Arnold Schwarzenegger wird 75: Vom Herkules zum Gouverneur
Einst posierte er nackt in Trashfilmen, später prägte er Kaliforniens nachhaltige Umweltpolitik: Arnold Schwarzenegger wird 75. Eine Würdigung.
Ein Brustumfang von 145 Zentimetern, 86 Zentimeter Taille, das Ganze perfekt proportioniert auf 188 Zentimeter Körpergröße. 145 – 86 – 188, das waren die offiziellen Maße in seinen besten Zeiten. Die Zahlen liegen nahe an der „Golden Body Ratio“ für Bodybuilder.
Und Spaß macht das alles angeblich auch noch: In George Butlers und Charles Gaines’ brillantem Dokumentarfilm „Pumping Iron“ von 1977, der verschiedene Bodybuilder bei den Vorbereitungen für die Wettbewerbe „Mr. Universe“ und „Mr. Olympia“ sowie deren Wettkampfposings durch das Jahr 1975 begleitet, erzählt ein gut gelaunter, 28-jähriger Arnold Schwarzenegger in einem gemusterten 70s-Poloshirt von seiner Leidenschaft für das Training.
„Wir nennen es the pump, wenn das Blut schnell in die Muskeln strömt. Das fühlt sich fantastisch an! Genauso befriedigend, wie beim Sex zu kommen!“ Wie im Himmel sei das, strahlt er, immer und überall Orgasmen haben dürfen, „that’s terrific!“
Es ist dieser eigenwillige Mix aus bodypositiver Unbeschwertheit, latent ungesundem Sport-Regime und der naiven Gelöstheit eines erstaunlich talentfreien Laiendarstellers, der Schwarzeneggers On-Camera-Charme ausmacht. Und der ihn jetzt, an seinem 75. Geburtstag, noch immer von ähnlich testosteronfreundlichen Genre-Kollegen (Sylvester Stallone, Vin Diesel, „The Muscles from Brussels“ Jean-Claude Van Damme) unterscheidet:
Bereits in seinem ersten Film, dem 1969 entstandenen B-Movie „Hercules in New York“, dessen Thema (mythologischer Gott wird von entzürntem Paps in die moderne USA verbannt) auf eine spielerische Art Marvels spätere Thor-Bearbeitungen mit dem ähnlich gestalteten Chris Hemsworth (116 – 83 – 192) antizipierte, poste er mehr, als dass er spielte.
Se same old sings
„I’m taired of se same old sings“, bricht sich der starke österreichische Dialekt in einem der albernen Dialoge Bahn. Der als Kultfilm geltende Trash-Streifen wurde zunächst komplett nachsynchronisiert. Und Schwarzenegger, der seine Herkunft aus einer strikten Polizistenfamilie in einer steierischen Gemeinde im Schatten des Plabutsch (754 Meter über der Adria) klanglich nie ganz verbergen konnte, musste lernen, seinen Akzent zu kultivieren und einzusetzen.
Oder die Klappe zu halten – und tatsächlich die Muskeln „spielen“ zu lassen. 1973 haute das in Robert Altmans atmosphärischer Raymond-Chandler-Adaption „The Long Goodbye“ (mit Elliott Gould als Privatdetektiv Marlowe) schon ziemlich gut hin: Schwarzenegger, damals probeweise unter dem einfallsreichen Künstlernamen „Arnold Strong“ unterwegs, ergatterte eine dialogfreie Statistenrolle als Body(builder)guard des Antagonisten.
In einer zwischen Gewaltfantasie und Homoerotik schwankenden Kulminationsszene am Ende des großartigen Krimis verlangt der Gangster Augustine von Marlowe und allen Bodyguards im Raum, sich auszuziehen. Als Marlowe sich sträubt, gehen die Kleinganoven rund um Augustine mit gutem Beispiel voran und entledigen sich ihrer Kleidung. Schwarzenegger sticht – trotz seiner sprachlosen Performance – dabei selbstredend ins Auge.
Einige Filmminuten zuvor hatte Marlowe sich über ein paar Polizisten aufgeregt, die seiner Ansicht nach nicht genug tun, um einen Mord aufzuklären, und wütend gesagt: „Ich rufe Ronald Reagan an!“ Reagan war zu Produktionszeiten des Films Anfang der 70er der Gouverneur Kaliforniens – Schwarzenegger brauchte noch ein paar Jahre, bis er seiner Karriere eine andere Richtung gab und dem Ex-Schauspieler Reagan folgte.
Zunächst tummelte sich „The Austrian Oak“ posierend, radebrechend und (je nach Barbarenmode) leicht bekleidet durch Actionfilme und machte gute Miene in harmlosen Komödien wie „Der Kindergarten-Cop“ oder „Versprochen ist versprochen“.
Ganz kalt sein
In James Camerons 1984 erschienenem „Terminator“ hatte er darüber hinaus so etwas wie eine Bestimmung gefunden: Sein Nicht-Spiel, und die steiermärkisch herausgehusteten „I’ll be back“-Satzfetzen passten zur Figur des Androiden T-800 wie die 80er-Sonnenbrille ins kantige Gesicht.
„Vor Wettkämpfen habe ich mich immer darin geschult, ganz kalt zu sein, keine Gefühle zuzulassen, damit mich nichts ablenkt“, hatte er in der Bodybuilder-Doku ein paar Jahre zuvor erklärt. Das „Kalte“ wurde – ebenso wie das arg reduzierte Terminator-Vokabular – zum Markenzeichen der Killermaschine aus der Zukunft, deren Reiz in den späteren Filmen der Reihe vor allem in der Ahnung davon lag, dass sie eben doch so etwas wie ein Herz haben könnte.
Das zu zeigen, wird vom Darsteller Schwarzenegger selten gefordert: In John McTiernans martialischen SciFi-Horrorspektakel „Predator“ von 1987 begrüßt der Protagonist Major Dutch (Schwarzenegger) seinen Haudegen-Kumpel Dillon (Carl Weathers) mit einem Handschlag, der sich in Sekundenschnelle in spontanes Männer-Armdrücken mit hervortretendem Bizeps und pochenden Adern wandelt.
Ausnahmsweise eine andere Figur machte Schwarzenegger 2005 in dem schweizerisch-amerikanischen Zombie-Drama „Maggie“, in dem er einen sorgenvollen Vater spielt, dessen Tochter – wie alle anderen Menschen – an einem Zombie-Virus zu erkranken droht.
Der Independent-Film, der so gar nicht zur sonstigen Auswahl des Blockbuster-Connaisseurs passt, zeigt dunkle, nachdenkliche Nahaufnahmen, und Schwarzeneggers schon grotesk-maskuline Statur bekommt durch die sensibel tastende Kameraarbeit und die zarte Geschichte eine andere Konnotation: „Maggie“ ist das seltene Beispiel für eine Schwarzenegger-Figur, die trotz ihrer übermächtigen Physis machtlos ist.
Bodybuilding statt Fußball
„Ich habe immer von mächtigen Menschen geträumt, an die man sich lange erinnert“, sagte Schwarzenegger in der erwähnten Doku von 1975. Darum begann er das Bodybuilding – er habe damals etwas gesucht, was ihn in die USA bringt, erzählte er mir in einem Interview anlässlich des Filmstarts von „Terminator 5“ im Jahr 2015, und sowieso habe er einfach nicht Fußball wie alle anderen spielen wollen.
Schwarzenegger, der seit Jahren ausschließlich Englisch spricht, saß bei jenem Interview gelassen in einem Hotelzimmer in Mitte, ließ sich kein bisschen von den knapp getimten Gesprächs-Slots beeindrucken, und als mein Aufnahmegerät urplötzlich den Geist aufzugeben drohte, beruhigte er mich: „Lassen Sie sich Zeit! Das kann absolut jedem passieren! Wir sprechen einfach länger.“
Er wirkte nicht wie ein Hollywood-Schauspieler – dafür fehlte ihm das Interesse an den Backstories und dem Erkunden der unterschiedlichen Rollen, die Eitelkeit und die „Durchlässigkeit“. Auch nicht wie ein Politiker – dafür war er zu vergnügt, zu dankbar für das, was er erreicht hat.
Dabei unterstützte der seit 1983 als US-amerikanischer Staatsbürger lebende Schauspieler und Sportler seit Mitte der 80er Jahre die Republikaner.
2003 wurde Schwarzenegger zum Gouverneur Kaliforniens gewählt. Während seiner ersten vierjährigen Amtszeit sprach er sich gegen gleichgeschlechtliche Ehen aus, aber auch gegen die Idee, eine Mauer zwischen Mexiko und den USA zu errichten. Umweltpolitik lag ihm am Herzen: 2006 unterschrieb er ein Gesetz, das den Treibhauseffekt eindämmen sollte.
Die Erfahrungen aus der Kindheit, ohne fließendes Wasser aufzuwachsen, hätten ihn zu einem umweltbewussten Menschen gemacht, sagte er mir – eine Geschichte, die ebenso gut als politisches Storytelling funktioniert.
Einmischung per Video in Politik
In Schwarzeneggers zweiter „Gouvernator“-Amtszeit bis 2011 verdichtete sich seine Bemühungen für die Umweltpolitik. Später wurde er zu einem wahrnehmbaren Trump-Kritiker: Seine per Twitter geteilte, in einem symbolträchtigen Büro aufgenommene Videokritik am Sturm auf das Kapitol ging 2021 viral.
In dem über sieben Minuten langen Clip redet er – zu rechtefreier Pathos-Musik – von seiner eigenen Geschichte, von den Traumata seines Vaters und Großvaters, die darunter gelitten hätten, nichts gegen die vielen grausamen Kriegsverbrechen getan zu haben. Er vergleicht den Sturm auf das Kapitol mit der „Kristallnacht“ – die Gefahr der Relativierung sieht Schwarzenegger, ähnlich wie viele andere US-Amerikaner:innen, anscheinend nicht so eng.
Als er sich im März dieses Jahres per Video in die Politik einmischte, war sein Appell sogar noch eindringlicher: Mit der Überschrift „An meine russischen Freunde“ veröffentlichte er (unter anderem auf Telegram) ein zehnminütiges, russisch untertiteltes Video, in dem er die „Entnazifizierungs“-Lüge benennt, das Handeln Putins und des Kremls verurteilt und die russischen Soldaten auffordert, sich gegen ihre Befehlshaber zu stellen:
„Das ist nicht der Krieg zur Verteidigung Russlands, den eure Großväter oder Urgroßväter geführt haben“, sagt er mit einem Hinweis auf die Taten seines eigenen Vaters, der als SS-Mann im Zweiten Weltkrieg „den Lügen seiner Regierung“ geglaubt hatte und als „gebrochener Mann“ aus dem Krieg gekommen sei.
Seinen 75. Geburtstag feiert der fünffache, in einem Fall außereheliche Vater (mittlerweile auch Großvater), der 2019 noch mal neben einem computergenerierten Terminator-Alter-Ego im Kino zu sehen war, vermutlich mit einem veganen Menü – er lebe seit Jahren vegan, sagte er 2022, und fühle sich damit jünger.
Vielleicht würde auch ein Joint helfen: In der erwähnten Dokumentation von 1975 liegt er nach dem sechsten Sieg des „Mr. Universe“ in einem „Arnold is Numero Uno“-Sweatshirt im Kreise weiterer Muskelmänner mit Wein und Fettgebackenem auf dem Sofa und zieht kräftig einen durch. Gut für die Muskelentspannung ist das allemal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann