Bericht Corona-Sachverständigenausschuss: Die große Ungewissheit
Helfen Masken? Was bringen Schulschließungen? Solche Fragen kann der Corona-Sachverständigenbericht mangels Daten nicht beantworten.
G roße Erwartungen können nur enttäuscht werden, aber selten war die Enttäuschung so vorprogrammiert, wie im Fall des Sachverständigenausschusses, der die Coronamaßnahmen bewerten sollte. 160 Seiten ist der Bericht stark, und er tut erwartbar nicht, was er tun sollte: Gewissheit schaffen. Sind Lockdowns wirksam? Schwer zu sagen. Helfen Masken? Ja, schon, unter Bedingungen. Wird es noch einmal Schulschließungen geben? Steht in den Sternen. Ob sie in einer Pandemie überhaupt den gewünschten Nutzen bringen, ebenfalls. Es fehlen die Daten.
Das große Datenloch zu Infektionsketten, zu Effekten von Kontaktbeschränkungen oder Homeschooling ist zurecht ein zentraler Kritikpunkt des Ausschusses am Umgang mit der Pandemie – auch wenn die Frage, wer daran schuld ist, mit einem Fingerzeig auf „die Politik“ und das Robert-Koch-Institut sicher nicht beantwortet ist. Genauso steht es um die Kommunikation: Zu gering war laut Bericht das Bestreben, Migranten, Geringverdienende und Menschen aus bildungsfernen Schichten für die Maßnahmen zu gewinnen, einen Draht zu den BürgerInnen zu suchen, die mit ihren Existenzen, Familien, Seelen aushalten mussten – und müssen –, was der Kampf gegen das Virus ihnen aufbürdet.
Bei aller berechtigten Kritik aber bleibt von zentraler Bedeutung, was der Bericht weglässt, nur streift oder an künftige Kommissionen delegiert. An erster Stelle sind das die Impfungen. Über künftige Maßnahmen in größerem Umfang müssen sich die Länder schließlich nur deshalb Gedanken machen, weil zu wenige Menschen in Deutschland dreifach immunisiert sind. Das geht keineswegs auf das Konto einer kleinen Gruppe von ImpfverweigerInnen, sondern auf das der Regierung: Eine echte Impfkampagne, wie sie oft angekündigt wurde, hat es nie gegeben. So wenig wie eine Impfpflicht.
Wenn es zudem um die Schulen geht, ist die wichtigste Frage kaum, ob sie wieder geschlossen werden müssen. Eher muss man fragen, was sich in den Schulen eigentlich getan hat. Gibt es jetzt überall Luftfilteranlagen? Erhalten Kinder gezielte Unterstützung, wenn der Unterricht ausfällt? Haben alle einen Rechner und Internet – was nicht erst so sein sollte, wenn ein Virus den Betrieb lahmlegt?
Und schließlich gibt es die Zukunft und die Tatsache, dass sich das Virus verändert. Möglich, dass im Herbst eine Variante kommt, die wieder anders ist als Delta oder Omikron. Krankmachender, noch leichter übertragbar. Ein Bericht über Datenlücken wird in so einem dritten Coronawinter wenig helfen. Helfen werden nur Impfungen – oder doch wieder: die verhassten Maßnahmen.
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