Asylgesetze in der EU und Frankreich: Die Mitte ist rechts
Das politische „Zentrum“ macht sich zum Komplizen des rechten Rands – nicht nur beim EU-Asylrecht. Das hat systemische Gründe.
D ie Schande kommt als Kompromiss der „Gemäßigten“ daher: Lager an den EU-Außengrenzen, in denen sogar Kinder eingesperrt werden, Abschiebung in sogenannte sichere Drittstaaten und Asylentscheide nach fragwürdigen Schnellverfahren – das Gemeinsame Europäische Asylsystem (Geas) entrechtet Menschen. Parteien wie SPD und Grüne klopfen sich für das Umsetzen dieser zivilisatorischen Katastrophe deshalb nicht minder selbst lobend auf die Schulter. Die sogenannte Mitte macht sich ohne Not zum größten Komplizen des rechten Rands.
Ähnlich in Frankreich. Dort wurde der Präsident der „Mitte“, Emmanuel Macron, zwei Mal unter anderem gewählt, weil er in der Stichwahl gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen auch seinen Gegner*innen als das „kleinere Übel“ galt. Nach jahrelanger Politik des Sozialabbaus lässt seine Regierung nun die letzten Masken fallen. Das neue „Einwanderungsgesetz“ sieht eine Zweiklassengesellschaft vor, in der Menschen ohne französische Staatsbürgerschaft erst nach fünf Jahren Anspruch auf Sozialleistungen haben. Menschen, die oft erst die Sprache lernen müssen und auf ihre Arbeitserlaubnis warten. Auch kann die französische Staatsbürgerschaft aufgrund von Delikten künftig denjenigen entzogen werden, die noch eine anderen Nationalität besitzen. Was sind gleiche Rechte für alle, wenn einigen Menschen diese Rechte im Ernstfall genommen werden? Le Pen feierte das Gesetz konsequenterweise als einen „ideologischen Sieg“.
Dass die Mitte den Rechtsextremen hier wie dort derart erbärmlich nach dem Mund redet, ist kein Versehen – sondern systemisch angelegter Opportunismus: Vertreter*innen dieser Mitte verfolgen eine radikale Marktlogik. Daraus kann nie Humanismus erwachsen und somit auch keine ernst zu nehmende Brandmauer gegen rechts. Über Menschenrechte kann in dieser Logik eher verhandelt werden als über die Schuldenbremse, einen Eckpfeiler der neoliberalen Ideologie.
Geht es um Sozialpolitik, kann die Mitte vermeintlich nicht anders, als zu sparen und zu kürzen – auch gegen die Interessen der Mehrheit. Geht es um Einwanderung, gibt dieselbe Mitte vor, dass auf die populistischen Tendenzen in der Bevölkerung nun einmal gehört werden müsse. So, wie der „grüne“, klimafreundliche Kapitalismus eine logische Unmöglichkeit ist, so ist auch die Idee eines humanistischen Kapitalismus ein Widerspruch in sich. Die grüne Partei verkörpert diese doppelte Lüge – und deren Auffliegen. Das macht sie zwar nicht zu einer rechtsextremen Partei. Für jene Kinder, die fortan in Lagern an den EU-Außengrenzen inhaftiert sein werden, ist diese Politik im Ergebnis jedoch das gleich große Übel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen