Vor der Wahl in Bremen: Niemals ist das Land rechts

Noch nie hat in Bremen eine AfD-Fraktion eine Legislatur überdauert. Auch wenn sich das nicht ändert, gibt es nicht unbedingt Grund zum Jubilieren.

Jan Timke an einem Tisch hinter Unterlagen

Wutbürger im Wahlkampf: Jan Timke diskutiert mit Schü­le­r*in­nen Foto: dpa

BREMEN taz | Auch hinter einem antifaschistischen Schutzwall können Nazis gedeihen. Das lehrt die Geschichte. Insofern sollte man Bremens Glück nicht überbewerten. Denn ja, es stimmt: Im November 1932 hatte die NSDAP hier gerade mal 20,6 Prozent – schwächer war sie nirgends. Und noch nie hat es die AfD geschafft, in Fraktionsstärke eine Legislaturperiode in der Bremischen Bürgerschaft zu überleben, dem Bremer Landtag.

Aktuell haben sich die vor vier Jahren gewählten Abgeordneten in eine Dreiergruppe, von denen einer tot und ersetzt ist, einen Einzelabgeordneten und einen, der mit einem anderen Einzelabgeordneten ein Duo bildet, zersplittert. Und dem nächsten Landtag wird gar kein AfDler angehören. Denn durch Streitigkeiten – vermutlich ging es um die Frage, ob man radikal rechts oder rechtsradikal sein will – zweier interner Lager hat sie sich derart selbst zerlegt, dass ihre Listen weder in Bremen noch in Bremerhaven zur Wahl zugelassen werden konnten.

Weil die Partei dann mit einer querulatorischen, weil aussichtslosen Klage gegen den Ausschluss den Staatsgerichtshof belämmert hat – der Rechtsweg ist erst nach der Wahl offen –, hat der auch in der Sache einen überdeutlichen Wink gegeben: „Vorliegend ist kein besonders qualifizierter Rechtsverstoß ersichtlich, der einen Wahlfehler von außerordentlichem Gewicht begründet“, heißt es in dessen Beschluss. Ohne Wahlfehler von außerordentlichem Gewicht gibt’s keine Aussicht auf Wahlwiederholung. Und damit tschüss, AfD! Ihr werdet fehlen.

Bloß: Es gibt ja noch andere, schon aus Tradition: Anfang der 1990er und wieder von 1999 an hatte die Bürgerschaft mit Siegfried Tittmann einen vor sich hin hetzenden rechtsradikalen Einzelabgeordneten. Der stämmige Disponent überkrabbelte in Bremerhaven dreimal in Folge die Fünfprozenthürde.

Bremen stört nicht weiter – trotz seines schlechten Rufs. Eine Statistik, die Bremen als Schlusslicht ausweist, ist schnell gefunden. Irgendein Bildungsmonitor, ein Armutsranking, eine Kriminalitätsstatistik. Und auch noch das: Vier Jahre lang ist Bremen von einem rot-grün-roten Senat regiert worden. Die Aufregung um das bisschen Kommunismus im traditionell SPD-roten Bremen war schnell verklungen, als klar war, dass dieses in einem rein westdeutschen Bundesland einmalige Experiment ganz passabel funktioniert hat. Es taugt zum Hingucker.

So wie die ganze Stadt.

Zur Neuwahl der Bremer Bürgerschaft am 14. Mai schaut die taz daher in einem Dossier genau hin. Was macht das Lebensgefühl aus? Wieso ist Bremen die Raucherhauptstadt? Warum nochmal ist Bremerhaven wichtig? Und was macht Werder?

Alle Texte des Dossiers werden unter dem Link taz.de/bestofbremen gesammelt.

Wutbürger vor der wahl

Dasselbe war schon in Tittmanns letzter Wahlperiode einem zweiten, in manchem inhaltlich mit dem inzwischen verstorbenen Schnurrbartträger übereinstimmenden Einzelabgeordneten geglückt: Jan Timke, Chef von Bürger in Wut (BIW). Zwar hatte es 2007 erst so ausgesehen, als sei der fesche Bundespolizist mit 4,9981956 Prozent so knapp am Quorum gescheitert wie keiner je vor und nach ihm und habe so dem Namen seiner Wählervereinigung endlich zu einem vernünftigen Anlass verholfen: Um eine Stimme!!!, grrr!, das macht mich sooo wütend …!

Aber dann hatte es halt echte Unregelmäßigkeiten beim Auszählen gegeben, in einem Ortsteil wurde neu gewählt, und seither sitzt Timke im Parlament, kassiert Diäten wie alle Abgeordneten und war in der Szene schon 2011 so bekannt, dass Anders Breivik ihn in seinen Mailverteiler aufnahm.

Mindestens in Bremerhaven dürfte sich seine Vereinigung zur AfD wie kommunizierende Röhren untereinander verhalten. Und auch in Bremen kann es passieren, dass sich BIW an deren Leiche fett fressen, wie Karen in George A. Romero’s „Night of the Living Dead“ an ihrem Vater Harry. Ach ja, wirklich schön geht anders. Aber schöner als anderswo ist es natürlich schon.

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