höhenflug in den Umfragen zulasten der Konservativen, die in der Wählergunst hoffnungslos abgeschlagen hinter der Labour-Opposition liegen. Labour lehnt den Ruanda-Deal ab, will „illegale“ Migranten aber auch nicht hineinlassen, sondern setzt auf Abkommen mit den Herkunftsländern und mit der EU.
Bei den bevorstehenden Wahlen dürfte das ein Hauptthema werden. Die Regierung hofft, schon in den nächsten Tagen die ersten Abschiebebescheide ausstellen zu können. Die ersten Flüge nach Kigali könnte es dann nach Abschluss der gerichtlichen Einzelfallprüfungen in zehn bis zwölf Wochen geben, also im Juli. Es könnte aber auch noch weitere Klagen geben.
Für die Umsetzung des Asylabkommens bekommt Ruanda sehr viel Geld. Großbritannien hat nach offiziellen Angaben einen mit 370 Millionen Pfund (430 Millionen Euro) dotierten Economic Transformation and Integration Fund (ETIF) für Ruanda aufgesetzt, der unter anderem in Bildung und Gesundheit fließt. 220 Millionen wurden bereits ausbezahlt. Zum Vergleich: Ruandas laufender Staatshaushalt umfasst umgerechnet rund 3,65 Milliarden Euro.
Weitere 120 Millionen Pfund bekommt Ruanda nach Aufnahme der ersten 300 Asylsuchenden, dazu 20.000 Pfund pro Person. Die laufenden Kosten des neuen Asylsystems sind darin noch gar nicht enthalten. Für Unterbringung und Unterhalt erhielt Ruanda 2022 einen Vorschuss von 20 Millionen Pfund, womit erste Modellunterkünfte erworben und gebaut wurden; ansonsten sieht die britische Regierung Zahlungen von bis zu rund 150.000 Pfund pro Person über fünf Jahre vor, was auch die Kosten der Asylverfahren decken soll.
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