Boris Pistorius und seine Emotionen: Männliche Hybris
Der Verteidigungsminister muss nicht machen, was er macht. Sagt er. Ist das Selbstaufopferung für das Land oder blanke Überheblichkeit?
![Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigt mit dem Finger auf sein Gegenüber. Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigt mit dem Finger auf sein Gegenüber.](https://taz.de/picture/7006022/14/35292322-1.jpeg)
I ch muss das hier nicht machen. Aber wenn ich es nicht mache, macht es keiner. Dann prangt an dieser Stelle ein Loch. Nicht einmal die sich sonst so gern als Kriegsexperten ausgebenden Kollegen ließen sich dazu überreden, diesen Platz in der Zeitung zu füllen. Und falls doch, hätten nur Männer das Geschehen der Welt kommentiert. So geht das nicht. Also opfere ich mich.
Oder anders gesagt: Heute mache ich mal den Boris Pistorius. Der SPD-Mann muss nämlich auch nicht machen, was er macht: Verteidigungsminister sein. Jedenfalls sagte er das kürzlich hinter verschlossenen Türen bei Verhandlungen zum Haushalt. Dazu muss man wissen, dass Pistorius sein Haus von den Sparplänen seines Kollegen Christian Lindner ausnehmen lassen wollte. Aber das ist, wenn man den knausrigen Finanzminister kennt, alles andere als easy. Weswegen Pistorius sich mal kurz vergaß und zischte: „Ich muss das hier nicht machen.“
Ich kann Boris verstehen. Volle Kanne. Wie oft frage ich mich: Was machst du hier eigentlich? Statt mich mit Kolleg:innen über Kommentarplätze im Blatt, Thesenzuspitzung, Redaktionsschlusszeiten und – Achtung – Honorare zu zoffen, könnte ich schon am Nachmittag Pastis trinken. Aber ich sitze brav am Schreibtisch und füge mich. Denn wenn ich es nicht mache, macht es (vielleicht) doch jemand anders.
Das ist der Unterschied zwischen Pistorius und mir: Er tut so, als hinge das Schicksal der Bundesrepublik von seinem Kampf für den Wehretat ab. Als hätte er das Recht, für sein Ministerium zu fordern, was anderen Häusern verwehrt bleibt. Pistorius wirft sich nicht in den Staub, wenn er sich dazu herablässt, das Verteidigungsministerium weiterzuführen – mit welchem Etat auch immer. Vielmehr offenbart er eine Seite, die der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben ist: Egozentriertheit und Hybris.
So etwas ist Frauen natürlich vollkommen fremd. Als frühere Genderredakteurin weiß ich das ganz genau. Aber notfalls opfern sie sich und kommen so um die unsinnigen Diskussionen mit sturen Böcken herum. Und geben gern die Quotenfrau – so wie ich heute. Auch wenn ich das nicht machen muss.
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