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Forderungen des BauernverbandsGegen Umweltregeln, für mehr Pestizide

Die Agrarlobby kritisiert beim „Bauerntag“ zentrale Naturschutzvorhaben. Sie fordert mehr Subventionen, Pestizide und eine Ausnahme vom Mindestlohn.

Der Präsident des Bauernverbands Joachim Rukwied wandte sich gegen mehrere Vorhaben, die zentrale Probleme lösen sollen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin taz | Der Deutsche Bauernverband ist gegen die wichtigsten Gesetzesprojekte zum Naturschutz, aber für mehr Pestizide und Agrarsubventionen. Das hat die Grundsatzrede von Verbandspräsident Joachim Rukwied am Mittwoch beim Bauerntag, der Mitgliederversammlung der Organisation, gezeigt.

Rukwied wandte sich gegen mehrere Vorhaben, die zentrale Probleme der Landwirtschaft lösen sollen: Laut Umweltbundesamt verursachte die Landwirtschaft 2023 inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen 14 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Viele Tiere werden unter Bedingungen gehalten, die ethisch bedenklich sind. Mit Pestiziden und zu viel Dünger trägt die Branche dazu bei, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben.

Doch der Bauernverbandschef lehnte die von der EU geplante Richtlinie zur Überwachung der Bodengesundheit ebenso ab wie die bereits beschlossene Verordnung zur Wiederherstellung der Natur, die geschädigte Ökosysteme wieder in einen guten ökologischen Zustand versetzen soll. Er will auch nichts davon wissen, dass Umweltorganisationen ein Gesetz fordern, das Flächen für die Natur sichern würde. Durch alle möglichen Regelungen – auch zur Umwelt – müsse man „mit dem Rasenmäher durch“.

Wofür ist der Bauernverband dann? Dafür, dass Wölfe bejagt werden sollen. Die Landwirte müssten „bedarfsgerecht“, also offenbar mehr als viele Wissenschaftler und Umweltschützer für vertretbar und nötig halten, düngen dürfen. Die Schweinehalter müssten 1,5 Milliarden Euro Investitionszuschüsse pro Jahr zusätzlich bekommen. Deutschland müsse zum Beispiel im Salatanbau für Pestizide, die die EU wegen ihrer Gefährlichkeit nicht erlaubt, „Notfallzulassungen“ ausstellen. Sonst müssten solche Sonderkulturen eingestellt werden – obwohl ja Biobauer täglich unter Beweis stellen, dass sich auch ohne chemisch-synthetische Pestizide etwa Salate erzeugen lassen. „Wir brauchen grundsätzlich ein neues Zulassungsverfahren“, sagte Rukwied. Er will, dass die EU künftig allein entscheidet und kritische nationale Behörden wie das Umweltbundesamt übergangen werden.

Landwirtschaft soll weniger Lohn zahlen müssen

Dass der Bauernverband ein Unternehmerverband ist, wurde deutlich, als Rukwied Ausnahmen vom Mindestlohn für Saisonarbeiter forderte. Jetzt behauptete er, dass das unabhängig vom Lebensmittelpunkt der Arbeiter gelten solle. Ein paar Tage vorher hatte er aber gesagt, niedrigere Löhne für die überwiegend aus dem Ausland kommenden Saisonarbeiter seien „aufgrund der geringeren Lebenshaltungskosten in den Herkunftsländern gerechtfertigt“. „Unser Vorschlag sieht vor, für Saisonarbeitskräfte, die ihren Lebensmittelpunkt in anderen europäischen Ländern haben, 80 % vom gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen“, zitierte ihn das Branchenblatt top agrar. In jedem Fall würden vor allem Ausländer unter der Ausnahme leiden.

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4 Kommentare

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  • Bei Rukwied und Co. fällt mir immer der Spruch "Gier frisst Hirn" ein. Wer derart schamlos die ohnehin schon viel zu laschen Regeln für die Landwirtschaft weiter aufweichen möchte und damit vielen, nicht nur den Landwirten die zukünftige Lebensgrundlage raubt, wer die Forderung nach Schlechterstellung von "ausländischen" Saisonarbeitskräften unter den heute gültigen Mindeslohn fordert, selber aber nicht bereit ist, auf auch nur einen Cent an Subventionen zu verzichten, der erntet wahrscheinlich weit und breit die dicksten Kartoffeln.



    Offenbar sieht der oder die eine oder andere gerade die Gelegenheit, das Rad um mehrere Umdrehungen zurück zu drehen. Die Gefahr, dass das auch gelingt, ist bei der gegenwärtigen Regierung leider eher groß.

  • Tja, da fällt uns Ökologen und Naturschützern auch nichts mehr zu ein. Wir sind vermutlich nicht unschuldig - zu lange wollten wir niemanden nerven und immer konziliant und kompromissbereit sein. Die andere Seite hat dafür so ziemlich alles an Kriegsgerät (z.B. mit subventionierten Diesel fahrende Trecker) aufgeboten, was geht und verbal derartig hochgerüstet, dass leisere, aber differenziert vorgetragene Töne einfach nicht mehr gehört wurden. Jetzt stehen wir am Spielfeldrand und schauen zu, wie alles, was in vielen Jahren erreicht wurde zu Brei gekloppt wird.

  • Der Deutsche Bauernverband gibt sich gern als Bewahrer ländlicher Idylle, dabei trägt er maßgeblich dazu bei, dass diese Idylle ausstirbt. Wortwörtlich. Überdüngte Böden, Pestizide...Das Artensterben läuft auf Hochtouren, doch der Verband nennt jeden Versuch zur Rettung „realitätsfern“. In den Ställen sieht’s kaum besser aus: Schweine auf engem Beton, Hühner im Dauerlicht, Kälber ohne Mutter, Hauptsache effizient. Tierwohl endet meist dort, wo das Fördergeld aufhört. Trotzdem heißt es ungerührt: „Unsere Bauern lieben ihre Tiere.“ Klar, und als Gutenachtdrink eine Spritze Antibiotikum dazu. Während Studien Alarm schlagen, blockiert der Verband konsequent gegen strengere Haltungsauflagen, gegen Pestizidverbote, gegen Reformen bei Subventionen. So viel Widerstand gegen das Offensichtliche schafft nicht mal eine Schurkenliga aus irgendeinem Blockbuster. Und die hat immerhin nie behauptet, sie sei auf der Seite der Natur.

  • Diesen Bauernverband sollte man mal in Gülle baden und anschließend mit Pestiziden besprühen. Mal sehen, ob es ihnen dann immer noch gefällt!