Berliner SPD-Parteitag: Für Giffey nur ein Zwischenschritt
Die Bundesfamilienministerin will den Vorsitz der Berliner SPD. Die Wahl am Freitag soll die nächste Etappe zur Spitzenkandidatur werden.
Die Wahl ist Teil des landesweit ersten hybriden Parteitags mit Reden via Internet und Stimmabgabe in realen Wahlbüros. Für Giffey, die den Regierenden Bürgermeister Michael Müller ablösen würde, ist der Landesvorsitz ein Zwischenschritt zur Spitzenkandidatur bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021.
Bereits im Januar hatten Giffey, Saleh und Müller in einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre Wechselpläne öffentlich gemacht. Die erstmalige Wahl einer Doppelspitze war bereits für Mai geplant, wurde aber coronabedingt zweimal verschoben.
Zwischenzeitlich war Kritik an Giffey und Saleh aufgekommen, weil dies als designierte Vorsitzende im Oktober in einem Zeitungsinterview ein Programm skizzierten, das vielen Jusos und älteren Parteilinken missfiel.
Zu nah an der CDU, sagen die Parteilinken
Für sie war der von Giffey und Saleh angestrebte Fokus auf die „Grundbedürfnisse von ganz normalen Berlinern“ zu nah an CDU-Politik. Zudem sollte gelten: „Wahlprogramme werden immer noch von den Mitgliedern geschrieben und verabschiedet – nur falls das in Vergessenheit geraten sein sollte“, so die Juso-Spitze.
Als dann noch die Freie Universität Berlin ankündigte, die mit Schummelvorwürfen behaftete Doktorarbeit Giffeys erneut zu prüfen, schien eine gewisse Panik die Berliner Sozialdemokraten zu überkommen, ob Giffey bei einer Aberkennung des Titels zu halten sei.
Von einem „Plan B“ war zu hören, demzufolge Parteivizechef und Innensenator Andreas Geisel als Spitzenkandidat einspringen könnte. Nochregierungschef Müller, der in dieser Woche für die Bundesländer die neuen Coronaregeln vorbereitete, steht nicht zur Verfügung: Er will in den Bundestag und hat schon Ambitionen auf einen Kabinettsposten geäußert.
„Alles Quatsch“, ist dieser Tage von einem führenden Parteimitglied zu hören, so einen Plan B mit Geisel habe es nie gegeben. Auch andere versichern, dass laute Kritik oder gar breite Ablehnung am Führungsduo in spe bei dem Parteitag ausbleiben werde – umso mehr, weil man sich digital daheim vor dem Computer nur schwer in Rage reden kann. Möglichen Restärger in Form eines schwachen Wahlergebnisses wird absehbar Giffeys Co-Kandidat Saleh aushalten müssen.
Was folgt aus der Plagiatsaffäre?
Der Wahl am späten Freitagabend soll schnell Giffeys Kür zur Spitzenkandidatin für die Wahl in Berlin parallel zur Bundestagswahl Ende September 2021 folgen. „Sie wird noch in diesem Jahr Spitzenkandidatin“, versicherte Parteivizechefin Iris Spranger der taz. Vor dem Lockdown war dieser Schritt für den 19. Dezember geplant.
Anders als die Vorsitzwahl könnte diese Kür rein digital erfolgen – die Spitzenkandidatur ist kein Amt im Sinne des Parteiengesetzes, das Onlinewahlen bislang nicht erlaubt. Zur ausstehenden Entscheidung über Giffeys Doktorarbeit heißt es weitgehend, sie führe den Titel nicht mehr – damit sei die Sache abgeschlossen, egal ob die Freie Universität eine Aberkennung beschließe oder nicht.
In der SPD-Bundestagsfraktion hält man sich mit Kommentaren zur Familienministerin zurück: Das sei Sache des Landesverbands, heißt es. Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, sagte der taz allerdings, er sei froh, dass Giffey antrete. Seine Einschätzung zu der nach wie vor drohenden Aberkennung des Doktortitels: „Das ist nicht nebensächlich, aber es ist auch nicht der entscheidende Punkt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr