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Brandbrief der UmweltorganisationenDa ist Fernwärme im Busch

Hamburgs rot-grüner Senat überlegt, namibisches Buschholz zu verfeuern, um die Fernwärmeversorgung klimaneutral zu machen. Das weckt Proteste.

Soll im Zuge der Wärmewende von Kohle auf Holz umgestellt werden: Kraftwerk Tiefstack Foto: Thorsten Baering/Imago

Hamburg taz | Das Waterberg-Plateau in der namibischen Savanne ist auf grausame Weise berühmt geworden. Dort haben die deutschen Kolonialtruppen 1904 das Volk der Herero besiegt und anschließend in die Wüste getrieben, um Männer, Frauen und Kinder dort verdursten zu lassen.

Mehr als 100 Jahre später könnte dieser Ort zu einem Beispiel der Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen der ehemaligen Kolonialmacht und den ehemals Kolonisierten werden. Das klingt zumindest an in einem Papier der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die als Werkzeug der Bundesregierung weltweit die nachhaltige Entwicklung fördern soll.

2019 präsentierte die GIZ einen Plan, der fast zu schön klingt, um wahr zu sein: Namibia könnte die wild wuchernden, dornigen Büsche seiner Savanne häckseln und als Brennstoff nach Deutschland verschiffen. Mit dem nachwachsenden Rohstoff könnten hierzulande quasi CO2-frei und damit klimaneutral Kraftwerke betrieben werden.

Namibia hätte damit die Chance, der immer weiter voranschreitenden Verbuschung und – so eine Lesart – faktischen Verwüstung weiter Landstriche Herr zu werden. Und Deutschland könnte einen stetigen Strom erneuerbarer Energie erwarten, mit dem sich Schwankungen bei Wind und Sonne ausgleichen ließen.

Zweifel an der Klimaneutralität

Eine besondere Dringlichkeit ist dabei in Hamburg gegeben, wo der Senat auf Geheiß der Bevölkerung die Netze für Strom, Gas und Fernwärme zurück gekauft hat. Ziel des Volksentscheids von 2013 war „eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien“.

Umsetzen muss das der grüne Umweltsenator Jens Kerstan, der dafür das Kraftwerk Tiefstack am Elbe-Nebenfluss Bille von Kohle- auf Holzverbrennung umrüsten will, um klimafreundliche Fernwärme liefern zu können.

Doch seinen guten Absichten zum Trotz sieht sich der rot-grüne Hamburger Senat mit einer breiten Gegenbewegung konfrontiert. 40 Nichtregierungsorganisationen (NGO) aus dem Bereich der Umwelt und der Entwicklungszusammenarbeit haben „Entwicklungshilfeminister“ Gerd Müller (CSU) dringend gebeten, das GIZ-Projekt „Bush Control & Biomass Utilization“ (BCBU) zu stoppen.

Die Verbrennung von Buschholz als klimaschützend zu kalkulieren, sei keine überzeugende Rechnung, heißt es von den Aktivisten. Durch die Abholzung werde in Namibia eine Kohlenstoffsenke zerstört. Auf die entbuschten Flächen würden Rinder zum Weiden geführt, deren Gedärmen wiederum Methan entweiche – ein Gas, das viel klimaschädlicher sei als Kohlendioxid.

Neokolonial oder ökoimperialistisch?

Nicht zuletzt trage das Vorhaben neokoloniale Züge, denn Deutschland könnte damit seine Klimabilanz entlasten, während die von Namibia belastet würde. Profitieren würden deutsche Maschinen- und Anlagenbauer, Geldgeber und große namibische Farmen – das alles zu Lasten der Namibier, die sich mit ein paar Rindern und dem Ernten von Holz über Wasser hielten.

Minister Müller hat den ­Aktivisten allerdings schon eine Abfuhr erteilt. Und auch in Namibia teilen nicht alle die Argumentation der Gegenbewegung. Die Namibia Nature Foundation (NNF) etwa würdigt zwar die Kritik der internationalen NGOs, warnt aber zugleich vor Öko-Imperialismus: Die ausufernde Verbuschung lasse den Namibiern immer weniger Land zum Bewirtschaften übrig. Den Namibiern wachse das Buschholz sozusagen über den Kopf – in so großen Mengen, dass es im Land bei Weitem nicht verarbeitet werden könne.

Dabei betonen die namibische Regierung, die GIZ und die Uno, dass es nicht um einen Kahlschlag, sondern nur um ein Ausdünnen des Buschs gehen könne. Darum, eine halboffene Savannenlandschaft wie vor 100 Jahren wiederherzustellen. Die Verbuschung sei auch deshalb ein Problem, da die Pflanzen dem Boden viel Wasser entziehen, das über die Blätter verdunstet. Der Grundwasserspiegel sinkt. Zudem ziehen sich viele Wildtierarten aus verbuschten Gebieten zurück.

Die Umweltorganisation Robin Wood, die grundsätzlich ablehnt, für den Klimaschutz Holz zu verbrennen, bezweifelt, dass ein Ausdünnen realistisch ist: Der Preisdruck werde eine quasi-industrielle Abholzung forcieren, zumal in einem Gebiet, das so groß sei wie Italien, kaum gewährleistet werden könne, dass nach nachhaltigen Regeln geholzt werde.

Lesen Sie mehr über den Buschholz-Streit in unserer gedruckten Wochenend-Ausgabe oder hier.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Zum grundsätzlichen Verständnis der Anfrage aus Namibia muß man wissen, daß es sich nicht um Bäume handelt, sondern um das sog. bush-encroaching. Das Abbrennen dieser Buschlandschaften ohne weitere Nutzung ist aus Klimasicht eben genau der worstcase und hilft Namibia und vor allem den Menschen, Tieren und Pflanzen vor Ort eben nicht und nur minimal. Außerdem: es geht nur um einen Bruchteil der bereits verbuschten Flächen, die jedes Jahr drastisch zu nehmen. Hier gibt es auch mehr Informationen: www.hamburg.de/ene...omass-partnership/

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich habe selten so einen dämlichen Vorschlag gelesen!

  • Nehmen wir einmal an, das Argument mit dem Ausdünnen wäre stichhltig -- ich kann das nicht beurteilen. Aber warum Deutschland, wo es die Technik zur effektiven Rauchgasreinigung bei fossilen Brennstoffen wie Kohle gibt und sie angewandt wird? In großen Teilen Afrikas ist Holzkohle nach wie vor eine der wichtigsten Energiequellen und wird aus Mangel oft da gewonnen, wo es wirklich Schaden anrichtet. Wenn überhaupt wäre das wohl die angemessenere Verwendung des so gewonnenen Holzes.

    • @Axel Berger:

      Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man in Namibia so wenig Strom benötigt, dass man die Büsche nicht dafür verwenden könnte.

      • @Sonntagssegler:

        Wenn man aber Energie aus der Busch-Biomasse machen möchte, dann aber bitte dort, wo die Energie am besten genutzt werden kann. D.h. wo man Wärme und Strom braucht. Das ist z.B. in HH der Fall. Namibia dagegen braucht keine Heizwärme in dem Umfang und kann außerdem mit Wind und PV günstiger und umweltfreundlicher seinen Strom produzieren. Finanziert z.B. durch den Export von Buschbiomasse-Pellets und anderen Gütern aus der Buschbiomasse.

  • Verbuschung oder Verblödung?

    Also ich kenne die Details nicht aber folgende Anmerkung dazu:



    "Die ausufernde Verbuschung lasse den Namibiern immer weniger Land zum Bewirtschaften übrig."

    In Asien läuft es genau anders: dort wo der Bevölkerungsdruck hoch ist, bleibt kein Busch stehen, er wird verbrannt oder gemulcht.



    Zwar ziehen Büsche Wasser aus dem Boden und verdunsten ihn, sorgen aber dadurch gleichzeitig für ein höhere Luftfeuchtigkeit und bremsen den Wind.



    Jede Begrünung einer verwüsteten Landschaft (s. China, s.green Belt südlich der Sahelzone) beginnt mit kleinen Büschen und jungen Bäumen, die dann durch ihre Beschattung und immer tiefere Durchwurzelung die Landschaft wieder beleben.



    Ob sich dann jeder Wüstenfuchs noch wohlfühlt sei dahingestellt.

    Aber die Argumentationskette stinkt!

  • Klimaneutral? Das Holz wird dann nach D gebeamt? Oder mit Segelbooten hergebracht?