Giffey verzichtet auf ihren Doktortitel: Im Widerspruch zur SPD-Erzählung
In der Debatte um Franziska Giffey geht es um die Glaubwürdigkeit der Berliner SPD. Sie sollte sich die Zeit nehmen und ehrlich darüber diskutieren.
N atürlich braucht Franziska Giffey keinen Doktortitel, um eine gute Politikerin, eine gute SPD-Landeschefin und eine gute Spitzenkandidatin zu sein. Dummerweise hat sie aber einen bekommen und getragen – und so einfach wie einen Mantel lässt sich das Dr. nicht ablegen, auch wenn die Bundesfamilienministerin das gerne hätte. Am Freitag hatte Giffey angekündigt, auf den Titel von sich aus zu verzichten. Seitdem läuft die Debatte, was daraus folgen sollte.
Giffey hatte für den Fall, dass ihr der Doktor aberkannt werde, den Rücktritt als Ministerin in Aussicht gestellt. Diese Aberkennung ist wahrscheinlicher geworden, seit die Freie Universität vor zehn Tagen angekündigt hat, die zuvor ausgesprochene „Rüge“ für Giffey zurückzuziehen und die Arbeit erneut zu prüfen.
Berlins SPD trifft diese Debatte zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Eigentlich sollte Giffey vor zwei Wochen zur Co-Landeschefin gewählt werden. Doch der Parteitag wurde wegen Corona abgesagt. Zudem soll die einstige Neuköllner Bürgermeisterin ihre Partei als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf 2021 führen und dafür sorgen, dass das Rote Rathaus weiter rot regiert wird. Viele Berliner Genoss*innen waren deswegen schnell dabei, Giffey für ihren Schritt zu loben. Tatsächlich hatte sie gar keine andere Möglichkeit mehr.
Mit den Menschen auf Augenhöhe
Giffey vermag es wie wenige andere Politiker*innen, den Menschen vermeintlich auf Augenhöhe zu begegnen. Sie passt perfekt in die Erzählung der SPD, sich um die „normalen, ehrlichen Leute“ zu kümmern, die auch in Berlin nicht aufs Auto verzichten wollen und einen Latte macchiato für vier Euro für Geldverschwendung halten. Dieses Bild wackelt mit einer Kandidatin, die bei ihrer Doktorarbeit getrickst, sich Vorteile davon erhofft und einen Titel wohl zu Unrecht getragen hat. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Berliner SPD.
Noch ist Giffey nicht Landeschefin und nicht Spitzenkandidatin. Die Abgeordnetenhauswahl ist erst in zehn Monaten. Die SPD könnte und sollte sich die Zeit nehmen, die Personalie Giffey offen und ehrlich zu diskutieren, anstatt nur reflexhafte Solidaritätsbekundungen auszusprechen.
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