Attacke auf Grünen-Politiker: Frei.Wild-Fan wird wild
In Hannover greift ein Mann den Grünen-MdB Sven-Christian Kindler an. Der hatte vor der völkischen Ideologie der Band Frei.Wild gewarnt.
HAMBURG taz | Am Samstagnachmittag mal durchs Viertel gehen – der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler wollte in Hannovers Alternativ-Stadtteil Linden einfach mal bummeln. Da griff plötzlich ein junger Mann den haushaltspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion an – ohne Vorwarnung. Unter Beleidigungen wie „antinationaler Wichser“ schubste der Angreifer ihn mehrfach aggressiv rum. Kindler hat Anzeige erstattet. Ermittlungen der Polizei laufen, der Staatsschutz ist eingeschaltet.
Der Übergriff geschah gegen 14 Uhr auf dem Platz Am Küchengarten. „Eine spontane Aktion“, glaubt Kindler. Schon kurz vor der Auseinandersetzung sei ihm der Angreifer aufgefallen, mit braunem Kinnbart und blauen Adidas-Turnschuhen. „Bist du Sven von den Grünen? Hast du nicht auf der Anti-Frei.Wild-Kundgebung gesprochen?“, habe er ihn gefragt, erinnert sich Kindler.
Kaum hatte der 28-jährige Bundespolitiker aus der niedersächsischen Landeshauptstadt mit „ja“ geantwortet, begann der Mittzwanziger ihn anzugehen. „Hurensohn, Vaterlandsverräter“, habe der Angreifer weiter gerufen, so Kindler, während er ihn schubste und auf den Oberkörper schlug. „Ich mache dich fertig, wenn du noch mal so etwas machst“, soll der Mann zudem gesagt haben, den eine junge Frau mit roten langen Haaren begleitete.
Die Rockband Frei.Wild erklärt, sie lehne jeden Extremismus ab. Sänger Philipp Burger war aber früher bei der Rechtsrockband "Kaiserjäger" und Mitglied der rechtsextremen Südtiroler Partei "Die Freiheitlichen". Burger spricht von "Jugendsünden".
Der Rechtsrock-Experte Thomas Kuban hält der Band vor, Hass auf Andersdenkende zu verbreiten, Gewalt zu verherrlichen und Geschichtsrevisionismus sowie antisemitische Stereotype zu bedienen.
Im März 2013 hatte die Deutsche Phono-Akademie die Nominierung der Band für den Musikpreis Echo zurückgezogen, nachdem Bands wie "Mia" und "Kraftklub" protestiert hatten.
„Ich versuchte durch Abstand-Halten die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen“, sagt Kindler. Er wich aus, forderte den Frei.Wild-Fan auf, seinen Angriff zu stoppen und drohte mehrmals, die Polizei einzuschalten. Schließlich ließ der Angreifer von ihm ab und flüchtete mit seiner Begleitung in einen Linienbus. Kindler trug keine schwereren Verletzungen davon.
„Der Vorfall zeigt, wie gefährlich die rechte Ideologie von Frei.Wild ist“, sagt Kindler. Im November vergangenen Jahres hatte er bei einer Kundgebung gegen den Auftritt der Südtiroler Band im „Capitol“ gesprochen. Über 300 Gegendemonstranten waren am 29. November 2013 zu der Kundgebung am Schwarzen Bär gegen das Konzert der umstrittenen Gruppe um den Sänger Philipp Burger gekommen.
Aus dem Spektrum der Autonomen Nationalisten
Der Bezirksrat des Stadtteils hatte einstimmig ein Verbot des Konzerts gefordert. Vor Ort warnte nicht nur Kindler, Frei.Wild würden in ihren Texten einen völkischen Nationalismus vertreten und gegen Migranten und Andersdenkende hetzten. „Frei.Wild schüren mit ihren Texten Hass und Gewalt, gerade auch gegen Demokratinnen und Demokraten“, sagt Kindler. Für diese aggressiven Lieder und die gefährlichen Folgen müssten sie sich verantworten.
Vom Äußeren und vom Habitus des Angreifers her schließt Kindler, dass der aus dem Spektrum der Autonomen Nationalisten in der Landeshauptstadt kommen müsse. In den vergangenen Jahren wurden aus der Szene immer wieder Übergriffe und Straftaten verübt. „Der Angriff zeigt, dass rechte Gewalt in Hannover und der Region ein ernst zu nehmendes Thema ist“ sagt Kindler. Der Vorfall sei nichts Besonderes: „Was ich erlebt habe, erleben leider viele Menschen, die sich gegen Rechts engagieren, immer häufiger: Sie werden angegriffen und bedroht.“
Durch den spontanen Übergriff will sich Kindler nicht von weiterem zivilgesellschaftlichen Engagement „gegen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ abbringen lassen. „Jetzt erst recht. Ich werde weiter gegen Nationalisten aktiv sein“, sagt der Politiker.
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