BSW und „Freie Sachsen“: Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Im sächsischen Görlitz hat ein BSW-Abgeordneter mit den „Freien Sachsen“ für „Frieden“ protestiert. Die Wagenknecht-Partei blinkt weiter nach rechts.
Videos vom Marienplatz in Görlitz zeigen mehrere Dutzend Demonstrierende, die letzten Samstag als Querfront der Putinfreunde Friedensbewegung simulieren. Sie zeigten dabei Slogans wie „Diplomaten statt Granaten“ – aber auch AfD-Herzen, Russland- und Compact-Fahnen, Friedenstauben, schwenkten Fahnen der „Freien Sachsen“ oder schlicht eine mit dem Slogan „Widerstand“ in Altdeutschen Lettern. Laut Polizei nahmen 250 Personen teil, während des Aufzugs wurde ein Gegendemonstrant beleidigt.
Während der eher kurzen Rede des BSW-Abgeordneten Hentschel-Thöricht ging er nicht auf den Aggressor im Ukrainekrieg ein, wünschte sich aber vom Publikum, dass es bei der Bundestagswahl keine „Kriegshasardeure“ wählen solle: „Da ist Merz genauso gemeint wie Scholz: alles eine Sippe“, so Hentschel-Thöricht.
Seine Rede passte zu anderen Redebeiträgen und dem auch bei den „Freien Sachsen“ üblichen Geraune vom „ausländischen Hegemon“. Hetze gegen „Brandmauern“, „linksgrüne Regenbogenagenda“ und Geflüchtete durften auch nicht fehlen.
Der Elefant im Raum blieb dabei unerwähnt: Dass eine diplomatische Lösung vor allem an den Vorbedingungen von Putin scheitert, wie etwa kurz zuvor die Gesprächsinitiative von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gezeigt hat, der Ende vergangener Woche mit einem einstündigen Telefongespräch an Putin abperlte. Russland reagierte mit heftigen Raketenangriffen auf die ukrainische Stromversorgung und griff damit erneut die dortige Zivilbevölkerung an.
„Freie Sachsen“ bedanken sich
Die „Freien Sachsen“ schlachteten die Teilnahme des BSW-Abgeordneten genüsslich aus und warben damit großflächig auf ihrem Telegram-Kanal mit 130.000 Followern.
Das BSW hatte kürzlich im Bundestag bereits als einzige andere Gruppe oder Fraktion für eine von der AfD vorgeschlagene Tagesordnung gestimmt. In Sachsen ließ das BSW gerade die Koalitionsgespräche mit CDU und SPD platzen. Der sächsische BSW-Abgeordnete Hentschel-Thöricht selbst hatte im Vorfeld der Demo noch relativiert und der Sächsischen Zeitung gesagt: „Extremisten gibt es in etlichen Zusammenschlüssen, dennoch sollten keine Pauschalurteile gefällt werden.“ Schließlich schaue sich das BSW ja auch in den Parlamenten „Anträge in der Sache an und nicht am Einreicher“. Hentschel-Thöricht war früher Fraktionschef der Linken im Zittauer Stadtrat und beim Ordnungsamt in der Kleinstadt Seifhennersdorf tätig.
Der BSW-Bundesverband ging auf taz-Anfrage am Montag auf Abstand. Ein Sprecher sagte: „Wir haben heute von der Angelegenheit erfahren – und bedauern diese sehr. Selbstverständlich verbindet uns rein gar nichts mit den Freien Sachsen.“ Auch die Vorsitzende des sächsischen Landesverbands Sabine Zimmermann distanzierte sich gegenüber der taz: „Selbstverständlich sind die Freien Sachsen keine Partner für uns, eine Zusammenarbeit mit uns gibt es nicht. Wir waren leider über die Veranstaltung nicht informiert und bedauern das.“
Bemerkenswerterweise klang auch der sächsische BSW-Abgeordnete Hentschel-Thöricht am Montag plötzlich recht kleinlaut: „Ich wusste nicht, dass auf der Kundgebung ein Redner spricht, der den Freien Sachsen nahe steht. Hätte ich das gewusst, wäre eine Teilnahme für mich undenkbar gewesen. Es tut mir leid, dass ich hier nicht genauer nachgefragt habe.“ Blöd nur, dass bereits vor der Kundgebung der Hintergrund des Demo-Bündnisses kein Geheimnis war – zumal das Bündnis und seine extrem rechten Netzwerke in der Region schon lange bekannt sind.
Protest gegen Rüstungskonzern
Versammelt hatten sich der BSW-Abgeordnete und das Bündnis für Oberlausitz unter dem Titel „Oberlausitz für Frieden und Abrüstung“ vor allem gegen die Verlegung der Rüstungsproduktion des Konzerns KNDS in das dortige, von Schließung bedrohte Werk des Alstom-Konzerns. Möglich ist etwa, dass sich dort die Waffenfirma ansiedelt, um Radschützenpanzer Boxer zu bauen.
Nun ist es per se alles andere als verwerflich gegen Rüstungskonzerne zu demonstrieren. Absurd wird es jedoch, wenn man sich anschaut, mit wem der BSW-Abgeordnete bei der Kundgebung auf der Bühne stand und für „Abrüstung“ protestierte. So sprach auch Marcus Fuchs aus Arnsdorf, Kopf der Querdenken-Demos in Dresden, auf der Veranstaltung. Der wurde im Mai für die Verbreitung russischer Propaganda sogar zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen á 30 Euro verurteilt, weil er laut Gericht den öffentlichen Frieden durch Billigung eines Angriffskrieges gestört habe. Fuchs hatte im Oktober 2022 Russlands Krieg als „Verteidigungs-Spezialoperation“ verharmlost, die angeblich laut UN-Charta „explizit erlaubt“ sei.
Die damalige Demo war wiederum direkt von den Freien Sachsen angemeldet. Die Rechtsextremen lehnen die Demokratie offen ab und wollen das sächsische Königshaus zurück. Nach dem Überfall auf die Ukraine demonstrierten sie mit Putin-Masken und russischen Fahnen. Auch die Corona-Proteste heizten sie an, was nicht zuletzt dazu führte, dass Protestierende mit Fackeln vor Privathäuser von Politiker*innen zogen. Ebenso gab es in der Szene Ermittlungen wegen Mordplänen gegen den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU).
Antrag mit AfD geht trotzdem
Das Bündnis Oberlausitz ist bei den letzten Kommunalwahlen zusammen mit den Freien Sachsen angetreten. Die Organisatoren veranstalten seit 2021 bereits als „Mahnwache Bautzen“ verschwörungsideologische Demos, bei denen auch etwa Martin Kohlman, der Vorsitzende der Freien Sachsen, aber auch AfD-Politiker sprachen. Kohlmann hatte schon 2018 bei den extrem rechten Unruhen in Chemnitz zu Selbstjustiz aufgerufen.
Die Grünen im sächsischen Landtag kritisierten das Auftreten des BSW-Abgeordneten: „Der Vorgang zeigt, dass das BSW relativ skrupellos ist und ganz grundsätzlich Abgrenzungen nicht verstanden hat oder nicht verstehen will“, sagte Parlamentarische Geschäftsführer Valentin Lippmann der Bild.
An der Querfront nach Rechtsaußen wird unterdessen in Sachsen weitergestrickt: In der Zwischenzeit hat BSW-Chefin Sabine Zimmermann angekündigt, einem Antrag der AfD gegen die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen zustimmen zu wollen. Die AfD gilt in Sachsen sogar laut Verfassungsschutz ebenfalls „gesichert rechtsextrem“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance