Blockaden der „Letzten Generation“: Autos blockieren am meisten
Nach einem blockierten Rettungsdienst-Einsatz hagelt es Kritik. Doch weitaus gefährlicher ist die Normalität des motorisierten Individualverkehrs.
D as Ausmaß der Empörung, die sich am Montag einstellte, war vorhersehbar. Ein Rettungswagen der Feuerwehr war wegen einer Blockade der A100 durch Klimaaktivist:innen der Letzten Generation deutlich verspätet zum Unfallort einer schwer verletzten Radfahrerin gekommen, die von einem Betonmischer erfasst worden war. Seit Wochen blockieren die Klimaaktivist:innen Straßen und bewerfen Gemälde mit Lebensmitteln. Mit ihrer Strategie, das Alltagsleben zu stören, bis der Klimakrise endlich mit ernsthaften Maßnahmen begegnet wird, machen sich die Aktivist:innen nicht nur bei Polizeigewerkschafter:innen unbeliebt.
„Es gibt keine Rechtfertigung dafür, das Leben anderer zu gefährden“, gab zum Beispiel Innensenatorin Iris Spranger (SPD) den Konsens wieder, der sich nach dem Unfall durch die Kommentarspalten der sozialen Medien zog. Dieser Kritik ist nur zuzustimmen. Denn unabhängig davon, ob die Verspätung des Rettungswagens einen Unterschied für die in Lebensgefahr schwebende Radfahrerin gemacht hat, hat die Aktion der Letzten Generation eine Grenze überschritten.
Letztendlich sind die Straßenblockaden nur symbolische Aktionen, die das Ziel haben, möglichst viel mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Werden dabei Menschenleben gefährdet, muss sich die Gruppe nicht nur den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit gefallen lassen, sondern auch intern kritisch reflektieren, ob diese Aktionsform weiterhin zielführend ist.
Die Rechtfertigung der Gruppe, Blockaden seien notwendig, da „alle zuvor gelagerten Mittel wie Demonstrationen und Petitionen nicht den notwendigen Erfolg gebracht haben“, wirkt vor dem Hintergrund wenig überzeugend. Gruppen wie Ende Gelände oder Scientist Rebellion zeigen, dass radikaler Protest auch ohne Gefährdung von Menschenleben möglich ist.
Tödlicher Individualverkehr
Dennoch wirkt die Empörung auf den zweiten Blick heuchlerisch. Denn hätte der Schutz von Radfahrer:innen und Fußgänger:innen in dieser Stadt wirklich Vorrang, dann würde die zweistellige Zahl von Fahrradfahrenden, die jährlich von Autos und Lkws in Berlin getötet werden, nicht mit einem Schulterzucken hingenommen werden.
Einfache, aber unpopuläre Maßnahmen wie ein Abbiegeverbot für Lastwagen oder eine Ampelschaltung, die Radfahrer:innen bevorzugt, hätten schon längst Dutzende Menschenleben retten können, doch sie lassen bislang auf sich warten.
Auch die individuelle Verantwortung der Autofahrer:innen wird in der Debatte weitestgehend ausblendet. Entscheide ich mich, mit dem Auto und nicht mit dem Fahrrad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, gefährde ich, zumindest statistisch gesehen, meine Mitmenschen, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind. Allein die Kritik, man könne nicht erwarten, dass Autofahrer:innen ordnungsgemäß eine Rettungsgasse bilden, lässt tief blicken.
Jeder Tote ist vermeidbar
Die Aussage „Irgendeiner schnallt es immer nicht richtig“ des Pressesprechers der Berliner Feuerwehr offenbart ein Verkehrssystem, indem es normal und akzeptabel ist, dass Rettungskräfte tagtäglich durch andere Verkehrsteilnehmer blockiert werden.
Die traurige Wahrheit ist: Jede*r Verkehrstote ist vermeidbar. Der motorisierte Individualverkehr in Städten ist nicht nur aus Klima- und Platzgründen ein Auslaufmodell, sondern vor allem aus Respekt vor dem Leben unserer Mitmenschen. Eine weitere Verzögerung der Verkehrswende wird deutlich mehr Menschenleben gefährden als alle Aktionen der Letzten Generation zusammen.
Dementsprechend sollte der Aufschrei bei jeder verunfallten Radfahrer*in mindestens so groß sein, als hätte die Letzte Generation den Rettungswagen blockiert.
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