Brand auf Frachter: Es geht um die Zukunft
Der Brand auf dem Frachtschiff in der Nordsee wirft Fragen nach dem Verhältnis von Umwelt, Sicherheit und Wirtschaft auf. Wie regulieren wir eine Branche?
D as Aufatmen nach der schwierigen Bergungsoperation war weithin hörbar. Die „Fremantle Highway“, der seit inzwischen fast einer Woche auf der Nordsee brennende Autofrachter, befindet sich inzwischen an einem relativ sicheren Ankerplatz. Das ist, was das Potenzial einer ökologischen Katastrophe anbetrifft, noch kein Grund zur Entwarnung, zumal notgedrungen große Mengen an Lösch- und Kühlwasser in die Nordsee gelangten.
Wohl verschafft die aktuelle Lage Zeit. Zunächst einmal, um den Weitertransport in einen Hafen zu planen, aber auch, um sich einigen dringenden Fragen zuzuwenden, die durch den Brand in den Fokus rücken. Akut geht es dabei um die Regulierung des Transports von Elektrofahrzeugen auf See, die international schon zuvor diskutiert wurde. Reedereien fordern nun entschieden Schritte für mehr Sicherheit. Auch der BUND schließt sich an mit dem Vorschlag, Autofrachter als Gefahrguttransporte einzustufen.
Dazu gibt es, wie wir gesehen haben, allen Anlass. Bei aller sehr berechtigten Sorge um das Weltnaturerbe Wattenmeer gerät dieser Tage bisweilen außer Sicht, dass ein Besatzungsmitglied in der Nacht, als das Feuer ausbrach, starb. Andere wurden schwer verletzt, leicht hätte es mehr Todesopfer geben können. Diese fundamentale Gefahr betrifft Menschen, die, wie die aus Indien stammende Crew der „Fremantle Highway“, ohnehin unter äußerst prekären Bedingungen ihren Lebensunterhalt bestreiten, in einer Branche, die unter permanentem Druck steht.
Was das Wattenmeer angeht: Dieses einzigartige Gebiet ist nach der Havarie des Containerriesen 2019 zum zweiten Mal in wenigen Jahren akut von massiver ökologischer Schädigung bedroht. Das führt uns vor Augen, wie dringend Entscheidungen getroffen werden müssen, die dabei noch weit über den Schutz dieses Weltnaturerbes hinausgehen. Dass ausgerechnet Elektroautos, Symbole der nachhaltigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, die mutmaßliche Brandquelle sind, zeigt, wie komplex die Situation ist.
Ökologische Sicherheit an erster Stelle
Beide Vorfälle ereigneten sich auf der südlichen der beiden Schifffahrtsrouten, die oberhalb des Wattenmeers etwa Rotterdam und Hamburg verbinden, den größten und den drittgrößten Hafen des Kontinents. Es ist die Route, die näher am Wattenmeer liegt. Die Forderung, sie zu schließen, wurde in den Niederlanden bereits 2019 laut. In diesen Tagen ist sie erneut zu hören, etwa von 73 Prozent der Personen, die an einer Umfrage der Regionalzeitung Dagblad van het Noorden teilnahmen. Sie liege zu nah an den Inseln, heißt es.
Eine Vertreterin der Waddenverenigung, immerhin eine der engagiertesten Stimmen für Schutz und Erhalt des Gebiets, merkte allerdings zuletzt im Gespräch mit der taz an, dass schwerlich alle Schiffe einfach die nördliche Route benutzen können. Jan Valkier, Vorsitzender der niederländischen Reedereien-Vereinigung KVNR, wies in einem Radiointerview darauf hin, dass die südliche Route 15 bis 20 Prozent kürzer sei, was neben Zeit auch Brennstoff und Emissionen einspare. Zudem seien im Fall eines Unglücks Rettungsschiffe deutlich schneller zur Stelle, was, wie zuletzt gesehen, Leben retten kann.
Dass die Sicherheit – auch und gerade die ökologische – an erster Stelle steht, bestreitet auch besagter Reederei-Vertreter nicht. Vielmehr unterstreichen seine Worte, dass hier zentrale gesamtgesellschaftliche Fragen zur Debatte stehen: Wie und nach welchen Prinzipien regulieren wir eine Branche, die, was Ökonomie und Konsum betrifft, nicht weniger als eine Lebensader ist? Das Wattenmeer zu schützen ist alternativlos. Darüber hinaus nicht über die globale Just-in-Time-Logistik zu diskutieren ist sinnlos.
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