Asyl- und Migrationspolitik der Ampel: Grüne ringen um ihre Grenzen
Die Hardliner-Forderungen von Friedrich Merz weisen die Grünen einhellig zurück. Über den eigenen Kurs gibt es intern aber Diskussionen.
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Dass die Union in einem nationalen Alleingang Flüchtlinge zurückweisen will und das Spitzengespräch mit der Ampel am Dienstag verlassen hat – zumindest ein Stück weit kommt es den Grünen gelegen.
So weit wie Merz wollen sie nicht gehen, auf dieses Stoppschild können sie sich einigen. Sogar in der Koalition traten interne Streitigkeiten kurzzeitig in den Hintergrund: Dass man europäisches Recht einhalten will, ist in der Ampel noch Konsens. Und noch ein positiver Nebeneffekt für die Grünen: In Abgrenzung zur CDU erscheinen sie fast wieder wie Garanten einer halbwegs liberalen Migrationspolitik.
Zumindest rückt ein Stück weit in den Hintergrund, welche Verschärfungen sie in ihrer Regierungszeit schon alle mitgetragen haben und mutmaßlich noch mittragen werden. Erst in dieser Woche ging das sogenannte Sicherheitspaket, auf dass sich die Ampelspitzen vor anderthalb Wochen geeinigt hatten, in den Bundestag. Es beinhaltet unter anderem die Streichung von Sozialleistungen für sogenannte Dublin-Flüchtlinge, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind.
In der Fraktionssitzung der Grünen wurde es ausgiebig kritisiert. Zur Diskussion stand sogar, die Einbringung ins Parlament zu verzögern. Am Ende gab es keine Mehrheit dafür, aber die Ankündigung der Fraktionsspitze, die Gesetzesänderungen „sehr ausführlich“ zu prüfen.
Doch während die parlamentarischen Beratungen über das eine Sicherheitspaket erst anlaufen, hat die Regierung im Windschatten der Aufregung um Merz schon die nächste Verschärfung auf den Weg gebracht: noch härtere Maßnahmen zur Abschiebung von Dublin-Flüchtlingen, nach Möglichkeit auch mittels Haft für die Betroffenen in Grenznähe. Die genaue Ausgestaltung ist noch unklar. Es gebe rechtliche Vorgaben dafür, wer eingesperrt werden darf, sagte die grüne Außenministerin Annalena Baerbock. Grundsätzlich sei ihre Partei aber „aus vollem Herzen“ dabei.
„Was zur Hölle?“
Dagegen gab es, bei aller Einigkeit gegen Hardliner Merz, am Mittwoch aber doch Widerspruch aus den eigenen Reihen. „Inhaftierung & Pushbacks an deutschen Grenzen? Da sage ich aus vollem Herzen: Was zur Hölle?“, schrieb Svenja Appuhn, Sprecherin der Grünen Jugend, auf der Plattform X.
Parteimitglieder kritisierten schon zuvor in einem offenen Brief den Kurs der letzten Wochen. „Wir als Parteibasis sind besonders alarmiert, weil wir den Rechtsruck nicht nur in der Gesellschaft spüren, sondern auch zusehen müssen, wie unsere Partei dem Diskurs folgt“, heißt es darin. Bis Mittwochmittag hatte der Brief 1.300 Unterschriften.
Gut möglich, dass auch der Parteitag im November von der Diskussion geprägt wird, statt von der publikumswirksamen Kür Robert Habecks zum Kanzlerkandidaten. Schon auf dem letzten Parteitag diskutierten die Grünen intensiv über die Asylpolitik. Mit einer Brandrede brachte der Vizekanzler die Delegierten damals auf seine Seite.
Aus dem linken Flügel heißt es, damit würde er diesmal nicht mehr durchkommen. „Wenn Robert Habeck will, dass seine Partei für ihn in einem Jahr Wahlkampf macht, dann muss er jetzt migrationspolitisch das Ruder rumreißen“, sagt ein Mitglied der Bundestagsfraktion.
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