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Aus für Verkehrsprojekt in KreuzbergGrün-blauer Traum abgesoffen

Grüne schockiert, SPD pikiert: Die CDU-geführte Verkehrsverwaltung pfeift auf Bundesmillionen und beerdigt die „Promenade“ am Halleschen Ufer.

So schön – und jetzt für die Tonne? Foto: Leon Giseke / bgmr / yellowZ

Berlin taz | Die Absage der CDU-geführten Senatsverkehrsverwaltung an eine „blau-grüne Promenade“ am Halleschen Ufer in Kreuzberg sorgt für Aufruhr – nicht nur im Bezirk, sondern auch bei den Grünen und der SPD im Parlament. Wie am Mittwoch bekannt wurde, will die Verwaltung von Senatorin Manja Schreiner das vom Bund mit mehreren Millionen geförderte Projekt nicht unterstützen. Damit ist es faktisch beerdigt.

„Ich bin außer mir vor Wut und Entsetzen“, sagt Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, der taz. Die vor einigen Jahren vom grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg erdachte autofreie Promenade am Landwehrkanal sei nicht nur verkehrs- und umweltpolitisch sinnvoll, sondern ein „Prestigeprojekt, mit dem man sich im progressiven Städtebau hervortun kann“. Es zu kippen, sei ein „Imageschaden für Berlin“.

„Abgesehen von unterschiedlichen ideologischen Überzeugungen hatte ich gedacht, dass ein Konsens in der Landespolitik herrscht, Bundesmittel mitzunehmen“, so Kapek. „Frau Schreiner kündigt diesen Konsens auf. Kein bayerischer Verkehrsminister wäre auf diese Idee gekommen.“ Die Grünen würden den Fall so schnell wie möglich im Abgeordnetenhaus zum Thema machen und auch Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) befragen.

Die hat in ihrer jetzigen Funktion nichts mit dem Projekt zu tun – im Sommer 2022 war sie es aber, die als Parlamentarische Staatssekretärin von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) die gute Nachricht verkündete: Im Rahmen des Investitionsprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ würde der Bund 2,95 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um die ersten 600 Meter auf der Nordseite des Landwehrkanals zu einer Oase für FußgängerInnen, RadfahrerInnen und die Stadtnatur zu machen. Insgesamt hätte die Maßnahme 4,4 Millionen Euro gekostet, den Rest hätte das Land getragen.

„Das wird schön!“

„Das wird schön!“, twitterte Kiziltepe damals. Beworben hatte sich der Bezirk mit dem Konzept, den Autoverkehr künftig in beiden Richtungen über das Südufer des Kanals – das Tempelhofer Ufer – zu führen. Damit wäre auf dem Halleschen Ufer Platz zum Flanieren entstanden, Flächen hätten entsiegelt, Sitzgelegenheiten am Wasser errichtet werden können.

Zunächst wäre es nur um 600 Meter zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Möckernbrücke gegangen. Das Konzept, das auf die Potenzialanalyse „Mehr Grün in Friedrichshain-Kreuzberg“ von 2019 zurückgeht, bezieht sich aber auf das gesamte Ufer vom Potsdamer Platz im Westen bis zur Zossener Brücke im Osten, wo die Straße vom Kanal wegschwenkt.

In dem Schreiben an die grüne Verkehrsstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, Annika Gerold, das der taz vorliegt, begründet Verkehrsstaatssekretärin Claudia Elif Stutz die Absage damit, dass das Hallesche Ufer als Teil der B96 zum Bundesfernstraßennetz gehöre. Das müsse nach Bundesrecht auch zusammenhängend sein, die „Herausnahme des Teilabschnitts“ wäre verbunden mit einem „zwingenden, bisher nicht erkennbaren anderweitigen Netzschluss“. Weiter argumentiert Stutz, Hallesches und Tempelhofer Ufer seien Teil des „Großraum- und Schwertransport-Routennetz des Landes“, teilweise auch des ÖPNV-Vorrangnetzes.

Die geplante Umgestaltung mache die „umfassende Untersuchung einer verkehrlichen Machbarkeit“ notwendig, „einschließlich einer Reihe von Nachweiserfordernissen“. Diese seien sehr aufwendig „bzw. kaum ohne erhebliche andere nachteilige Aspekte vorstellbar“. Außerdem bedürften sie intensiver, „voraussichtlich langjähriger und wenig erfolgversprechender“ Abstimmungen mit dem Bund, schreibt die Staatssekretärin. „Im Lichte der zu erwartenden hohen Personal- und Ressourcenbindung bitte ich um Ihr Verständnis, dass ich dieses Verfahren nicht einleiten werde und darum bitte das Projekt ‚Umgestaltung des Halleschen Ufers‘ nicht weiter zu verfolgen.“

„Nicht in Kenntnis gesetzt“

Auch der Koalitionspartner ärgert sich über die neue Volte: „Meine Fraktion wurde hierüber nicht in Kenntnis gesetzt“, sagt der verkehrspolitische Fraktionssprecher der SPD, Tino Schopf, der taz. Die Kehrtwende komme aber nicht nur überraschend, sie sei zudem für ihn, auch angesichts der Förderung, „nicht nachvollziehbar“.

Die Bedenken der Senatsverwaltung teile er nicht, so Schopf. Denn: „Ich setze voraus, dass bei einem Förderbescheid in solcher Größenordnung alle Faktoren im Hinblick auf die Versorgung und die Erreichbarkeit in der Stadt sowie des ÖPNV berücksichtigt wurden und der Bund nicht ohne tiefergehende Prüfungen solche Förderungen vergibt.“

Tatsächlich antwortet das Bundesbauministerium auf taz-Anfrage, für das Förderprojekt seien „Machbarkeit und zügige Umsetzbarkeit auf Basis der Angaben des Zuwendungsantragstellers geprüft und positiv bewertet“ worden. Weiter wollte man sich nicht zu dem Fall äußern, solange sich der Bezirk nicht an das Ministerium wende.

Der Bezirk war zuletzt vom Senat aufgefordert worden, per Machbarkeitsuntersuchung zu klären, ob eine Verkehrsführung über das Tempelhofer Ufer verträglich wäre – beauftragt wurde diese aber noch nicht. Trivial ist die Konzentration von Pkws, Lkws und Bussen auf einem Ufer sicher nicht. Bei einem weiteren Projektfortschritt wären die regulären Buslinien M29 und M41 ebenso betroffen wie etwaige Schienenersatzverkehre bei Arbeiten an der Hochbahn, wo die U1 und die U3 fahren.

„Die Hochbahn ist stellenweise 120 Jahre alt und muss regelmäßig in Stand gesetzt werden“, gibt Jens Wieseke, Sprecher des Fahrgastverbands IGEB, zu bedenken. Dann müsse es aber auch ein Konzept geben, wie der Ersatzverkehr zügig die Strecke bedienen könne. „Wenn das vorläge, könnten wir unseren Frieden damit machen.“

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14 Kommentare

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  • Erschreckend ist selbst im Nachhinein, was der vorangegangene Senat für eine Trümmertruppe war.

    • @rero:

      Nun geht es hier allerdings um die aktuelle Trümmerherstellung von Frau Schreiner!

      • @Achim Kniefel:

        Nein.



        Dieser Trümmerhaufen stammt - man konnte es dem Artikel entnehmen - von der vorherigen Regierung.

        Das Bezirksamt Kb-Fh ist auch noch beteiligt.

  • Ganz generell: Was soll mensch von einer ehemaligennBaulobbyistin erwarten, die in so eine Position gehieft wurde? Betonpolitik ohne Weitsicht und gegen die lokale Bevölkerung!

    • @Anna Bell:

      Bereits aus dem Text ist doch ersichtlich, dass eine ganze Reihe von Vorausplanungen notwendig gewesen wären und der vorhergehende Senat diese noch nicht einmal angestoßen hat. Eine Bundesstraße kann der Senat planungsrechtlich nicht einfach mal so umplanen.

      Die Einhaltung planungsrechtlicher Vorgaben war wirklich nicht die Stärke der vorhergehenden Verkehrssenatorin.

      • @DiMa:

        naja, wie aus dem Text ersichtlich ist sogar der Mittelgeber der Ansicht, dass "Machbarkeit und zügige Umsetzbarkeit auf Basis der Angaben des Zuwendungsantragstellers geprüft und positiv bewertet".

        Hört sich für mich eher nach Arbeitsverweigerung bei der Bausenatorin an. Oder halt bloss nix in Richtung zukunftsfähige Stadt gestalten.

  • Wow.

    Reminder: Die Natur in ihrer einstigen Pracht hatte einen Kosten-Nutzen-Faktor von irgendwo zwischen Null und Eins. Deswegen haben wir angefangen Plantagen und Monokulutren zu errichten und statt mit Pfeil und Bogen auf Rinder pferchen wir sie in Massenvernichtungshallen in den Tod.

    Jetzt wieder eine Grüne Lunge herzustellen, die Städte unbedingt brauchen, um lebenswerter zu werden, gegen den Individualverkehr und für den Klimaschutz ist nur noch eine Frage, ob eine bürokratische, neoliberale Hürde überwunden wurde.

    Es ist soooo einfach, Straßen zu zerstören, Wildwuchs vor den Häusern und Wohnungen und die Natur wieder zurückkehren zu lassen. So einfach.

  • Also wenn Fr. Schreiner so weiter macht könnte ihr Stillstand bei der Verkehrswende, dank immer größerer und zahlreicherer Autos bald buchstäblich werden - sprich als Stillstand auf der Strasse..

    ..und so eine Chance zu verpassen, Berlin attraktiver zu machen und dabei auch noch Bundesgelder zu verdödeln..

    naja..jede*r blamiert sich eben so gut sie kann..

    • @Wunderwelt:

      Schön das Bundesmittel fließen - aber auch die anderen 1,5 Millionen (wenn es dabei bleiben würde) müssen irgendwie finanziert werden.



      Und vielleicht finden sich da dringendere Projekte als eine Promenade "schön" zu machen.

    • @Wunderwelt:

      Das ist kein Problem von Frau Schreiner sondern von ihrer Vorgängerin. Sie setzte Projekte um, bevor die rechtlichen Grundlagen geschaffen waren (siehe Sperrung Friedrichstraße). Ähnlich auch in diesem Fall, in welchem ganz offensichtlich die Machbarkeit zugesichert worden ist ohne dass eine entsprechende Studie ünerhaupt vorlag. Das kann Frau Schreiner nicht angelastet werden.

      • @DiMa:

        Na, Sie sind ja ein großer CDU-Fan, aber eben mit Fehlern. Die zweite Sperrung der Friedrichstraße war durchaus eine rechtsgültige Umwidmung, während die erste von der Vor-Vorgängerin eingeleitet wurde. Und nach welchem Gesetz ist es verboten, eine mehrspurige Bundesstraße zu verkleinern? Es gibt wirklich unzählige Beispiele für Bundesstraßen, die ohne rechtliche Probleme umgelegt oder verkleinert wurden.

        • @Achim Kniefel:

          Die zweite Sperrung der Friedrichstraße war ebenfalls rechtswidrig, da das vom Gericht richtigerweise in Erinnerung gebrachte Verkehrskonzept noch nicht vorlag, sondern nur in Vorbereitung war.

          Auch für eine Umwidmung sind Verkehrskonzepte notwendig.

          Frau Scheiner lagen die Widersprüche gegen die Anordnung des Sofortvollzuges vor. Hätte sie diesen nicht statt gegeben, hätte das Gericht die Sperrung aufgehoben.

          Zweimal mit dem Kopf durch die wand macht die Sache nicht besser. War halt alles Wahlkampf, da musste man es aus Sicht der Senatorin mit den Vorschriften wohl nicht so genau nehmen.

          Wie kommen Sie also dazu, die Rechtsgültigkeit zu behaupten, wenn diese ja gerade im Zweifel stand und offensichtlich nicht vorlag?

          • @DiMa:

            Solange kein Gericht darüber entschieden hat, war es auch nicht rechtswidrig, auch wenn Sie das gerne so hätten.

  • Wenn noch überhaupt keine Machbarkeitsuntersuchung vorliegt ist fraglich, wie der "Zuwendungsantragssteller" überhaupt die Machbarkeit und Umsetzbarkeit beim Bund im Rahmen des Antragsverfahrens bestätigen konnte.

    Zum Glück ist der Spuk in der Verkehrsverwaltung vorerst ausgespuckt.