Billig-, Marken- und Edelpasta im Test: Spaghetti alla schlappi

Unsere Autorin hat Pastasorten auf Geschmack, Gefühl und die Bereitschaft, sich mit der Sauce zu verbinden, getestet – und hat eine klare Siegerin.

Ein Nudelverkäufer hinter Bündeln von Spaghetti

Nudelgeschäft in Neapel, Italien, 1954 Foto: Erich Andres/United Archives/imago

Der Prozess vom Allesschlucker zum Feinschmecker vollzieht sich üblicherweise schleichend. Erst greift man zum 5-Euro-Plus-Wein, weil einem die 1,99-Euro-Flasche einen Horrorsonntag zu viel beschert hat. Dann folgt das Erweckungserlebnis mit einer Tomate, die nach mehr als nur nach saurem Wasser schmeckt. Plastikverpacktes Brot kommt irgendwann auch nicht mehr in die Tüte, und wer jetzt nicht aufpasst, hat mir nix, dir nix Dinge wie Dry-Aged-Steak und Jacobsmuscheln in den Speiseplan aufgenommen und sich finanziell ruiniert.

Oder man hält es etwas simpler und konzentriert sich auf: Pasta. Und zwar nicht auf die frische aus dem Kühlregal oder gar aus der eigenen Nudelmaschine, sondern auf getrocknete. Von der man ja spätestens seit Corona weiß, dass sie der Deutschen liebstes Hamsterprodukt ist, gleichauf mit dem Klopapier.

Doch bis vor Kurzem ahnte ich nicht, welches Nerdtum sich dahinter verbirgt. Denn ebenso wie bei Wein oder Kaffee gibt es auch bei Trockenpasta – immer aus Weißmehl, Vollkornpasta ist keine echte Trockenpasta!!! – Expert:innen, die darüber fachsimpeln, welche Marke das Nonplusultra ist und welche gar nicht geht. Da gibt es zum Beispiel Vincenzo, ein in Australien lebender Italiener, der auf seinem Youtube-Kanal mehr als 1,2 Millionen Fol­lo­wer:­in­nen hat und in dem mehr als zwölfminütigen Video „How to BUY PASTA like an Italian (It will Change your Pasta Game Forever)“ erklärt, worauf man beim Pastakauf achten sollte, und einem auch gleich noch jede Menge obskure Marken mit auf den Weg gibt.

Vincenzo ist Pastaexperte – und er ist ein guter Geschichtenerzähler. Bei ihm lerne ich: Jede Trockenpasta besteht aus Semolina. Das ist ein fein gemahlener Hartweizengrieß, aus Wasser und nichts anderem, das gilt bei billiger genauso wie bei teurer. Den entscheidenden Unterschied macht erstens die Weizenqualität, zweitens die Nudelmaschine und drittens die Trocknungszeit.

Der Experte empfiehlt Teig aus Bronzeformen

So ist es laut Vincenzo bei Billigpasta oft so, dass sie nur sehr kurz und bei sehr hohen Temperaturen getrocknet wird. Was nicht nur dazu führt, dass viele ihrer Nährstoffe zerstört werden, sondern auch, dass sie statt dieses hübschen Weizengelbs so ein trauriges Orange kriegt. Sein Fazit: Je länger und schonender die Pasta getrocknet wird, desto besser ist sie.

Ferner sollte man darauf achten, durch welche Form der Pastateig gepresst worden ist, erklärt der französische Youtuber Alex, der sich stellvertretend für seine 2 Millionen Fol­lo­wer:­in­nen ebenfalls mit Trockenpasta auseinandersetzt. Ist es eine Form aus Teflon, die häufig in der Massenproduktion eingesetzt wird, ist das Äußere der Pasta sehr glatt, sodass nichts richtig an ihr haften bleibt. Deshalb empfiehlt er Pasta aus Bronzeformen, da die sich dank ihres aufgerauten Äußeren besser mit der Sauce verbindet.

Aber diese ganzen Pastanerds, die fast alle Männer sind, können ja viel erzählen. Stimmen muss es noch lange nicht. Also beschließen mein Freund und ich, Pastanerds im Herzen, unseren eigenen Pastatest zu machen. Auf unseren Tellern: 1. Billigspaghetti der Marke La Campagna (500 g für 79 Cent bei Netto), 2. Markenspaghetti, in unserem Fall No. 5 von Barilla (2,49 Euro bei Edeka) und 3. Edelspaghetti, genauer: die von beiden Youtubern gehypten Spaghetti von Mancini (4,90 Euro bei Viani). Letztere stammt aus der italienischen Region Marken und hat mit vom Pastaunternehmen selbst angebautem Hartweizen, einer mehr als 40-stündigen Trocknungszeit und Bronzepressung alles, was eine gute Pasta laut Vincenzo und Alex haben muss.

Während in meiner Küche in drei Töpfen auf drei Herdplatten das Wasser langsam zu kochen beginnt, schauen wir uns die drei Sorten genauer an: Die teuren Spaghetti kommen in einer stilvollen, blutorange-weißen Papierverpackung – wie zu erwarten sind sie schön blass und rau. Am dunkelsten sind zu unserem Erstaunen die Barilla-Spaghetti und nicht die von La Campagna. Was ihre Oberflächentextur betrifft, nehmen sich die beiden Sorten nicht viel: Sie sind aalglatt.

Die Kochzeit ist je nach Marke unterschiedlich; wir mögen es beide al dente und reizen sie jeweils nicht aus. Erst probieren wir die Spaghetti pur, direkt aus dem Topf. Nur das minimal Nussige, das ja jeder Nudel innewohnt, kommt durch – am stärksten bei den Mancini-Spaghetti; vielleicht weil sie einen deutlich größeren Durchmesser haben, also mehr Masse, und einen Teig, der durch seine lockere Körnigkeit mehr Platz für die Aromen lässt. Daneben schmeckt La Campagna nach nix, hat aber immerhin eine überraschend gummiartige Konsistenz, die meinen Freund und mich sofort in unsere Kindheit zurückkatapultiert.

Die Haus-und-Hof-Barilla hat ein schwaches Bindegewebe

Und dann kommt die Barilla dran, lange meine Haus-und-Hof-Spaghetti. „Igitt, die hat aber einen ekligen Nachgeschmack. Irgendwie künstlich!“, sagt mein Freund, ohne dass er dieses Künstliche genauer beschreiben könnte. „Schmecke ich nicht“, sage ich. „Aber ich finde sie irgendwie schleimig und glitschig.“ Doch kein Mensch isst Pasta ohne Sauce und deshalb bereiten wir jetzt eine zu.

Weil wir es möglichst neutral halten wollen, machen wir unsere Version von Spaghetti aglio e olio. Also Pinienkerne in der Pfanne anrösten und beiseitestellen, dann (gutes!!!) Olivenöl in die Pfanne und richtig viel Knoblauch darin anbrutzeln lassen. Darin schwenken wir die drei Spaghettisorten und garnieren sie mit reifem Parmesan, einer Spur Piment d’Espelette (französisches Chilipulver, das süchtig macht) und frisch gezupften Basilikumblättern.

Wir fangen mit der günstigsten Pasta an. Die finden wir in Kombination mit dem würzigen Öl und dem Käse wirklich gut. Doch auf den zweiten Bissen stört mich, dass sie ihrer Konsistenz treu bleibt: quietschig, plastikhaft. Im Gegensatz zu meinem Freund, der gleich noch eine Gabel nimmt.

Die Barilla verhält sich auch mit aglio e olio, als hätte sie ein schwaches Bindegewebe – irgendwie schlappi. Doch sie vereinigt sich etwas besser mit dem Öl als die günstige. „Vom Mundgefühl finde ich die jetzt viel angenehmer“, sage ich. „Irgendwie harmonischer.“ Mein Freund schüttelt den Kopf. Er bleibt von La Campagna überzeugt, die ich wiederum eher in einer Pfanne angebraten und mit Ei überbacken sehe.

Dann machen wir uns über die Luxus-Spaghetti her. „Hier schmecke ich halt einfach auch die Pasta“, schwärmt mein Freund. Sie hat nämlich Biss und ist nicht nur Trägerin für irgendeine Sauce, sondern ein vollwertiges Mitglied des Gerichts. Ich schiebe mir ebenfalls eine Gabel mit einer Riesenschnecke Mancini in den Mund.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

„Einfach nur köstlich!“

„Jetzt sind wir für immer versaut.“

„Krass.“

„Und von welcher willst du Nachschlag?“

Mein Freund und ich essen die teuren Spaghetti bis auf die letzte Nudel auf und sind uns einig, dass wir sie bald wieder zubereiten werden. Nicht täglich, wir sind ja keine Pastasnobs, sondern zu besonderen Gelegenheiten, wie ein teures Steak oder einen guten Wein. Und für den Alltag wird es dann etwas im niedrigen bis mittleren Preissegment. Allerdings nicht mehr von Barilla.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.