Bremer Bürgerschaftswahl 2023: Wutbürger mit Wahlerfolg
Die Rechtsaußen von „Bürger in Wut“ erreichen bei der Bremen-Wahl Fraktionsstatus - dank der AfD. Ihr Personal ist dubios.
Auf der Wahlparty mit rund 100 Anhänger*innen in einem Festsaal einer Sportkneipe am Bremer Stadtrand war von einem „Erdbebensieg“ die Rede. Der Jubel war euphorisch. Der Erfolg hatte sich in den vergangenen Monaten abgezeichnet. Noch bei der vergangenen Wahl 2019 hatte die BiW nur 2,4 Prozent der Stimmen erhalten. Im Oktober 2022 kam die Vereinigung dann schon knapp an die Fünf-Prozent-Hürde heran, ab Februar 2023 lagen sie bei bis zu 10 Prozent.
Im Wahlkampf hatten sich die selbsternannten Wutbürger*innen erneut als Law-and-Order-Partei inszeniert, auch mit Fake News. „Bremen ist ein El Dorado für Straftäter“, erklärten die BiW. Unter dem Slogan „Klartext im Wahlkampf“ behauptete Leidreiter in einem Rundbrief, dass Bremen durch „Jugendliche und Kinder aus Marokko, Tunesien und Algerien“ zu einer „Hochburg des Verbrechens“ geworden sei. Dass die Daten des Senats dies nicht hergeben, störte ihn nicht.
Die BiW tönten zudem, „die Bremer“ sollten nicht bloß „aufwachen“, sondern sich wehren. Auf einem Wahlplakat prangte: „Bremer Autofahrer, wehrt Euch!“. Leidreiter erklärte der FAZ unumwunden: „Unsere Wahlkampfthemen sind darauf ausgerichtet: Wo sind die Menschen wütend?“ Und in der neu-rechten „Jungen Freiheit“ erklärte Timke, man profitiere davon, dass die Arbeit des rot-grün-roten Senats „stark ideologiegetrieben ist und an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht“. Eine klassische extrem-rechte Argumentation, nach der nur sie selbst nach dem reinen Menschenverstand und wahren Volkswunsch handeln würden, ohne jede Ideologie.
Ein AfD-Streit ermöglichte den BiW-Erfolg
Die BiW weiß aber selbst, dass ihnen nicht ihr Wahlkampf allein, sondern auch das AfD-Versagen den Wahlerfolg ermöglichte. Die AfD lag im März in Umfragen noch bei sieben Prozent. Doch durch einen parteiinternen Streit zwischen zwei konkurrierenden AfD-Landesvorständen, die beide für sich beanspruchen, die Partei nach außen zu vertreten, scheiterte die Kandidatur. Beide Vorstände hatten eigene Listen beim Wahlausschuss eingereicht – laut Wahlgesetz darf aber jede Partei nur mit einer Liste antreten.
In einer Umfrage von Radio Bremen hatten 54 Prozent der Befragten erklärt, die BiW zu wählen, weil die AfD nicht kandidierte. Timke sagte auch selbst, dass seine Vereinigung einige „gemäßigte Wähler des bürgerlichen Spektrums“ anziehe, die früher AfD gewählt hätten. Aus der AfD kamen aber auch einzelne Kandidaten direkt zur BiW. Spitzenkandidat Leidreiter selbst ist ein Ex-AfDler, genauso wie der Listenzweite Sven Schellenberg.
Kandidat musste nach taz-Bericht zurückziehen
Drei Tage vor der Wahl muss die BiW nach einem taz-Bericht einräumen, dass auf ihrer Liste auch ein Rechtsextremer plaziert war: Heiko Werner. Der nahm 2018 an einem Solidaritätsmarsch von gewaltbereiten Rechtsextremen für die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck teil. Die BIW legte Werner daraufhin nahe, die Wählervereinigung zu verlassen. Dort sei kein Platz für rechtsextremes Gedankengut, behauptete Timke. Werner selbst versicherte, kein Mandat anzunehmen.
Aber auch andere Kandidaten sind dubios. Auf Platz 3 der BiW-Liste trat André Minne an. Der neu gewählte Bürgerschaftsabgeordnete ist via Facebook mit der Rocker-Rotlichtgröße Stefan Ahrlich befreundet. Ahrlich ist seit Jahren an der Weser eine Größe im Milieu zwischen Rockern und Rechtsextremen. Mit einem Tattoo auf der linken Brust bekennt er sich zu „Odin statt Jesus“, mit einem T-Shirt „Endstufe-Crew“ zeigte er offen seine Nähe zu der Rechtsrockband. Über Facebook ist Minne zudem mit einem Kampfsporttrainer verbunden, der sich in der rechtsextremen Szene bewegt.
Im Wahlkampf unterstützte die Kleinstpartei „Bündnis Deutschland“ (BD) die BiW. Auf seiner Website erklärt das BD, rund 300.000 Euro in den Wahlkampf investiert zu haben. Die „Bürger in Wut“ überlegen derweil, sich von Bremen aus auch bundesweit aufzustellen. Die BiW könnten damit „den politischen Wirkungskreis für unsere Mitglieder über die Grenzen des Landes Bremen hinaus erweitern“, erklärte Timke.
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