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DDR-Vertragsarbeiter aus MosambikWarten auf Lohn seit 34 Jahren

Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zubke fordert Entschädigungen für DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik. Die DDR behielt damals einen Teil des Lohns ein.

Madgermanes: So nennen sich Mosambiks einstige DDR-Vertragsarbeiter, hier im September vor dem Arbeitsministerium in Maputo Foto: Gioia Forster/dpa

Berlin taz | Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke und das Deutsche Institut für Menschenrechte fordern gemeinsam mit Betroffenen und Kirchenvertretern in einem Appell an den Bundestag eine Entschädigung für DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik. Ihnen waren von der DDR Lohnteile nicht ausgezahlt worden. Die Entschädigung soll noch in dieser Legislaturperiode erfolgen, so die Forderung.

Ab 1979 kamen insgesamt 17.000 Vertragsarbeiter aus dem afrikanischen Land in die DDR. Ihnen war eine Ausbildung versprochen worden, doch viele landeten auf Arbeitsplätzen, die sonst niemand haben wollte wie in der Braunkohle- oder Fleischindustrie. Die Betriebe zahlten ihnen nur einen Teil ihrer Löhne aus. Oberhalb eines Sockelbetrages von 350 Mark wurden bestimmte Prozente, die von Jahr zu Jahr unterschiedlich hoch waren – zum Schluss waren es 60 Prozent – von der DDR einbehalten. Den Vertragsarbeitern wurde mündlich und schriftlich zugesagt, sie würden diese Lohnteile nach ihrer Rückkehr nach Mosambik in der dortigen Landeswährung ausgezahlt bekommen. Tatsächlich floss das Geld aber in den Staatshaushalt der DDR und wurde mit den Staatsschulden Mosambiks bei der DDR verrechnet. Die Frauen und Männer mussten also mit ihrer Arbeit Schulden ihres Staates abbezahlen.

„Das ist Unrecht, das von deutschem Boden ausging“, so Zupke in der Bundespressekonferenz in Berlin am Montag. Sie fordert vom Bundestag eine Entschließung, die das Unrecht anerkennt und sich der historischen Verantwortung stellt. Zudem soll der Bundestag einen Entschädigungsfonds einrichten. Von den 17.000 ehemaligen Vertragsarbeitern leben heute rund 2.000 in Deutschland. Von den 15.000 nach Mosambik Zurückgekehrten sei nach Schätzung der sehr gut organisierten Betroffenen inzwischen jeder Dritte verstorben. Verantwortlich dafür seien die widrigen Lebensumstände, die fehlende Krankenversicherung sowie die Ausgrenzung, die die DDR-Rückkehrer in Mosambik erfahren, sagt David Macao, der im Tagebau Hoyerswerda Vertragsarbeiter war.

Unklar ist allerdings, warum die Initiative nur ehemalige Vertragsarbeiter aus Mosambik und nicht auch diejenigen aus Angola entschädigen möchte, denen es ähnlich erging. Aus diesem Staat arbeiteten lediglich rund 1.500 Vertragsarbeiter in der DDR. Auf dem taz lab im April stellte Augusto Jone Munjanga aus Eberswalde dar, dass auch den Angolanern ein Teil ihres Lohnes zur Begleichung von Staatsschulden ihres Landes abgezogen wurde. Allerdings ist die kleine Zahl der Angolaner wesentlich schlechter organisiert als die Mosambikaner, sie verschaffen sich kaum Gehör.

„Von beiden Ländern betrogen“

Auch vietnamesischen Vertragsarbeitern wurden Lohnteile von den DDR-Betrieben abgezogen. 12 Prozent ihres Bruttolohnes flossen als „Hilfe zum Wiederaufbau des Landes“ in die vietnamesische Staatskasse. Da das aber von Anfang an korrekt kommuniziert wurde, gibt es bis heute keinerlei Forderungen von Vietnamesen nach Rückzahlung dieser Gelder. Vietnam hat im Vergleich zu Mosambik zudem einen Wirtschaftsaufschwung hingelegt, sodass die sozialen Probleme der Betroffenen nicht vergleichbar sind.

Zur Wahrheit gehört aber, dass die Bundesregierung 1993 dem mosambikanischen Staat rund 75 Millionen Mark an Entwicklungszusammenarbeitsgeldern überwies, die für die ehemaligen Vertragsarbeiter vorgesehen waren. Das Geld versackte allerdings größtenteils in korrupten Strukturen und kam nur bei ganz wenigen Betroffenen an. Wegen der gezahlten Leistungen sieht die Bundesregierung heute keinen Handlungsbedarf mehr.

Entsprechend verwundert es nicht, dass der ehemalige mosambikanische Vertragsarbeiter David Macao sagt: „Ich fühle mich bis heute von beiden Ländern betrogen.“

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19 Kommentare

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  • Ich sehe ehrlich gesagt nicht wo das ein Problem von Deutschland ist.



    Es is ein Problem von den entsprechenden Ländern (Mosambik und Angola), sprich ein lokales Problem. Und auch deren Korruptionsproblem/ Kommunikation Problem.



    "Historische Verantwortung" sieht wahrlich anders aus.



    Wenn die Vietnamesische Regierung hat es kommuniziert warum sind wir in Deutschland für die falsche oder nicht vorhanden Kommunikation verantwortlich?

  • "Von den 1.000 ehemaligen Vertragsarbeitern leben heute rund 2.000 in Deutschland."

    Sehr interessant. Man lernt nie aus.

  • Ich weiß nicht ob es so Zweifelhaft ist, die Staatsschulden mit der Arbeit der Bürger abzudecken. Das klingt erst seltsam, aber dazu sollte man bedenken, das die Sicherheitsleistung für Staatsschulden, immer das Eigentum des Staates UND der Bürger ist.



    Übrigens auch bei uns. Jeder von uns bürgt mit seinem Eigentum für die Schulden Deutschlands...



    So richtig Zweifelhaft ist das bei genauer Betrachtung also nicht.

    Aber ohne Zweifel mies, keine Frage.



    Nur weiß ich nicht in wie Fern jetzt die Bundesrepublik verantwortlich ist, oder sogar dafür aufkommen soll, das die DDR damals entschieden hat es so zu machen.



    Ich hätte es anders gemacht, und mehr die Arbeiter im Blick gehabt.

    Aber ob es eine Pflicht unsererseits Begründet das sie es anders machten, zweifel ich an. Denn wie gesagt, sooo Zweifelhaft ist das Vorgehen gar nicht.



    Wenn DE mal Pleite ist, kann ebenfalls an das Eigentum (also den Lohn für die Arbeit) bei uns, ran gegangen werden. Kann jeden passieren.

    Außer man ist Anarchist und lässt sich nicht von seinem Staat so behandelt...

    • @Rikard Dobos:

      „UND der Bürger ist.

      Übrigens auch bei uns. Jeder von uns bürgt mit seinem Eigentum für die Schulden Deutschlands...“

      Bitte nicht solchen offensichtlichen Unsinn verbreiten.

    • @Rikard Dobos:

      "...immer das Eigentum des Staates UND der Bürger ist."

      Und da im historischen Realsozialismus der Bürger de facto auch Eigentum des Staates war... alles in Butter?

  • Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt, Olaf.

    Olaf ... Olaf ... hmm wohl gerade keiner zu Hause ...

    • @Bolzkopf:

      Wo sollte den "Olaf" bitte das Geld hernehmen? Als Steuerzahlender sag ich, "Olaf, lass es bleiben".

  • Die entscheidende Frage ist doch, wer welche Versprechen gegenüber den Vertragsarbeitern gemacht hat, die DDR oder das Heimatland. In diesem Punkt bleibt der Artikel sehr offen - anders als andere Artikel zu diesem Thema.

    Demnach hatte Mosambik die entsprechenden Versprechen angegeben und nicht eingehalten. Dann wäre das ein Thema, welches in Mosambik zu klären wäre.

    Vor einem Zahlubgsversprechen besteht erheblicher Klärungsbedarf - Ausgang offen. Und da bereits Gelder gezahlt worden sind, besteht kaum Anlas für weitere Zahlungen.

  • Warum ist der Adressat dieser Forderungen der bundesdeutsche Steuerzahler? (Bundestag und Regierung haben nichts außer Schulden.) Es gibt ein SED Parteivermögen und es gibt keinen Rechtsnachfolger der SED sondern, auf eigenen Antrag gerichtlich festgestellt, die unter anderem Namen unverändert weiterbestehende Partei selbst.

  • Da wurden 75Mio DM an Mosambik überwiesen, 4.411,76 DM pro Vertragsarbeiter und fast nichts ist bei denen gelandet, Korruption ist was übles.



    Das deutsche Außenministerium sollte sofort tätig werden, daß Geld zurückzuholen und den Vertragsarbeitern zur Verfügung zu stellen.

    • @Tino Winkler:

      Wie soll das deutsche Außenministerium das machen?

      • @rero:

        Deutschland überweist Mosambik 60 Mio. Euro Entwicklungshilfe. Dann geht eben das Geld an die Vertragsarbeiter anstelle der Korrupten Politiker.

        • @Abraham Abrahamovic:

          Wäre ich ja grundsätzlich dabei.

          Ich sehe Entwicklungshilfe sehr kritisch, weil sie kleptokratische Strukturen fördert.

          Manche Experten sagen, die beste Entwicklungshilfe wäre es, die Entwicklungshilfe einzustellen.

          Allerdings wird ein Großteil der Entwicklungshilfe als Kredit gewährt.

          Da wird dann kein Geld zurückgeholt, wie Tino Winkler es wollte.

          Vielmehr wird noch ein drittes Mal gezahlt.

      • @rero:

        Schauen Sie sich doch mal die vielen Mitarbeiter im Außenministerium an, da sollte doch an einer Lösung gearbeitet werden können.



        Ich werde von diesem Amt nicht bezahlt, muß also keine Lösung anbieten.

        • @Tino Winkler:

          Schön gedrückt.

          Vielleicht sind die Rahmenbedingungen so, dass es keine Alternative gibt?

  • Nach einem politischen Beschluß die Vertragsarbeiter für die von der DDR ? vorenthaltenen Löhne zu entschädigen, ist das eigentlich eine Sache, die die "zuständigen Beamten, Beamtinnen", also Verwaltung in den Bundesministerien (Finanzen?, Außenamt?, Innen?, ua) abarbeiten müssen. Und zwar im ersten Anlauf (!) so, dass das Geld bei den Geschädigten ankommt - und eben in Kenntnis der Verhältnisse in den Ländern nicht so, dass das Geld abgezweigt werden kann.



    Warum kriegen die sowas nicht einfach innerhalb von ...sagen wir: 2 Jahren hin. Warum versagt da eine komplette BeamtenGENERATION an dieser Aufgabe.



    Was denken die sich, wofür die bezahlt werden?

    • @Monomi:

      ???

      Es gab eine Abmachung zwischen der DDR und Mosambik.

      Die hat Mosambik weder kommuniziert noch gegenüber den eigenen Staatsbürgern eingehalten.

      Dann hat Mosambik nochmal 75 Millionen gekriegt.

      Da wurde die Vereinbarung von Mosambik ebenfalls nicht eingehalten.

      Was Sie jetzt von den Beamten in den Ministerien in Deutschland wollen, erschloss sich mir nicht.

  • "die Bundesregierung 1993 dem mosambikanischen Staat rund 75 Millionen Mark an Entwicklungszusammenarbeitsgeldern überwies, die für die ehemaligen Vertragsarbeiter vorgesehen waren. Das Geld versackte allerdings größtenteils in korrupten Strukturen und kam nur bei ganz wenigen Betroffenen an. Wegen der gezahlten Leistungen sieht die Bundesregierung heute keinen Handlungsbedarf mehr." Lokales Problem braucht lokale Lösung.

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Tippfehler: „ Von den 1.000 ehemaligen Vertragsarbeitern leben heute rund 2.000 in Deutschland.“

    Es muss „17.000“ heissen.