Ausreiseforderung aus Deutschland: Vater des Hanau-Täters droht Opfer
Monatelang bedrängt der Vater des Hanau-Attentäters das Opfer Serpil Temiz Unvar. Nun fordert er sie auf, das Land zu verlassen und ihm Geld zu geben.
Der Sohn von Serpil Temiz Unvar, Ferhat, war bei dem rassistischen Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 erschossen worden – zusammen mit acht weiteren Menschen. Der Täter Tobias R. erschoss auch seine Mutter und schließlich sich selbst.
Sein Vater, bei dem er zuvor gelebt hatte, sorgt seit der Tat für Provokationen. Er schrieb Briefe an Behörden, in denen er die Tatwaffe zurückforderte oder die Wiederfreischaltung der Webseite seines Sohnes, auf der dieser sein Tatmanifest verbreitet hatte.
Die Hinterbliebenen nannte er „wilde Fremde“, Polizist:innen ein „Terrorkommando“. Zuletzt stellt er sich immer wieder mit seinem Schäferhund direkt vor das Küchenfenster von Serpil Temiz Unvar, die mit ihren drei Kindern nur wenige hundert Meter von ihm entfernt lebt.
Der Vater droht, keine Ruhe zu geben
Seit Mai schrieb Hans-Gerd R. die 47-Jährige nach taz-Informationen in Briefen direkt an, im Namen einer selbsternannten „Gedenkstätte R.“. Dort beklagt sich der Rentner über die Berichterstattung über sein Bedrängen von Temiz Unvar – und wirft der Mutter ein „Krakeelen“ und Verleumdungen vor, die ihm und der Bundesrepublik Deutschland „schweren Schaden zugefügt“ hätten. Das Verhalten von Temiz Unvar werde „vom Deutschen Volk nicht akzeptiert“, droht Hans-Gerd R.
Und weiter: „In aller Deutlichkeit, wenn Ihnen als Migrant das Land des Deutschen Volks zuwider ist, dann verlassen Sie es bitte, aber auch zügig, und gehen Sie bitte denkbar dorthin zurück, wo Sie hergekommen sind.“ Schließlich erklärt der Rentner, Temiz Unvar und „ihre Gruppierungen“ seien „eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit und für das Deutsche Volk“.
Zudem erhebt Hans Gerd R. gegen die Mutter Forderungen wegen vermeintlicher Verletzungen seiner Persönlichkeitsrechte – in Höhe von 2,7 Millionen Euro. Er werde „nicht ruhen lassen“, bis Temiz Unvar die „erhobenen Forderungen beglichen“ habe, droht er. Auch die ARD berichtete über die Briefe.
Weitere Verfahren gegen den Vater
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hanau bestätigte der taz, dass wegen der Briefe inzwischen gegen Hans-Gerd R. ermittelt werde. Die Stadt Hanau, die Temiz Unvar über die Briefe informiert hatte, hatte Strafanzeige wegen Volksverhetzung gestellt. „Es wurde ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Zudem liefen derzeit drei weitere Ermittlungsverfahren gegen Hans-Gerd R. wegen falscher Verdächtigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Zu den Vorwürfen von R. gegen Temiz Unvar werde nicht ermittelt, betont die Sprecherin.
Serpil Temiz Unvar sagte der taz, sie werde sich von den Einschüchterungen nicht unterkriegen lassen. Dem Vater wirft sie vor, das Gedankengut seines Sohnes geteilt zu haben und womöglich in die Anschlagsplanungen involviert gewesen zu sein. Temiz Unvar hatte nach der Tat die Bildungsinitiative „Ferhat Unvar“ gegründet, die Rassismus in Schulen und im Alltag bekämpfen will.
Hans-Gerd R. war bereits im Oktober 2021 zu einer Geldstrafe wegen Beleidigungen in ersten wüsten Schreiben an Behörden verurteilt worden. Wegen seines Auftauchens vor der Wohnung von Temiz Unvar erhielt er ein Annäherungsverbot. Dieses brach er wiederholt und erhielt dafür einen Strafbefehl von 4.200 Euro. Als er diesen nicht bezahlte, musste R. im März kurzzeitig eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Die Staatsanwaltschaft zog dann Vermögen von ihm ein und ließ ihn wieder frei.
Aber auch von den neuerlichen Ermittlungen scheint sich Hans-Gerd R. nicht beeindrucken zu lassen. Erst vor wenigen Tagen schickte er erneut einen Brief an Serpil Temiz Unvar. Auch dort beklagt er, er sei „kein Tätervater“, da sein Sohn beim Hanau-Attentat „nicht der Täter war“. Temiz Unvar wirft er erneut eine Verleumdung vor, mit einer neuen Schadensersatzforderung: 150.000 Euro.
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