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Aufarbeitung der Pandemie-MaßnahmenKeine Schule der Solidarität

Sollen die Coronamaßnahmen „aufgearbeitet“ werden? Die erschreckende Befürchtung ist, dass vernünftige Diskurse gar nicht mehr möglich sind.

Protest gegen die Einschränkungen während der Pandemie im April 2020 in Berlin Foto: Karsten Thielker

E ines der eigenartigsten Phänomene der Geschichte ist, wie wenig die Spanische Grippe (1918 bis 1920) Eingang in Erinnerungsliteratur, Geschichtsschreibung oder Popkultur gefunden hat. Immerhin forderte die Influenzapandemie mit veranschlagten bis zu 50 Millionen Opfern bis dato mehr Todesopfer als jede andere Krankheit. Aber schon in der zeitgenössischen Publizistik war sie nur eine Randnotiz, kam gar nicht vor zwischen den Leitartikeln zu Revolution, dem Sturz von Kaiserhäusern, Kriegsende, Bolschewismus oder dem Ringen um Demokratie.

Hinterher war das Massensterben schnell verdrängt. Dass dieses Desaster so frappierend wenig Eingang in das kollektive Gedächtnis fand, führen kluge Köpfe daher auch auf folgende Tatsache zurück: Es gibt so wenige Episoden, die erlauben, sich darüber Heldengeschichten zu erzählen. Im Gegenteil, die Menschen mochten nicht, was die Epidemie aus ihnen machte: Egoisten nämlich, die nur überleben wollen. Seuchen sind keine Schule der Solidarität. Man kann das heute etwas besser nachvollziehen.

Jens Spahn, während der Coronajahre Gesundheitsminister, ist ja nicht für besonders intellektuelle Heldentaten berühmt, aber er hat am Höhepunkt der Pandemie einen tiefsinnigen Satz gesagt: „Wir werden einander viel verzeihen müssen.“ Am liebsten würden wohl sehr viele die Jahre einfach abhaken. Die Coronapandemie hat zu sehr vielen Zerwürfnissen geführt, zu hysterischen Debatten, die bis in die engsten Freundes- und Familienkreise hineinreichte.

Maßnahmenbefürworter gegen Maßnahmenskeptikerinnen, die einen verdammten die Impfung, die anderen luden sich „Stay at home“ in ihre Social-Media-Porträts. All das war nicht bloß „kontrovers“, sondern voller Emotionalität und Wut. Ärztinnen wurden gemobbt, im Einzelfall sogar in den Tod getrieben. Andererseits fühlten sich Leute arg an den Rand gedrängt, nette Hippies, die auf Homöopathie oder Meditation stehen, sahen sich plötzlich als „Schwurbler“ und „Ungeimpfte“ in einer Weise gesellschaftlich geächtet, die sie als gemein und brutal empfanden.

Mal über-, mal unterschätzte Gefahr

Und nun gibt es da zwei Möglichkeiten. Möglichkeit eins: einfach vergessen. Möglichkeit zwei: „aufarbeiten“, was immer das sein könnte. „Wir werden darüber reden müssen, sonst fliegt uns das alles noch einmal um die Ohren“, sagte unlängst ein Mediziner und Public-Health-Experte zu mir, der seinerzeit öffentlich eine akzentuierte Stimme war. Grundsätzlich können sich auch im öffentlichen Bereich viele eine „Aufarbeitung“ vorstellen, man hört, die Idee einer Enquetekommission im Bundestag findet wachsende Akzeptanz.

In Österreich hat die Bundesregierung sogar die Akademie der Wissenschaften mit der Erstellung einer Studie beauftragt. Die Studie ist übrigens ziemlich gescheit. Man hat sie in einer Pressekonferenz am 21. Dezember präsentiert. Das war der Donnerstag vor dem Weihnachtswochenende. Man wollte, dass sie untergeht.

Ein verschwörungstheorienahes Internetportal hat die Protokolle des Robert-Koch-Instituts freigeklagt, und natürlich werden die Tausenden Seiten jetzt als Dokument des „Beweises“ verkauft, wie wir manipuliert, eingesperrt oder was auch immer wurden. Dabei findet man in den Diskussionsmitschriften das genaue Gegenteil: Wissenschaftler und Experten, die auf Basis unsicheren Wissens und angesichts von sich ständig ändernden Fakten und Beweisgrundlagen ihre Empfehlungen ableiten.

Man sieht, was man wann wusste oder zu wissen glaubte. Erst unterschätzte man die Gefahr, dann überschätzte man sie vielleicht. Bald ging man von einer Fallsterblichkeit von rund 3 Prozent aus, was in Deutschland viele Hunderttausend Tote bedeutet hätte. Man diskutierte kontrovers über Ausgangsbeschränkungen, Lockdowns, deren Länge, hatte früh Sorge vor den psychosozialen Auswirkungen, man war sich bald bewusst, dass man die kleinen Kinder und jungen Schulkinder eher in Ruhe lassen sollte.

Schwierige Bedingungen für die Politik

Politiker und Politikerinnen wiederum mussten auf Basis von Empfehlungen, unter den Bedingungen von Ungewissheit Entscheidungen treffen, die manchmal richtig, manchmal zu lasch, manchmal zu streng ausfielen. Die Normbetroffenen, wie die Bürger im Fachjargon heißen, reagierten gereizt. Die einen fühlten sich einem unnötig hohen Todesrisiko ausgesetzt, die anderen durch autoritäre Maßnahmen gegängelt, und ganz generell war man auf viel existenziellere, eklatantere Weise von Regierungshandeln betroffen, als das sonst der Fall ist.

Zur Aufarbeitung würde natürlich auch die Erörterung der Frage gehören, wie klar und eindeutig eine Risikobeurteilung sein muss, um massiv in individuelle Freiheitsrechte einzugreifen, weil generell die ewige Spannung im demokratischen Rechtsstaat die zwischen bindenden Regeln einer sozialen Ordnung und den individuellen Freiheitsrechten des Einzelnen ist. Auch die Frage von ungerechtfertigten Doppelstandards wäre ein Thema, da die Zustimmung zu Maßnahmen zusammenbricht, wenn die Leute das Gefühl haben, dass es nicht gerecht zugeht.

In Österreich durfte man etwa in Gondeln zum Skifahren, aber nicht ins Theater. Andererseits: Politiker waren auch gehetzt, hinkten logischerweise oft den Aufgaben hinterher und mussten Hunderte Parameter berücksichtigen, nicht nur gesundheitliche, sondern auch ökonomische. Österreichs Gesundheitsminister hat tagsüber 16 Stunden regiert und nachts die neuesten Studien gegoogelt und durchgeackert, was ganz persönlich schlecht für das Thema ist, was der Amtsträger im Titel trägt, die Gesundheit nämlich.

Was, wenn es möglich wäre, die Gereiztheit in ein ruhiges, maßvolles öffentliches Gespräch aufzulösen? Mein Verdacht ist, dass wir das Vertrauen in die Möglichkeit von Diskursen schon verloren haben. Und das ist eigentlich das wirklich Beängstigende.

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Robert Misik
Geboren 1966, lebt und arbeitet in Wien. Journalist, Sachbuchautor, Ausstellungskurator, Theatermacher, Universaldilettant. taz-Kolumnist am Wochenende ("Der rote Faden"), als loser Autor der taz schon irgendwie ein Urgestein. Schreibt seit 1992 immer wieder für das Blatt. Buchveröffentlichungen wie "Genial dagegen", "Marx für Eilige" usw. Jüngste Veröffentlichungen: "Liebe in Zeiten des Kapitalismus" (2018) und zuletzt "Herrschaft der Niedertracht" (2019). Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik 2009, Preis der John Maynard Keynes Gesellschaft für Wirtschaftspublizistik 2019.
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23 Kommentare

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  • In Melbourne war da nicht viel mit Spalten. Die meisten haben die Lockdowns etc mit "muss ja" durchgezogen - und, wenn man sich die Anzahl der Toten auf dem Worldometer z.B. anschaut, kann es nicht ganz verkehrt gewesen sein (pro Einwohner weniger als die Hälfte von Toten pro Einwohnerzahl, verglichen mit Deutschland)

    Wenn mein in Deutschland lebender Bruder, der sich konsequent nicht geimpft hat, seit Tagen mit dieser RKI-Studie beschäftigt und irgendwo wohl recht haben will, dann, well, er kann mich mal. Ich habe gar keinen Bock, mich darüber auszulassen. Natürlich gab es Fehler. So what?

    Ist aber auch ein sehr deutsches Ding, das Rechthabenwollen..

    • @petross:

      Richtig!

      In Spanien gab es einen echten, harten Lockdown. Acht Wochen durften auch Kinder kaum aus der Wohnung.

      Impfquote bei den Menschen über 60 in Spanien: statistisch gesehen fast 100 Prozent. Querdenker: gibt es nicht.

      Aufarbeitung? Eine Kommission hat kürzlich ihre Arbeit für Madrid beendet und das Ergebnis ist, dass bis zu 4000 alte Menschen zu Beginn der Pandemie vor dem Tod hätten gerettet werden können. Es wurden also nicht die Maßnahmen aufgearbeitet, sondern deren Mangel. Und so gut wie niemandem käme es in den Sinn, aus etwaigen Fehlern, die ihrerzeit gut erklärbar waren - Informationsmangel, Vorsicht ist besser als Nachsicht usw. - einen Auftrag für eine große, gesamtgesellschaftliche "Aufarbeitung" abzuleiten.

      Allerdings klappte es in Spanien dann z.B. auch sehr viel besser mit der Vergabe von Impfterminen oder der Nachverfolgung von Infektionsketten. Davon, das Versagen mancher Behörden in Deutschland in dieser Hinsicht aufzuarbeiten, kommt hierzulande aber keiner mehr.

      Nein, hier in Deutschland geht es um die "wahren Opfer der Pandemie": sich "stigmatisiert" fühlende Ungeimpfte oder Leute, die 2020 mal irgendwann von einer Parkbank vertrieben wurden.

  • Genau hier liegt das Problem: Die Coronapandemie war ein Katalysator, der einfach die (Ab-)Spaltung derer beschleunigt hat, die sich Populismen anschließen, weil sie in einer komplexen Welt einfache Antworten wollen. Und sie hat denjenigen ein Sprungbrett beschert, die hierin eine Anschlussfähigkeit an Verschwörungsideologien gesehen und für sich nutzbar gemacht haben.



    Die Lage in der Pandemie war hochkomplex, ohne Präzedenz in einer so hochdifferenzierten Gesellschaft. Die volatile Daten- und Faktenlage war selbst für die jeweils in ihren Bereichen spezialisierten Wissenschaftler:innen schwer zu bewältigen.



    Wie jetzt eine differenzierte Aufarbeitung jene, die Populismen Glauben schenken wollen, befriedigen oder gar von diesem Glauben abbringen sollte, will sich mir nicht erschließen.



    Es wird sicher eine interne Aufarbeitung, Lerneffekte in den Organisationen gegeben haben und geben, die hier planerisch, gestalterisch agiert haben, i.e. RKI und PEI.

    • @Ijon Tichy:

      Sie bringen's auf den Punkt. Und Absatz 1 beantwortet die Frage in Absatz 3: Das Ziel der angeblichen "Aufarbeiter" lautet: Die Spaltungen vermehren, vertiefen, verfestigen.

  • Der autoritäre Umbau von Staat und Gesellschaft wurde von links abgenickt wegen "follow the science". Und dann sehen wir in den Protokollen, es war keineswegs "THE" science, sondern eine teilweise irrationale angstgetriebene und/oder machtgeile Politik.



    Wenn wir Linken vermeiden, Kritik am politischen Handeln wegen zu wenig Schaden-Nutzenabwägung zu äußern (oder überhaupt zu denken), weil es den Rechten in die Hände spielen könnte - so spielt genau dies den Rechten in die Hände.



    Natürlich braucht es eine Aufarbeitung der "größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg". Und zwar nicht durch die Expert:innen und Politiker:innen, die ganz vorne mit dabei waren, sondern durch welche, die "follow the science" wirklich tun und nicht für politische Zwecke missbrauchen, sondern mit echtem Erkenntnisinteresse rangehen, egal was hinten raus kommt. Dann kann hoffentlich gesellschaftlich wieder Frieden geschlossen werden.

    • @Bea:

      Gesellschaftlicher Frieden ist das letzte was diese angeblichen "Aufarbeiter" im Sinn haben.



      Bald werden Sie sehen, dass kein Maß an "Aufarbeitung" ausreichend sein wird um diese Menschen zufrieden zu stellen.

    • @Bea:

      "Und dann sehen wir in den Protokollen, es war keineswegs "THE" science, sondern eine teilweise irrationale angstgetriebene und/oder machtgeile Politik."

      Genau das ist eben nicht in den Protokollen zu sehen, sondern das Ringen um Empfehlungen und Schlussfolgerungen angesichts der Tatsache, dass vieles eben unklar und unsicher war. Trotzdem mussten Entscheidungen getroffen werden.

    • @Bea:

      Welcher Umbau? Haben Sie konkrete Beispiele? Was ist denn jetzt autoritärer als vorher an Institutionen und Strukturen?

      Sachsen, das Land, in dem wegen Unwillen, sich an die Maßnahmen zu halten und sich impfen zu lassen, nachweislich viel höhere Todesraten hatte als Schleswig-Holstein, müsste dann ja antiautoritär und libertär sein.

      Tatsächlich sitzt dort, anders als in Schleswig-Holstein, die AfD im Landtag und wird wohl bei den Wahlen dieses Jahr stärkste Kraft.

  • "Was, wenn es möglich wäre, die Gereiztheit in ein ruhiges, maßvolles öffentliches Gespräch aufzulösen?"

    Danke. Ich wäre dabei.

  • ...die Veröffentlichung der protokolle mpk muss ich die einklagen?

  • Joa, volle Zustimmung. Wer allerdings mit "Corona-Diktatur", "Genversuchen" und Mobbing arbeitet, ist für solche Argumente auf der Metaebene nicht mehr zugänglich.

  • Das hat nichts mit Diskursen zu tun. Die Rechten und die Schwurbler haben Blut geleckt und man gibt ihnen nach in der Hoffnung sie zu besänftigen. Mit rechten Reden undso. Das ist wie mit Putin verhandeln.

    • @schnarchnase:

      Auf den Punkt.

  • Diese Möglichkeit von ruhigen und maßvollen Diskursen innerhalb einer Gesellschaft gab es doch noch nie. Diskurse fanden früher wenn es sie denn überhaupt gab immer nur in elitären Kreisen statt. Diese führten dann halt auch mal ein maßvolles Gespräch und kommunizierten dann ihre Meinung über festgelegte Kanäle an die Massen. Das ist heute glücklicherweise so nicht mehr der Fall. Wer einen Diskurs wie früher ohne Widerspruch des Pöbels sucht, sollte sich nach einer Zeitmaschine umsehen.

  • Mal abgesehen davon, was die Intention irgendwelcher "Corona-Kritiker" sein mag, und ob man sich nun wirklich an dem Wort "Aufarbeitung" aufhängen muss, halte ich eine abschließende Bewertung im Umgang mit der Pandemie für mehr als geboten. Viele mögen widersprüchliche und teils absurde Regeln, den Maßnahmen Flickenteppich, das Chaos bei Masken- und Impfstoffbestellungen, etc. ob der doch am Ende vergleichbar ganz gut bewältigten Situation hierzulande vergessen haben. Das große Mißtrauen in den Staat, die tiefen Gräben in der Gesellschaft, die auch das Erstarken von Populisten zur Folge hat sind geblieben und ein kritischer Umgang mit dem was richtig und was falsch lief, kommt eigentlich schon zu spät.



    Aber um gesamtgesellschaftlich für eventuelle ähnliche Situationen in der Zukunft zu lernen, ist es unabdingbar.



    Meine größte Kritik am deutschen Verhalten in der Pandemie, ist die Hysterie und die Schärfe im gegenseitigen Umgang miteinander. Und die Überheblichkeit, mit der man auf Andere gezeigt hat, während man selbst nicht wusste, welche Maßnahmen denn nun wirklich wirksam und angemessen sind.

  • Wer von vornherein jeden mit anderer Meinung/ Haltung als Schwurbler, usw oder gar Nazi abtut ist halt nicht an einer Diskussion interessiert. Das ist/war die Politik nie.

    Ich persönlich empfand als einzig sinnvolle Maßnahme die Impfung. Mit dieser wurde das Risiko auf Grippe Niveau gesenkt und alles andere war unnötig.



    Als Schulen entgegen jeglicher wissenschaftlicher Empfehlungen geschlossen wurden war ich leicht am verzweifeln, das Ergebnis sieht man ja jetzt.

    • @Notizen aus Taiwan:

      Die Schulen wurden aber nicht entgegen "jeglicher wissenschaftlicher Empfehlungen" geschlossen. Was genau das gebracht hat, ließe sich erst hinterher feststellen. Ebenso war die Maskenpflicht absolut sinnvoll.

      • @BrendanB:

        Eben nicht das das schließen der Schulen nichts bringt war gleich klar, wird ja sogar im Artikel erwähnt.



        Da konnten sich einfach Lehrerverbände durchsetzen die keine Lust auf Arbeit/ kein Risiko eingehen wollten.

        • @Notizen aus Taiwan:

          Nö, das steht da nicht. Und selbst das, was da steht, ist so nicht richtig. Als Überträger und Pandemietreiber haben Kinder und Jugendliche selbstverständlich eine Rolle gespielt. Ihre Aussage die Schulen seien *entgegen jeglicher wissenschaftlicher Empfehlungen" geschlossen worden, ist schlicht falsch.

  • "Im Nachhinein ist man immer schlauer". Mit dieser Überschrift versehen könnte man die ganze Aufarbeitungsdebatte ad acta lege. Es geht nämlich denjenigen, die besonders verhement nach Aufarbeitung rufen, gar nicht um dieseselbe. Vielmehr versucht man alte Verschwörungstheorien aufzuwärmen und Corona zum xten Mal für populistische Ziele zu instrumentalisieren. Allein die zahlreichen Deals und Mauscheleinen geschäftstüchtiger Politstrategen, hätten es verdient, detailiert hinterfragt und auch geahndet zu werden. Aber das will ja niemand. Und um ein solches Ansinnen gleich im Keim zu ersticken, greift man zu dem, was Politikern immer einfällt, wenn Ihnen nichts einfällt oder etwas unter den Teppich zu kehren ist: zur Enquetekommission (je größer desto besser). Hier kann man sich gut in Scheindebatten verbergen und ganz losgelöst genüßlich diskutieren, ohne dass man je Gefahr läuft , dem Kern der Sache gar zu nahe zu kommen. Und wenn dann nach vielen Monaten die Ermüdung um sich greift, schließt man frohgemut die Akten, übergibt den Abschlussbericht dem Archivar, denkt sich die Hände reibend "Ausser Spesen nichts gewesen" und zieht beruhigt von dannen.

  • "Jens Spahn (...) ist ja nicht für besonders intellektuelle Heldentaten berühmt (...)".



    Dem kann ich zustimmen.



    Auf einen derartigen Artikel kann ich mich auch einlassen.



    Eigentlich " kann man es ja nicht mehr hören"!



    Zu einer gesellschaftlichen Aufarbeitung bin ich nicht bereit. Das Thema hat zu lange das Leben begleitet, als dass es noch zusätzlich Lebenszeit kosten dürfte.



    Ich glaube auch, dass in der Zeit Gräben entstanden sind, die nur noch schwer zu überbrücken sind.



    Ich habe für mich auch klare Grenzen Menschen gegenüber gezogen und wüsste nicht, warum ich die wieder einreißen sollte.



    Sicher sind wir eine Gesellschaft, aber ich bin wohl nicht verpflichtet mich mit VolltrottelInen zu beschäftigen.



    Worte und Diskussionen wurden während der Pandemie genug gewechselt und eine Wiederholung der Diskussionen mit mittlerweile allgemein gesunkenem Wissensstand, ist das Letzte, was ich will.



    Der Verweis auf die spanische Grippe ist gut und es ist nachvollziehbar, warum sie in Vergessenheit geraten ist.



    Es ist ja nicht so, als ob wir momentan keine anderen Sorgen hätten...

  • Der ganze Ansatz derer, die nun "Aufarbeitung" fordern, ist falsch.

    Sie suggerieren, das schlimmste an der Pandemie seien die Maßnahmen gewesen.

    Von den fast 200.000 Toten in Deutschland spricht niemand mehr.

    Niemand will aufarbeiten, warum Sachsen so viele Maßnahmenverweigerer und Impfgegner hatte und darum auch zwei Jahre hintereinander die höchsten Todesraten Deutschlands, und ob das nicht auch bedeuten könnte, in einer künftigen Pandemie die Maßnahmen dort noch strenger durchzusetzen. Niemand fordert eine Aufarbeitung, bei der sich dann z.B. mal die Querdenker eingestehen müssen, dass sie Mitverantwortung für viel Krankheit und Tod tragen.

    Nein, in Deutschland geht es darum, dass die Maskenpflicht im Supermarkt im Juni 2020 vielleicht etwas unverhältnismäßig gewesen sein könnte oder so etwas.

    Absurd!

  • "Mein Verdacht ist, dass wir das Vertrauen in die Möglichkeit von Diskursen schon verloren haben. Und das ist eigentlich das wirklich Beängstigende."

    Das ist auch meine Einschätzung. Und gerade deshalb kommen wir meines Erachtens nicht umhin, dieses schwierige Thema noch einmal zu besprechen. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema aus Angst vor der schwierigen Diskussion einfach zu verdrängen ist doch keine Lösung, oder?