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Geplante Justizreform in ItalienDas Revanchefoul

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Italiens rechte Regierung erklärt per Dekret 19 Staaten zu sicheren Herkunftsländern und schießt gegen die Justiz. Dahinter steckt ein langfristiger Plan.

Stört sich an der Unabhängigkeit der dritten Gewalt: Italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Foto: Francesco Fotia / Avalon/imago

I m Sport würde man das wohl als Revanchefoul bezeichnen. Kaum hatte ein Gericht am Freitag der italienischen Rechtsregierung auferlegt, die ersten zwölf ins neue Lager auf albanischem Boden geschafften Flüchtlinge zurück nach Italien zu bringen, da konterte Ministerpräsidentin ­Giorgia ­Meloni am Montag mit einem Gesetzesdekret. Es soll mit der endgültigen Festlegung der „sicheren Herkunftsländer“ weitere Richtersprüche unmöglich machen, die wie jener am Freitag mit der fraglichen Sicherheit in Ländern wie Ägypten oder Bangladesch argumentieren.

Natürlich geht es der postfaschistischen Regierungschefin in erster Linie darum, ihre „albanische Lösung“ zu retten und eine peinliche Pleite, gar die Schließung der gerade erst errichteten Lager auf der anderen Seite der Adria zu vermeiden.

Doch zugleich zieht sie, zieht ihre Rechtskoalition in eine zweite, in eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Justiz. Schon seit Silvio Berlusconis Zeiten stört sich Italiens Rechte immer wieder an der Unabhängigkeit der dritten Gewalt, ruft sie immer wieder nach Reformen, die den Spielraum der Staatsanwaltschaften ebenso wie der Gerichte einschränken sollen.

Jetzt ist es wieder so weit. Rund um das gerade verabschiedete Dekret klangen die Töne aus der Rechtskoalition über Richter*innen, die angeblich ihre Befugnisse überschreiten, über die „politisierte“, „linke“, ja „kommunistische“ Justiz so schrill wie lange nicht mehr. Garniert wurden die Ausfälle mit dem Versprechen, nun erst recht und beschleunigt eine Justizreform im Parlament voranzutreiben. Deren Ziel ist es letztlich, die bisher völlig unabhängigen Staatsanwaltschaften der Exekutive unterzuordnen.

Das Ziel ist es, die bisher unabhängigen Staatsanwaltschaften der Exekutive unterzuordnen.

Dass der Konflikt der regierenden Rechten mit der Justiz jetzt auf dem Feld der Flüchtlingspolitik ausgetragen wird, kommt Meloni und ihren Alliierten durchaus zupass: Die von ihnen vorangetriebene Abschottungspolitik gegen Mi­gran­t*in­nen erfreut sich hoher Popularität – einer Popularität, die ­Meloni jetzt nutzen will, um sich die Justiz endlich gefügig zu machen.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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15 Kommentare

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  • Schade, dass man nicht mehr erfährt. Kann denn die Regierung einfach Länder als sicher definieren und die Gerichte müssen das aktzeptieren?

  • Die (post-faschistische) Katze lässt halt das Mausern nicht … wer glaubt, Faschisten würden die Dritte Gewalt respektieren und sich irgendwie im Rahmen des EU-Rechts einhegen lassen - wie wir sehen, wird das gerade entsprechend deren Bedürfnissen angepasst - , sieht sich jetzt eines Besseren belehrt und sollte mal schnellstens aufwachen.



    Denn was sollte Meloni anders wollen als die Trumps, Le Pens, Orbans, Erdogans und Putins dieser Welt?



    Die Asylpolitik ist derzeit nur die Folie für den faschistischen Gesellschaftsumbau … sie werden dabei nicht stehen bleiben, denn die haben schließlich noch Visionen.

  • An dieser Stelle eine Bitte an alle Wähler*innen, die mit ihrer Stimmabgabe an die AfD/BSW den anderen Parteien einen Denkzettel verpassen wollen: seht Euch das alles ganz genau an, was da in Italia, Ungarn usw. passiert. Da wird die Demokratie geschreddert, stetig und sicher. Wenn das weitergeht mit "unseren" Extremisten, dann könnt Ihr keinen Denkzettel mehr verteilen - das ist dann passé....

  • "...stört sich Italiens Rechte immer wieder an der Unabhängigkeit der dritten Gewalt, ruft sie immer wieder nach Reformen, die den Spielraum der Staatsanwaltschaften ebenso wie der Gerichte einschränken sollen."



    Das eigentlich erschütternden ist ja, dass das im Drehbuch jeder autoritären Organisation steht, es kein Geheimnis ist, und die Leute trotzdem immer wieder davon überrascht werden.

  • Das Bittere ist, dass wir inzwischen so weit auf den Hund gekommen sind, dass der Migrant so ziemlich als Hebel für alles eingesetzt werden kann -- Hauptsache, wir müssen nichts von unserem -- lange Zeit auf Kosten anderer angehäuften -- Wohlstand abgeben.

  • Postfaschisten sind in der Regel Faschisten mit feineren Manieren, aber mit den gleichen Zielen. So auch Meloni, die Machtergreifung folgt nicht durch den Marsch auf Rom, heutzutage gibt’s dafür Parlamente und Volksabstimmungen. Alles super legal und gewaltfrei (zumindest für die Anhänger), am Ende lebt man gern in der De-Facto-Diktator, Melonisierung abgeschlossen.

  • Wünsche alles Schlechte Meloni & Co •



    Alles Gute der italienischen Justiz & drücke die Daumen -

    unterm—- da capo al fine — basta Berlusconi -



    www.youtube.com/wa...VybHVzY29uaQ%3D%3D



    Wiglaf Droste und das Spardosen-Terzett



    & sodele =>



    Es lebe der “„Oberster Gerichtsrat“; Consiglio Superiore della Magistratura, CSM“



    de.wikipedia.org/w...htswesen_(Italien)

  • Eher eine Frage als ein Kommentar. In D sind die Staatsanwaltschaften der Länder weisungsgebunden, also dem jeweiligen Justizministerium und schlußendlich dem Justizminister unterstellt.



    Wie würden die fachkundigen Experten die faktische Auswirkung dieser Unterordnung der Judikative unter die Exekutive in D bewerten? Gibt es hierzu Beispiele, in denen Ministerien/Minister Ermittlungen erschwerten oder unterbanden ?



    Bonusfrage: Wie sind die Justizsysteme andere europäischer Länder (Frankreich, Spanien, England, Schweiz, ...) einzuordnen, unabhängig wie IT oder weisungsgebunden wie D ?

  • "Das Ziel ist es, die bisher unabhängigen Staatsanwaltschaften der Exekutive unterzuordnen."

    Also wie in Deutschland, wo die Staatsanwaltschaft weisungsgebunden ist?

  • Ich bin für eine unabhängige Justiz.



    Sie soll Gesetze überprüfen und auf Fehler hinweisen.



    Aber wenn es Gründe gibt die ein Gesetz ungültig machen dann ist es eben auch möglich die Grundlagen so zu ändern das das Gesetz diesen wieder genügt. Denn sonst wäre die Justiz ja höher zu bewerten als der Wille des souverän.

  • Was Rechte tun, ist und war bereits in anderen (zB europäischen) Staaten zu "bewundern": unabhängige Justiz und zivilgesellschaftliche Reichweiten zerstören. Im Anschluss daran Gleichschaltung der Meinung durch Übernahme der Deutungshoheit; Abweichler stoßen zuerst über das soziale Entdecktwerden bzw soziale Konflikte an Grenzen .. bis dann später wieder Menschen ganz verschwinden und nicht mehr auftauchen, oder angeblich 'weggezogen' ist.

  • Revanche Foul?



    Melono macht vor, wie es geht. Wie es Faschisten zu tun: als erstes die Legimität der Richter in Frsge stellen ...



    siehe Trump und sein Team

  • Von Monaco lernen heißt siegen? Mit Giorgia wird es in Italien bald so sein wie in Bayern. Was würde Markus dazu sagen? Wird Giorgia zur nächsten internen Strategiesitzung der CSU geladen? Wir wissen es nicht, doch sind die Rechten und Rechtsextremisten im Mindeset doch nicht mehr weit auseinander. Lassen wir uns überraschen, wie lange es noch dauern wird, bis die Italiener mit den Deutschbayernösterreichern wieder marschieren.

  • Die Sache ist hochbrisant, aber bei weitem nicht so einseitig wie es der Artikel insinuiert. Ich folge hier Philip Manows Argumentation in seinem Buch „(Ent-)Demokratisierung der Demokratie“. Manow beschreibt, dass die Demokratie von 2 Seiten unter Beschuss steht: Von den Populisten, die sie (in ihrem Sinne) ausweiten und dabei juristische und institutionelle Grenzen aufbrechen und die als übergriffig angesehenen Gerichte zurechtstutzen wollen (Meloni jetzt gerade!), um den Raum des politisch Machbaren zu erweitern. Klar gefällt das dem TAZ-Leser und vielen anderen Demokraten nicht. Aber das ist der Move Melonis hier gerade und er hat laut Manow durchaus seine Berechtigung. Punkt. Denn hier steht die Idee der Volkssouveränität, ohne die wir Demokratie nicht haben, in Frage und in gewisser Weise agiert Meloni auch in diesme Sinne.



    Der Entzug demokratischer Einflussmöglichkeiten durch internationale Verträge, Supranationalismus, (quasi) gesetzsetzende Gerichte aber ist definitiv auch eine Gefahr für die Demokratie gerade weil diese die Volkssouveränität und den Gestaltungsspielraum abwürgt. Dieser Strang will das liberale Erbe wahren, aber das erzeugt Schäden an der Volkssouveränität