Bayerns Nebenaußenpolitik: Audienz am Zarenhof
Wird das jetzt zur Gewohnheit? Bayerns Regierungschef Seehofer besucht schon wieder Russlands Präsident Putin – diesmal mit großem Gefolge.
Am Mittwoch setzt sich Bayerns Regierungschef abermals ins Flugzeug, um dem russischen „Amtskollegen“ Wladimir Putin seine Aufwartung zu machen. Allein der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, haut auf den Tisch: „Es ist bedauerlich“, zitiert ihn die Bild am Sonntag, dass Herr Seehofer seine internationalen Minderwertigkeitskomplexe auf Kosten der deutschen Außenpolitik auslebt.“
Die Schau auf dem internationalen Parkett haben dem Bayern ohnehin gerade andere gestohlen. Nur wenige Tage ist es her, dass sich der neue Bundesaußenminister Sigmar Gabriel bei seinem Moskaubesuch mit Putin feixend vor den Kameras postierte. Und auch Angela Merkel kann Seehofer diese Woche nicht die gewünschte Aufmerksamkeit schenken. Die Kanzlerin fliegt zu Donald Trump nach Washington, einem anderen schwierigen Mann.
Was der Reise diesmal an Symbolik fehlt – im vergangenen Jahr war sie noch vor allem als Affront gegen Merkel gedeutet worden –, könnte ihr diesmal an echter Bedeutung zukommen. Anders als vor einem Jahr soll Seehofer diesmal eine rund hundertköpfige Delegation aus Wirtschaft, Wissenschaft und Landwirtschaft im Schlepptau haben. Beste Gelegenheit also, Kontakte auch unterhalb der höchsten Polit-Ebene zu knüpfen und zu pflegen.
Kein großer Reisefan
Schließlich sind Russland und Bayern gute Handelspartner. In Russland sind über 5.500 Unternehmen mit deutscher Beteiligung tätig, mehr als ein Viertel von ihnen kommen aus Bayern. Das Handelsvolumen von Bayern und Russland lag im vergangenen Jahr bei 7,62 Milliarden Euro, wenngleich es vier Jahre zuvor – also vor den Sanktionen – noch bei 13,1 Milliarden Euro gelegen hatte. Für Seehofer ein wichtiger Grund, für ein Ende der Sanktionen zu plädieren.
Seehofer wird nachgesagt, er sei kein großer Fan von Auslandsreisen, er fühle sich nur auf der innenpolitischen Bühne wirklich wohl. Reist er dann doch mal und landet dabei auch noch in autoritären Staaten, klammert er gern die heiklen Gesprächsthemen aus und macht nicht immer eine glückliche Figur.
Dabei hätte eine bayerische Nebenaußenpolitik durchaus Tradition. CSU-Übervater Franz Josef Strauß sah es nie ein, die deutsche Außenpolitik Kanzler und Außenminister zu überlassen, und reiste zu Staatschefs rund um den Globus – von Mao bis Pinochet. Selbst den Pilotensessel überließ er dabei nur ungern dem eigentlich Zuständigen. Theo Waigel und Edmund Stoiber erzählen noch heute gern von einer gemeinsamen Reise zu Gorbatschow, bei der Strauß in einem waghalsigen Manöver auf einer vereisten Piste des gesperrten Moskauer Flughafens landete.
Know-how von Guttenberg
Sich mit zwielichtigen Staatschefs zu treffen, das allein macht natürlich noch keinen Strauß. So hält Seehofer verstärkt nach internationaler Expertise Ausschau. Erst am Wochenende traf er sich mit dem einstigen CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg. Der soll seine Partei nun zumindest im Wahlkampf unterstützen und dabei sein außenpolitisches Know-how einbringen.
Der Ministerpräsident kann Beratung gewiss gebrauchen. Schließlich soll schon bald eine weitere Fernreise anstehen – zu Donald Trump.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin