Aufbau antiwestlicher Staatenallianz: Annäherung an die Taliban
Russland und China bewegen sich Schritt für Schritt in Richtung einer vollen diplomatischen Anerkennung des afghanischen Taliban-Regimes.
Dort unterhalten viele Länder bereits intensive Beziehungen mit den Taliban, ohne deren Regime allerdings bisher offiziell anzuerkennen. Wie westliche Länder sind sie daran interessiert, dass die national-islamistischen Taliban am Hindukusch weiter die weltweit agierende Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) bekämpfen.
Bereits am Montag teilten Russlands Außen- und das Justizministerium Putin mit, er könne die Taliban von der Liste der terroristischen Organisationen streichen. Außenminister Sergej Lawrow wies darauf hin, dass Kasachstan dies bereits getan habe. Man warte nun auf eine Entscheidung, so Russlands Afghanistan-Sonderbotschafter Samir Kabulow.
Er hatte den Vorschlag am Montag im Fernsehen begründet: Moskau sei an einer Kooperation interessiert, „nicht nur in verschiedenen Wirtschaftssektoren, sondern auch zwischen unseren Strafverfolgungsbehörden“, angesichts „des effektiven Potenzials“ der Taliban, „den ‚Islamischen Staat‘ zu unterdrücken und zu eliminieren“.
Trotzdem sei es aber laut Kabulow „voreilig, von Anerkennung zu sprechen“. An diesem Thema werde „weiter gearbeitet“.
Moskaus Handelsvolumen mit Kabul hat sich verfünffacht
Bereits zwei Wochen zuvor hatte er erklärt: „Ich will nicht sagen, dass die Taliban unsere Freunde Nummer eins sind, aber sie sind offensichtlich keine Feinde.“ Russlands Handelsvolumen mit Afghanistan verfünffachte sich seit 2021, als die Taliban wieder die Macht übernahmen, liegt aber noch deutlich hinter Pakistan und Iran.
Bisher erkennt kein Land das Taliban-Regime vollumfänglich diplomatisch an. Russland, China und weitere Staaten haben jedoch Botschafter in Kabul. China akkreditierte als erstes Land im Weltsicherheitsrat einen von den Taliban ernannten Botschafter. Präsident Xi Jinping höchstpersönlich nahm im Januar in Peking dessen Beglaubigungsschreiben entgegen.
Das ist Teil der russischen und chinesischen Außenpolitik, eine antiwestliche Staatenallianz zu schmieden, wie dies auch bereits in Afrika und Teilen des Balkans sichtbar ist. Russland und China halten sich bisher aber an den Konsens, den Taliban nicht Afghanistans UN-Sitz zu übertragen.
Die meisten Staaten Zentralasiens, einige am Golf und auch etwa die Türkei, akkreditierten bereits niederrangigere Taliban-Diplomaten. Auch westliche Länder haben Botschafter für Afghanistan, die aber in Nachbarländern residieren. Die der Schweiz, Japans, Norwegens und Großbritanniens etwa reisen regelmäßig nach Afghanistan.
Andere Länder wie die USA oder Deutschland vermeiden das. Sie treffen aber Taliban-Vertreter, meist in Katar. Dort gab es auch wiederholt US-Taliban-Kontakte zum Thema Bekämpfung des IS.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen