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Auslieferung von Maja T.Staatsanwälte fürchteten Proteste

Mit dem Helikopter ausgeflogen: Generalstaatsanwaltschaft erklärt die schnelle Auslieferung von Maja T. nach Ungarn mit erwarteten „Störaktionen“.

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte es eilig Maja T. nach Ungarn auszuliefern Foto: Florian Schuh/dpa

Berlin taz | Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat Kritik an der hastigen Auslieferung der An­ti­fa­schis­t*in Maja T. an Ungarn zurückgewiesen. Die Behörde habe die Person „nicht trotz Kenntnis eines Eilantrags am Bundesverfassungsgericht ausliefern lassen“, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Simone Herbeth am Mittwoch im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Die Überstellung sei abgeschlossen gewesen, bevor der Antrag beim Bundesverfassungsgericht überhaupt eingegangen sei. Zudem habe die Behörde auch nichts von der Absicht von Maja T.s Anwalt gewusst, einen solchen Antrag zu stellen, so Herbeth weiter.

Die 23-jährige nonbinäre Person Maja T. war am Freitag aus einem Dresdner Gefängnis nach Ungarn gebracht worden. T. wird vorgeworfen, im Februar 2023 an Angriffen auf Neonazis in Budapest beteiligt gewesen zu sein. Das Bundesverfassungsgericht untersagte am Freitagvormittag zwar die Auslieferung, doch da war es bereits zu spät: Maja T. befand sich bereits in Ungarn.

Seitdem reißt die Kritik am Vorgehen der Behörden nicht ab. Besonders im Fokus: die Berliner Generalstaatsanwaltschaft. Sie war zuständig, weil Maja T. hier im Dezember 2023 festgenommen worden war. Rechts­po­li­ti­ke­r*in­nen von Linken und Grünen zeigten sich irritiert von der Eile, mit der die Auslieferung über Nacht vollzogen wurde. Schließlich sei zu erwarten gewesen, dass Maja T.s Anwalt dagegen vorgehen würde, so die Grünen-Abgeordnete Petra Vandrey.

Laut Oberstaatsanwältin Heberth hatte das ungewöhnliche Tempo der Auslieferung nichts damit zu tun. Dass es so schnell ging, begründete sie mit Erkenntnissen aus „einschlägigen Internetportalen“, laut denen „mit Störaktionen zur Verhinderung der Auslieferung zu rechnen war“. Deshalb habe sich die Polizei auch für einen Transport mit dem Helikopter entschieden – und der konnte ab 4 Uhr morgens starten. „Wenn wir jedes Mal abwarten würden, ob ein Eilantrag in Karlsruhe gestellt wird, wären wir handlungsunfähig“, erklärte Herbeth.

„Justizsenatorin in der Pflicht“

Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) äußerte sich im Ausschuss trotz Nachfragen nicht zum Thema. Sie erklärte, sie habe von dem Vorgang „nur wenige Minuten vor der Presseberichterstattung erfahren“ – also als Maja T. bereits außer Landes war.

Der Rechtsexperte der Linken-Fraktion Sebastian Schlüsselburg will sich damit nicht zufrieden geben. Er sprach am Mittwoch von einer „unerträglichen Situation“. „Das Bundesverfassungsgericht ist mit einem in seiner Deutlichkeit kaum zu überbietenden Tenor ins Leere gelaufen“, sagte Schlüsselburg der taz. Da reiche es nicht, sich damit herauszureden, erst im Nachhinein von der Ausweisung erfahren zu haben. Es sei bekannt, dass das Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen schnell entscheide. „Es muss sichergestellt werden, dass in Zukunft abgewartet wird. Da ist auch die Justizsenatorin in der Pflicht.“

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36 Kommentare

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  • Warum demonstriert man nicht in Ungarn? Nur dort könnte man etwas erreichen. Und hat man auch gegen ihre Taten demonstriert?

  • Wer holt Maja T. jetzt zurück, um den Bruch des Spruches des Verfassungsgerichtes wieder zu reparieren?

    • @Arne Babenhauserheide:

      Niemand muss Maja T. "jetzt zurück holen". Da das Gericht den Beschluss in Unkenntnis der Sachlage gefasst hat geht dieser ins Leere. Das passiert in Eilsacheverfahren. Die Staatsanwaltschaft hat richtigerweise um Klarstellung gebeten, dass sie nicht handeln muss.

      Maja T. kann das Hauptsacheverfahren im Wege einer sog. Forstsetzungsfeststellungsklage fortsetzen und ggf. die Rechtswiedrigkeit der Auslieferung feststellen lassen. Mit so eine Beschluss geht jedoch nicht die Verpflichtung zur Rückholung einher (wer sollte das auch machen?).

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Dieses EU-Auslieferungs"recht" gehört ersatzlos abgeschafft - eine Auslieferungmöglichkeit von eigenen Staatsbürger/innen in einen anderen EU-Staat untergräbt das Zugehörigkeitgefühl zum eigenen Staat!



    Heimatlos in der EU und den Machtspielchen der Internationale von Wirtschaft und Politik hoffnungslos ausgeliefert!

    • @94799 (Profil gelöscht):

      Wenn Ungarische Nazis hier Leute zusammenschlagen würden, würden sie das auch so sehen?

      • @Blechgesicht:

        Nach Deutschland kann auf Grundlage des EU-Auslieferungsabkommen nicht ausgeliefert werden, weil wir eine politische Staatsanwaltschaft haben.

        Bei Ungarn sind solche Zweifel ebenfalls gegeben, so das von vorneherein nicht hätte ausgeliefert werden dürfen, BVG hin oder her.

  • Ich hoffe, dass die Demonstrationen friedlich ablaufen.



    Ansonsten wäre das in Nachhinein ein Beweis dafür, dass es richtig war das so kurzfristig abzuwickeln. Es ist schon traurig, dass Behörden Gewalt befürchten müssen, wenn sie Recht umsetzen.

    • 6G
      608196 (Profil gelöscht)
      @Thomas2023:

      Mmhhh...Sie plädieren dafür, wenn Bürger'innen ihr Grundrecht auf Demonstration ausüben, wegen dem Aufwand den Das den Behörden verursacht, anderen Bürger'innen ihre Grundrechte zu verwehren?



      Echt jetzt?

  • Fassen wir also zusammen:



    Die Behörden wussten von dem Eilantrag und wollten auf das gerichtliche Ergebnis nicht warten.



    Der Rest ergibt sich daraus.

    Für eine beamtete Behördenleiterin empfinde ich das als eine moralisch untragbare Missachtung des Rechts und der Justiz.

    • @Sonntagssegler:

      Die Behauptung einer "untragbaren Missachtung des Rechts und der Justiz" durch die Behörden ist überzogen und basiert auf einer einseitigen Interpretation und das leider auch noch von einer Behördenleiterin. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft erklärte doch, dass die Auslieferung von Maja T. bereits abgeschlossen war, bevor der Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht einging, und dass sie nichts von der Absicht des Anwalts wussten, einen solchen Antrag zu stellen​. Zudem wurden Sicherheitsbedenken aufgrund möglicher Störaktionen als Grund für die schnelle Auslieferung angeführt, was die Handlungsweise der Behörden rechtfertigen kann.. Angesichts der schweren Vorwürfe gegen Maja T., einschließlich Körperverletzung und Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, ist ein schnelles Handeln aus Sicht des Staates im öffentlichen Interesse.

    • @Sonntagssegler:

      Ihre Zusammenfassung ist falsch. Der Eilantrag ging erst um 7:30 Uhr bei den Behörden ein. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller bereits an die österreichischen Behörden übergeben (6:50 Uhr).

  • 6G
    608196 (Profil gelöscht)

    Da Überstellungen anderer Auslieferungshäftlinge auf diese Art nicht stattfinden, sondern dieser Fall mit der angewandten Praxis alleine steht, sind Zweifel an der Darstellung der Staatsanwältin nachvollziehbar.



    Weiterhin ist zu erwarten, das Demonstrationen gegen eine Auslieferung, immerhin Grundrecht, nicht als Grund dazu herhalten können, eine-m andere-n Bürger-in seine Grundrechte zu beschneiden.



    Und wieder zeigt sich unsere Justiz gegen vermeintlich linke Aktivisten rücksichtslos bis zur Rechtsbeugung, während Rechte und ausgewiesen Verfassungsfeinde Schutz durch hoch-agressive Poilzeikräfte geniessen, bei dem dann wieder Gegendemonstranten gewaltmonopolosiert werden.



    Einzelfälle rechter Gesinnung in den Behörden des Landes sind eine Legende.



    Fakt sind gut organisierte Seilschaften, von Polizeien über Staatsanwaltschaften in die Finanzämter, ARGE und Gemeinden.



    Die Fakten sprechen hier m.E. für sich.



    Diese Angelegenheit ist nur eines von zahllosen Beispielen politischer Rechtslastigkeit.

  • „Es muss sichergestellt werden, dass in Zukunft abgewartet wird. Da ist auch die Justizsenatorin in der Pflicht.“

    Wie lange soll den aus Sicht des "Experten" abgewartet werden? Der Anwalt kannte die Entscheidung und handelte nicht. Wenn man den eine Überlegungs- und Handlungsfrist einrichten wollen würde, dann ist das die Aufgabe des Gesetzgebers.

    • @DiMa:

      Wie lange dauert es, einen Eilantrag rechtssicher zu formulieren?

      Kann von dem Anwalt Nachtarbeit erwartet werden?

      • @Arne Babenhauserheide:

        Ein Eilantrag ist in der tat sehr schnell formuliert, gerade bei Abschiebungen (dementsprechend auch bei Ausweisungen). Die Begründungsanforderungen sind wegen der Bedeutung des Rechtsgutes ausdrücklich gering. Mit einem entsprechenden Muster so ca. 15 Min (plus die Zeit für ein Fax). Alles in allem ist die Zeit wohl eher geringer als Presseanfragen zu beantworten.

  • Die Kritik darf auch nicht abreissen !!!!

    Was hier von Behördenseite in den letzten Jahren abgegangen ist darf nicht unter dem Teppich verschwinden.

    Ich erinnere nur an diverse illegale Hausdurchsuchungen, Körperverletzungen und leider auch an einige Todesfälle bei Polizeieinsätzen und in Polizeigewahrsam.

    Und bloß weil auch unser amtierender Kanzler in solche Fälle (Kotzfolter) verstrickt ist, ist das noch lange kein Freibrief.

    • @Bolzkopf:

      Es ändert aber nichts daran, dass Maja T. an massiven Gewaltakten beteiligt war und dafür bestraft werden muss. Nach Recherche wird sie nach Verurteilung wieder nach Deutschland überstellt. Sie darf ihre Zeit also in Deutschland absitzen.

      • 6G
        608196 (Profil gelöscht)
        @KalleWurst:

        Ich wäre dankbar wenn Sie mit mir einen Link zu dieser Recherche teilen könnten.



        Ich finde diesbzüglich keine belastbare Aussage aus Ungarn.

      • @KalleWurst:

        Darum geht es nicht.



        Es geht darum dass hier offenbar mit Absicht das Verfassungsgericht ignoriert wurde.

        Aber das ist keineswegs neu.



        Das Finanzministerium macht das schon seit Jahren und ignoriert Urteile dergestalt dass es sich weigert rechtswidrige Verfügungen gegenüber den Nachgeordneten Behörden (vulgo: Den Finanzämtern) zurückzunehmen.



        Mit der Folge, dass weiterhin Steuern bzw. Abgaben kassiert werden die höchstrichterlich als unzulässig erkannt wurden. Bei Klageandrohung gibts das Geld zurück. Sonst nicht. Und nur die Wenigsten klagen.

  • Ach ja, die vorgebrachten zu erwartenden Proteste gehen nach meiner Einschätzung ebenso ins Leere, da gerade bei einem Abtransport mit Schraubhuber Proteste wohl gerade wegen diesem Transportmittel keine Rolle spielen. Aber vielleicht war dies der einzige verfügbare deutsche Schraubhuber der flugfähig war und es deshalb so kurzfristig sein musste. Möglicherweise hat Olaf bereits den nächsten Termin belegt und die Strecke zur Grenze der zweiten Republik benötigt auch etwas Zeit.



    Mein Gefühl und meine Erfahrung sagt mir, dass diese übereilte Abschiebung bewusst vorgenommen wurde. Gab es in der Vergangenheit bereits ähnliche Aktionen dieser Oberstaatsanwältin? Dieser Akt untergräbt unseren Rechtsstaat! Frau Oberstaatsanwältin hat in diesem Sinne nicht in unserem Namen, im Namen der Bürger gehandelt, sondern vermutlich auf der Grundlage eines gewissen Eigensinnes heraus.



    Vielleicht vergleichbar mit dem Obersten Gericht in USA zur Immunität von Präsidenten zum Wohle von Mr. Trump, der erst zuletzt neue Stellen des Gerichtes entschieden hat. Eine Entscheidung für Diktatur gegen Demokratie.



    Wer hat Frau Oberstaatsanwältin benannt?

  • Ja, es ist bekannt, dass das BVerfG schnell entscheidet, daher hätte der Anwalt auch viel früher einen entsprechenden Antrag stellen sollen. Am Vorabend hatte er mit der Presse gesprochen anstatt erst mal das Fax rauszuschicken. Die Vollziehbarkeit ab Zustellung des Urteils des Kammergerichts sollte ihm bekannt sein.

    • 6G
      608196 (Profil gelöscht)
      @DiMa:

      Am Vorabend war das Fax nicht besetzt und ein bestätigter(!) Eingang desselben ergo nicht gewährleistet.

      • @608196 (Profil gelöscht):

        Das BVerfG hat eine Bereitschaftsdienst. Bis 22.00 Uhr können Sie jederzeit Faxe schicken und bekommen dann in Eilsacheverfahen halt auch in der Nacht eine Entscheidung.

        • @DiMa:

          Deshalb wurde auch erst nach 22 Uhr mit dem Abschiebevorgang begonnen, oder?

        • 6G
          608196 (Profil gelöscht)
          @DiMa:

          Das stand in den Artikeln die ich gelesen habe anders beschrieben.



          Aber wenn Sie das so genau wissen.



          Woher wissen Sie das so genau?



          Nur aus Neugier....

          • 6G
            608196 (Profil gelöscht)
            @608196 (Profil gelöscht):

            Hi Dima



            Sonst so engagiert beim schreiben, aber warum Sie dass (vrrmeindlich) so gut wissen, möchten Sie nicht mit mir teilen?



            Ich finde dazu ausschliesslich anderslautende Medienberichte und könnte anhand ihres Insiderwissens meine tägliche Lektüre prima nach Zuverlässigkeit selektieren.



            Wo kann ich solche Informationen bzgl. der Fristen für eingereichte Widersprüche, die eine Bestätigung mit Zeitstempel bedürfen, bei diesem Gericht finden?

          • @608196 (Profil gelöscht):

            Aus der juristischen Ausbildung.

            • 6G
              608196 (Profil gelöscht)
              @DiMa:

              Danke

  • "Schwarzer Peter" Spiel zwischen Anwalt und Staatsanwaltschaft dazu eine Justizsenatorin die schweigt. Berlin halt!

    Mit dem Schicksal eines Menschen könnte man auch etwas verantwortungsvoller umgehen.

    • @Sam Spade:

      Wozu soll sich eine Landesministerin zu einer Auslieferung eines Gefangenen in einen anderen EU Staat äussern. Da istj emand mit einem Hubschrauber zum bevorstehenden Gerichtsverfahren in ein anderes EU Land gebracht worden, was hat die Justizministerin damit zu tun. Hier geht es um einen Fall von schwerer Körperverletzung. In Deutschland werden jährlich 640000 Körperverletzungen, davon 130000 schwere, angezeigt. Und ein Angeklagter dee nicht zum Prozeß erscheint wird in Deutschland ggf. in Haft genommen.

      • 6G
        608196 (Profil gelöscht)
        @Martin Sauer:

        Vor allem geht es hier ausschliesslich um den Verdacht und die Anklageerhebung einer Strafbewehrten Aktion.



        Es gilt die Unschuldsvermutung. Ich bin erstaunt , dass Sie als Speerspitze der Fürsprache von Gewaltopfern hier offen das Unschuldsprinzip im Recht negieren?



        Oder ist das selektive Empathie?

        • @608196 (Profil gelöscht):

          Es geht hier gerade nicht um die Frage der Schuld oder Unschuld sondern nur um die Frage, ob im Ausland ein gerechtes Verfahren zu erwarten ist oder nicht.

          Die Schuldfeststellung hat in Ungarn im dortigen Strafverfahren auf Basis der Beweisaufnahme zu erfolgen.

          • 6G
            608196 (Profil gelöscht)
            @DiMa:

            Touchè

  • "Staatsanwälte fürchteten Proteste"



    Also eine Nacht- und Nebel-Aktion ...



    Egal ob die Auslieferung gerechtfertitgt ist oder nicht.



    Allein diese Argumentation ...

    • @LeKikerikrit:

      Völlig unglaubwürdige Schutzbehauptungen. Zumal neben dem Berliner Staatsanwalt ja auch das LKA Sachsen dahintersteckte.