Verlängerung der M10: Sie kam, sah und prüfte

Eigentlich sah es gut aus für die Verlängerung der Tram M10 zum Hermannplatz. Dann trat CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner auf den Plan.

Visualisierung der geplanten Straßenbahnlinie durch den Görlitzer Park

So soll es mal mit der Tram durch den Görlitzer Park gehen Foto: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

BERLIN taz | Für Oda Hassepaß ist die Sache klar. „Die M10 zum Hermannplatz braucht es unbedingt“, sagt die Verkehrsexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus zur taz. Aus Sicht von Hassepaß sollten die seit 2018 laufenden Planungen für eine Verlängerung der Tram-Linie M10 über die Warschauer Straße hinaus Richtung Neukölln dann auch dringend weiter vorangetrieben werden. Ganz im Sinne des aktuell noch gültigen Nahverkehrsplans, in dem die 2,9 Kilometer lange Neubaustrecke durch den Görlitzer Park als „vordringlich“ vermerkt ist.

Der seit April amtierende schwarz-rote Senat interpretiert Vordringlichkeit hier gleichwohl auf seine Weise: Man wolle diese und zwei andere Straßenbahnplanungen in Berlin noch einmal „überprüfen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und so prüft CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner seit nun fast sechs Monaten. Oder auch nicht. So genau weiß man es nicht.

Wie die Tageszeitung nd jetzt berichtet hat, untersuche die Verkehrsverwaltung dabei nach eigener Auskunft vorrangig Überflüssiges. Etwa, „ob bereits alle möglichen Varianten von Verkehrsmitteln und Trassenverläufen in Erwägung gezogen wurden“. Das ist für die Verlängerung der M10 schon vor mehr als zwei Jahren geschehen. Das Ergebnis: Die Tram und – unter sieben untersuchten Varianten – die Trasse durch den Görlitzer Park (siehe Grafik) schnitten am besten ab.

Nun ist es kein Geheimnis, dass die CDU und ihre Verkehrssenatorin dem Tram-Ausbau keine Priorität einräumen. Wenn überhaupt, erwähnt Schreiner das Thema Straßenbahnplanungen unter ferner liefen, ohne wirklich etwas zu sagen. Außer, dass ihr Haus fleißig weiter prüft. Grünen-Politikerin Oda Hassepaß spricht von wiederkehrenden „Nicht-Antworten“, die sie hierzu auch im Abgeordnetenhaus höre.

Neuerdings ist bei der M10-Verlängerung mit der von CDU und SPD forcierten „Befriedung“ des Görlitzer Parks durch einen Zaun und nächtliche Schließungen ein weiterer Prüfauftrag hinzugekommen. Was genau geprüft wird, bleibt auch in diesem Fall ein Rätsel. „Im weiteren Planungsverlauf sind hier Lösungen zu untersuchen. Mit Umsetzung der Straßenbahnplanung wird der Görlitzer Park im Bereich der Querung Veränderungen erfahren“, referiert die Verkehrsverwaltung auch auf taz-Nachfrage nur das zaunfrei Offensichtliche.

Nicht viel zu prüfen

Die Zugeknöpftheit überrascht umso mehr, als die Senatorin im Zusammenhang mit dem „Sicherheitsgipfel“ Anfang September gegenüber der Berliner Zeitung hatte durchblicken lassen, dass es hier nicht viel zu prüfen gebe. Fachleute hätten ihr mitgeteilt, „dass Bahnen auch durch abgeschlossene Parks fahren können“. Denn: „Es gibt Tore, die per Funk oder automatisch geöffnet werden können, wenn eine Bahn kommt.“ Und überhaupt: „Was die Sicherheit anbelangt, wäre es gut, wenn Straßenbahnen durch den Görlitzer Park fahren würden.“

Bei der Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez, die sich seit Langem gegen die Trasse durch den Park ausspricht, gehen allein bei der Vorstellung die Alarmglocken an. „Wir wollen weder, dass der Görlitzer Park eingezäunt und nachts geschlossen wird, noch dass ihn eine Tram in zwei Teile schneidet und so als Naherholungsgebiet entwertet“, teilt die Initiative der taz mit.

Die Gegend südlich des Schlesischen Tors befinde sich schon so „im Zangengriff von Immobilienspekulation, Verdrängung, Touristifizierung, Crack-Krise und Verelendung, jetzt im Zuge der Zaunpläne für den Görli noch getoppt von sinnfreiem Law-and-Order-Populismus der CDU-SPD-Koalition“. Es gebe daher „viele Probleme, die mit Baulärm und mehr Durchgangsverkehr ganz sicher nicht besser würden“. Worüber sich die An­woh­ne­r:in­nen dagegen mit Sicherheit nicht beklagen würden, sei eine schlechte Verkehrsanbindung.

Die Verbindung als Chance

So alt wie die Planungen für eine M10-Verlängerung Richtung Neukölln, so alt ist letztlich auch der Konflikt zwischen den Geg­ne­r:in­nen und Befürworter:innen. Für Letztere widerspricht Oda Hassepaß von den Grünen der Anwohner:innen-Initiative vehement: „Die Anbindung zwischen Wrangelkiez, Reichenberger Kiez und Hermannplatz ist sehr schlecht.“

Die geplante Verbindung durch den Görli biete zudem „eine Chance, den Park durch begleitende Grünflächen-Verbesserung attraktiver zu machen“. Nicht weniger unterstützenswert seien die Pläne aufgrund einer weiteren Begleiterscheinung: Die Falckensteinstraße wäre fortan autofrei. „Sehr gut“, sagt Hassepaß.

Auch der Verkehrsexperte der Linksfraktion, Kristian Ronneburg, ist ein Verfechter des Tram-Ausbaus. Schreiners Aussagen zum „Sicherheitsgipfel“ lassen ihn dabei fassungslos zurück. „Wir sind in der Debatte mittlerweile dort angekommen, dass für die Senatorin zwar Straßenbahnen höchstens zweitrangig sind, aber wunderbare Instrumente für die Innen- und Sicherheitspolitik – das kann sich niemand ausdenken“, sagt Ronneburg zur taz.

Wenn auch in die Vorplanungen in den vergangenen Jahren bereits rund eine Million Euro gesteckt wurden und die Verkehrsverwaltung beteuert, dass „nach derzeitigem Stand“ eine Inbetriebnahme für das Jahr 2030 vorgesehen ist: Ronneburg glaubt nicht daran, dass die CDU-Vekehrssenatorin irgendetwas von sich aus unternehmen wird, damit dereinst eine Tram über die jetzige Endhaltestelle in Friedrichshain hinaus rollt. „Die aktuelle Zaun-Debatte um den Görlitzer Park kann Senatorin Scheiner sehr recht sein, sie kann auch mit Verweis auf den ‚Sicherheitsgipfel‘ weiter prüfen und im Endeffekt nichts tun“, sagt er.

Nebenbei bemerkt: BVG-intern war man dem Vernehmen nach sehr erfreut darüber, dass die Verlängerungsplanungen für die M10 lange Zeit weitgehend unkompliziert über die Bühne gingen und keine unerwarteten Probleme aufgetaucht waren. Dann kam Manja Schreiner.

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