Boom an Erneuerbaren Energien: Öl-Exporteuren droht Machtverlust
Der Siegeszeug der Erneuerbaren verändert die Geopolitik, sagen Branchenlobbyisten. Aber der Fortschritt müsse schneller gehen.
BERLIN taz | „Wir sind hyperfokussiert auf das Militär“, sagte Sharon Burke vom US-Thinktank New America. „Mein Land gibt jährlich eine Billion Dollar für Verteidigung aus, aber viel zu wenig für Diplomatie und Innovation.“ Ganz ähnlich hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zuvor argumentiert: „Das „Geschäftsmodell“ von Staaten, die Öl und Gas exportieren, ändere sich, das Druckmittel von Energielieferungen falle weg. Man müsse auch die Situation dieser Staaten berücksichtigen, „aber die beste Art, Konflikte zu vermeiden, ist es, in die Erneuerbaren zu investieren“, sagte Maas.
In diesem Punkt waren sich die Teilnehmer der Konferenz „Berliner Energiewende-Dialog“ im Auswärtigen Amt einig. Bei dem am Dienstag gestarteten zweitägigen internationalen Forum präsentierte sich Deutschland abermals als Vorreiter bei den Erneuerbaren – kurz bevor am Mittwoch zum ersten Mal das „Klimakabinett“ der Bundesregierung tagt, um einen Weg zur Erreichung der Klimaziele 2030 zu suchen.
Der Chef der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, mahnte zwar, es gebe beim Klimaschutz „eine wachsende Entkopplung von den politischen Statements und der realen Welt“. Damit meinte er aber nicht spezifisch die deutsche Situation, sondern den weltweiten Anstieg der CO2-Emissionen trotz der Schwüre bei der Klimapolitik.
Ein Hauptthema der Veranstaltung, welche die internationale Energiewende voranbringen soll, war die resultierende Veränderung des geopolitischen Machtgefüges. Dies hat die internationale Agentur für Erneuerbare, Irena, in einer eigenen Studie untersucht. Fazit: Der Umstieg auf Erneuerbare entmachtet tendenziell Exporteure fossiler Brennstoffe wie die Golfstaaten oder Russland.
Ausbau der Erneuerbaren beschleunigen
Gleichzeitig gibt sie den klassischen Importeuren von Gas und Öl, vor allem China, Europa und Japan, mehr Freiheiten, wo sie ihre Energie beziehen und wie sie ihre Budgets ausgeben können. Das südliche Afrika, Südasien und die kleinen Inselstaaten würden von einem Umstieg auf Erneuerbare profitieren, fand die Studie „A New World“. Kaum betroffen sei dagegen Amerika: Die USA, Kanada und Lateinamerika seien rechnerisch praktisch unabhängig.
„Der Wettlauf um eine klimafreundliche Zukunft ist in eine entscheidende Phase getreten“, sagte der neue Chef der Irena, Francesco La Camera. In der aktuellen Studie „A Roadmap to 2050“ heißt es, dass der massive Zubau von Wind, Sonne, Wasser und Biomasse weltweit und ein Umstieg des Energiesystems auf Strom drei Viertel der für die Klimaziele nötigen Emissionsreduzierung erbringen könne.
„Die beste Art, Konflikte zu vermeiden, ist es, in die Erneuerbaren zu investieren“
Bis 2050 könnten 86 Prozent des weltweiten Stroms aus grünen Quellen kommen (bisher sind es etwa 10 Prozent), die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs könne dann von Strom abgedeckt werden. Aber La Camera mahnte auch: Der Ausbau der Erneuerbaren müsse sich massiv beschleunigen. Vor allem Wind- und Solarenergie müssten sechsmal so schnell errichtet werden wie derzeit. Da wartet also noch Arbeit auf das deutsche „Klimakabinett“.
Leser*innenkommentare
KAJA123
Nicht mit den Betonköpfen in Berlin! Da müssen wir alle noch viel lauter schreien und auf die Straße gehen. Mit Petitionen und Gerichtsentscheidungen is da nix zu machen. Das wird konsequent ignoriert! Ich finde auch, dass die Presse viel zu schwach ist!!
Baidarka
Deshalb hat die diese Woche platzierte Anleihe von Saudi Aramco auch kaum Abnehmer gefunden.
www.handelsblatt.c...orde/24200312.html
91672 (Profil gelöscht)
Gast
Der Witz, ausgerechnet diese Kanzlerin als 'Klimakanzlerin' zu bezeichnen, hat sich leider als sehr schlechter Witz entpuppt.
Man weiß nicht, wem sie gerade wieder ein Küßchen aufdrängt (Netanjahu, Macron, Juncker, dem Kanadier oder dem Japaner ...), mit den Begriffen Energiewende, Umweltaufgaben, europäische Ziele einzuhalten scheint sie trotz Physikstudium nichts anfangen zu können.
Oder ist sie eventuell gar nicht mehr Kanzlerin???
Mitch Miller
" „aber die beste Art, Konflikte zu vermeiden, ist es, in die Erneuerbaren zu investieren“, sagte Maas."
Wow!? Der Maas...Chapeau!
Aber die schlaueren Ölexporteure haben ihre Milliarden schön längst in diese Richtung investiert, denke ich. So was hört man zumindest von Saudi-Arabien.
Leider nicht so sehr von den IMPORTEUREN!!! Wir hauen immer noch jährlich Abermilliarden für fossile Brennstoffe raus, die der Volkswirtschaft fehlen.
Würden wir dieses Geld in Speicherentwicklung und Erzeugung stecken wären wir schon längst 100% autark und glücklich...aber die Grossindustrie verdient ja viel Geld damit, da muss man nur mal nach Gegend Ingolstadt schaun, da wurden Ölraffinierien aus dem Boden gestampft mit einer Pipeline von Italien hoch durch's Inntal, um die Struktur dort zu stützen.
wxyz
Ich traue solchem Gerede an keiner Stelle.
Dagegen halte ich es für nicht unwahrscheinlich, daß man sich unter dem Deckmantel "Umweltschutz" sogar recht schnell einen neuen Industriezweig ausdenkt, z. B., Krankenhäuser, Kindergärten und Schulen dürfen nur noch mit abgasfreien Bomben zerstört werden, oder Panzer müssen mit E-Motoren betrieben werden.
Drabiniok Dieter
Kann es nur um "Zubau" der Erneuerbaren gehen, oder muss nicht in gleichem Maße parallel der Abbau der Fossilen erfolgen? Wie es scheint, wird kein Gedanken daran verschwendet, dass nur durch Energie sparen UND dem Rückbau der fossilen Kapazitäten der CO2 Ausstoß reduziert werden kann. Offenbar zählt nur das "mehr" an Energieproduktion und das "mehr" an Energieverbrauchern (Digitalisierung, 5G, E-Mobilität).
Es ist kein Umdenken und keine Abkehr von der Wachstumslogik zu erkennen. Wir freuen uns über ein Foto eines "Schwarzen Lochs" in 11 Millionen Lichtjahren Entfernung und weigern uns die "schwarzen Ar...Löcher" bei uns zur Kenntnis zu nehmen, die jegliche Vernunft und jeglichen Verstand aufsaugen, um ihre kurzfristigen Wachstums-/Renditeziele zu realisieren. Zu Lasten der zukünftigen Lebensbedingungen auf unserem Planeten.
Autofahrer4.0
@Drabiniok Dieter E-Mobilität reduziert den Gesamtenergieverbrauch deutlich und führt zu einer schnellen Verlagerung von fossilen zu erneuerbaren Energien.
Einfach mal ausprobieren....☺
Drabiniok Dieter
@Autofahrer4.0 Sicher! Und die Erde ist eine Scheibe!
92293 (Profil gelöscht)
Gast
das hätte vor 10 jahren schon beginnen können; man hätte keine solaren konzerne kaputtmachen müssen (durch die fdp) und sich jetzt hinter der jugend aufzustellen weil diese demonsitriert ist einfach nur geschnoddere um versäumtes in kleinen schritten anzugehen; ist jetzt der wettlauf mit china interessanter??