Asylstreit zwischen Dublin und London: Zurück ins sichere Britannien
Seit dem britischen Ruanda-Plan suchen immer mehr Asylbewerber Zuflucht in Irland. Die irische Regierung will das ändern – und legt sich mit London an.
Der Plan, Asylbewerber nach Ruanda zu schicken, trage Früchte, frohlockte der britische Premierminister Rishi Sunak. Tausende haben das Land bereits verlassen – und zwar nach Irland via Nordirland über die inner-irische Landgrenze.
britischer Premierminister Rishi Sunak
Die Regierung in Dublin will dem nun einen Riegel vorschieben. Sie hat am Dienstag ein Notstandsgesetz verabschiedet, wonach das Vereinigte Königreich als „sicheres Land“ eingestuft wird, damit die Asylbewerber zurückgeschickt werden können. Sunak hat wiederum erklärt, er werde sie nicht aufnehmen.
Er sei „nicht an einem Abkommen mit Dublin interessiert“, sagte er in einem Interview mit ITV: „Wir werden keine Rückführungen aus der Europäischen Union über Irland akzeptieren, wenn die EU keine Rückführungen nach Frankreich akzeptiert, woher die illegalen Migranten kommen. Natürlich werden wir das nicht tun.“
Der britische Innenminister James Cleverly hatte ein Treffen mit Irlands Justizministerin Helen McEntee abgesagt, sie hat im Gegenzug ihre geplante Reise zu Gesprächen nach London storniert.
Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris und der irische stellvertretende Premier Micheál Martin versuchten, den Streit bei einem Treffen in London am Montag herunterzuspielen. „Wir werden all dies natürlich sehr genau verfolgen und weiterhin mit der irischen Regierung in diesen Angelegenheiten zusammenarbeiten“, sagte Heaton-Harris und fügte hinzu, dass „wir auf keinen Fall unsere Beziehungen zu Irland stören wollen“.
Irland bemerkt Veränderungen im Migrationsmuster
Der Oberste Gerichtshof in Dublin hatte im März die Rückführung von Asylbewerbern aus dem Vereinigten Königreich blockiert. Grund waren Bedenken gegen den Plan der britischen Regierung, Asylbewerber nach Ruanda zu schicken. Mit dem Notstandsgesetz ist das Urteil des Gerichts hinfällig.
Justizministerin McEntee hat vorige Woche erklärt, mehr als 80 Prozent der Menschen, die in Irland Asyl beantragen, kämen aus dem Vereinigten Königreich über Nordirland. Martin schränkte das am Dienstag etwas ein. „Es handelt sich nicht um eine Statistik, eine Datenbank oder eine Evidenzbasis“, sagte er. „Es hat aber eine Veränderung im Migrationsmuster gegeben.“
Die Zahlen belegen das. In den ersten drei Monaten dieses Jahres haben 4.715 Menschen direkt beim International Protection Office in Dublin Asyl beantragt, verglichen mit 420 Personen, die an Flughäfen oder Seehäfen einen Antrag gestellt haben. Vor fünf Jahren lag das Verhältnis noch bei 1:1, voriges Jahr bei 4:1 und nun bei 10:1. Da es keine Grenzkontrollen zwischen Nordirland und Irland gibt, weil eine offene Grenze Priorität bei den Brexit-Verhandlungen hatte, sind die Zahlen jedoch Schätzungen.
Streit zwischen Dublin und London verschärft sich
Die Dubliner Regierung sagt, dass der erhebliche Rückgang der Zahl der Antragsteller an den Flughäfen auf den Erfolg von Maßnahmen wie der strengeren Durchsetzung der Haftungsverpflichtungen der Fluggesellschaften sowie der beschleunigten Bearbeitung von Anträgen aus sicheren Ländern zurückzuführen sei. So ist die Zahl der Antragsteller aus Georgien beispielsweise deutlich zurückgegangen.
Der diplomatische Streit zwischen Dublin und London wird durch das Notstandsgesetz verschärft. Sowohl Sunak, als auch Cleverly sind der Meinung, dass die Angelegenheit Irlands Problem sei. Schließlich habe die Dubliner Regierung bei den Brexit-Verhandlungen auf einer offenen Grenze bestanden. Großbritannien sei deshalb nicht verpflichtet, Asylbewerber zurückzunehmen.
Irlands Regierungschef Simon Harris sagte hingegen, dass die Notstandsgesetzgebung lediglich einer Vereinbarung Rechtskraft verleihe, die ohnehin mit dem Vereinigten Königreich seit 2020 bestehe: „Wir schaffen lediglich rechtliche Klarheit in Bezug auf diese Vereinbarung, was uns erlaubt, das Vereinigte Königreich als sicheres Land einzustufen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen