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Legale SchwangerschaftsabbrücheAlles muss man selber machen

Die Ampel kann sich nicht darauf einigen, Abtreibungen zu legalisieren. Nun haben zivilgesellschaftliche Organisationen einen Gesetzentwurf erarbeitet.

Wurde symbolisch schon mal gestrichen: Paragraf 218 StGB, nach dem Schwangerschaftabbrüche bislang verboten sind Foto: Emmanuele Contini/imago

Berlin taz | „Wir machen heute Geschichte“, sagt Stephanie Schlitt. Mit diesen Worten leitet die Vize-Vorsitzende von Pro Familia über zum Anlass der digitalen Pressekonferenz an diesem Donnerstagmorgen: Der Vorstellung eines von Expertinnen erarbeiteten Gesetzentwurf, um die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu beenden.

Der Vorschlag sieht vor, Schwangerschaftsabbrüche bis zur 22. Woche nach Empfängnis nicht mehr als Straftat, sondern als rechtmäßige medizinische Gesundheitsleistung zu regeln. Spätere Abbrüche sollen weiterhin bei medizinischer Indikation rechtmäßig bleiben. Die Kosten für Abbrüche sollen die Krankenkassen tragen.

Zudem sollen die bisherige Beratungspflicht so wie die verpflichtende Wartefrist von drei Tagen wegfallen. Stattdessen sollen Schwangere grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung haben – samt Anrecht auf Sprachmittlung. Der Entwurf sei eine „vollständige Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“, sagt bei der Vorstellung die Strafrechtlerin und Mitverfasserin Liane Wörner.

Gesetzentwurf von unten

Wörner war eine von neun Expertinnen, die im Auftrag der Bundesregierung ein Jahr lang überprüft hatten, ob und wie Schwangerschaftsabbrüche auch außerhalb des Strafrechts geregelt werden könnten. Im April hatte die Kommission in ihrem Bericht deutlich gemacht: Die in Deutschland geltende grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Abbrüchen sei zumindest in der Frühphase der Schwangerschaft „nicht haltbar“. Die Ampel-Regierung hat diesem Bericht allerdings bislang keine Taten folgen lassen. Etwas rühriger sind die Fraktionen von SPD und Grünen. Deren Abgeordnete werben derzeit für eine fraktionsübergreifende Initiative. Erfolgschancen: ungewiss.

Wir fordern den Kanzler, die Mi­nis­te­r*in­nen und die Abgeordneten auf, den Schwangerschaftsabbruch noch in dieser Legislatur neu zu regeln.

Stephanie Schlitt, Pro Familia

Ob es dazu kommt, das wollte das Bündnis aus 26 Verbänden, das nun zur Pressekonferenz geladen hat, nicht abwarten. „Üblicherweise kommen Gesetzentwürfe von Ministerien oder Parlamentarier*innen“, sagt Schlitt. An diesem Tag sei das anders: „Wir fordern den Kanzler, die Mi­nis­te­r*in­nen und die Abgeordneten aller demokratischen Parteien auf, den Schwangerschaftsabbruch noch in dieser Legislatur neu zu regeln.“

Erarbeitet wurde der Entwurf von drei Professorinnen, die allesamt auch Teil der im Regierungsauftrag arbeitenden Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Reproduktionsmedizin waren. Neben Liane Wörner sind das die Sozialrechtlerin Maria Wersig und die Verfassungsrechtlerin Friederike Wapler. Zu den 26 Verbänden, die dafür den Auftrag gegeben hatten, zählen neben Pro Familia unter anderem Amnesty International, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, die Doctors for Choice, der Juristinnenbund, die AWO, Verdi, UN Women Deutschland und der Deutsche Frauenrat.

Das Strafrecht sei lange das „Kernstück“ der Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen gewesen, erklärt Wörner. Das soll nun anders werden. Bis zur eigenständigen Lebensfähigkeit des Fötus sollen Abbrüche laut Entwurf „rechtmäßige medizinische Gesundheitsleistung“ sein, geregelt im Schwangerschaftskonfliktgesetz.

Keine Strafe für die Schwangere

Nach der 22. Woche sollen sie rechtswidrig bleiben – aber auch hier soll es ohne Strafrecht gehen: Wer diese Abbrüche durchführe, solle über das Ordnungswidrigkeitenrecht und über die Berufsordnungen der Ärz­t*in­nen oder sonstigen Heilberufe belangt werden, sagt Wapler. Er müsse „empfindliche Konsequenzen tragen“, etwa den Verlust der Approbation.

Die Schwangere selbst soll nicht bestraft werden. Es seien Fälle von „großer Tragik“, bei denen eine Bestrafung der Frauen „nicht angemessen und nicht verhältnismäßig“ sei. Des Strafrechts bedürfe es nur zum Schutz der Frau, so Wörner. Im Entwurf geht es dabei sowohl um Nötigung zum Abbruch wie auch um Nötigung, einen gewollten Abbruch zu unterlassen.

Unberührt bleiben soll das Recht von Ärzt*innen, sich dem Mitwirken an einem Schwangerschaftsabbruch zu verweigern. Diese Entscheidung sei aber „höchst persönlich“, betont Wersig. Öffentliche Einrichtungen könnten sich darauf nicht im Ganzen berufen. Bislang führen etwa viele konfessionelle Krankenhäuser mit Verweis auf Religion keine Abbrüche durch.

Die aktuelle Rechtslage in Deutschland beruht auf Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte zuletzt vor rund 30 Jahren entschieden, dass schon ein Embryo ein Lebensrecht habe und Abbrüche grundsätzlich rechtswidrig seien. Unter bestimmten Bedingungen werden sie aber nicht bestraft.

Mehrheit für Legalisierung

Diese Rechtsprechung trage den Grundrechten der Schwangeren „nicht hinreichend Rechnung“ und zeichne sich durch einen „lebensfremden, mit empirischen Erkenntnissen nicht belegbaren Zugang zu der Lebenssituation ‚Schwangerschaft‘ aus“, heißt es dazu im Gesetzentwurf. Eine Neubewertung sei angezeigt, auch, weil sich das internationale Recht auf dem Gebiet weiterentwickelt habe.

Der Entwurf baue auf den Empfehlungen der Ex­per­t*in­nen­kom­mis­si­on auf, betont Wapler. In den ersten 12 Wochen sei der Abbruch ganz klar rechtmäßig und straffrei zu stellen. In der Phase bis zur 22. Woche habe der Gesetzgeber Gestaltungsspielräume. „Wir haben uns entschieden, diese Spielräume im Sinne der Empfehlungen internationaler Menschenrechtsgremien und den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation auszunutzen“, so Wapler.

Ob sich der Bundestag in dieser Legislatur noch mit Schwangerschaftsabbrüchen befassen wird, ist ungewiss. Die Bundesregierung scheut die Debatte aus Angst vor Polarisierung, unter den Ampel-Fraktionen bremst die FDP. Umfragen zeigen allerdings, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung für ein liberaleres Abtreibunsgsrecht ist. Kurz nach der Vorstellung des Gesetzentwurfs übergab am Donnerstag zudem das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung der Bundesregierung und den Ampel-Fraktionen eine entsprechende Petition mit mehr als 50.000 Unterschriften.

Die Grünen-Abgeordneten Maria Klein-Schmeink und Ulle Schauws bekräftigten, Ziel ihrer Fraktion sei eine Neuregelung in dieser Legislatur. Deutlich machten sie aber auch, dass sie nicht auf die Regelung aus dem Expertinnenentwurf beharren würden: Man führe derzeit „intensive Gespräche“, um „mehrheitsfähige Lösungen auszuloten“. Wichtig sei ihnen die Rechtssicherheit „in der Frühphase“ der Schwangerschaft – also im Zweifel nicht in den ersten 22 Wochen, sondern in den ersten zwölf.

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14 Kommentare

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  • Es wird nicht wirklich klar, warum das Verfassungsgericht von seiner Sichtweise auf die Rechte- und Güterabwägung aus vergangenen Urteilen abrücken sollte.

    Mit der Einstufung als Ordnungswidrigkeit würde eine Abtreibung als Fehlverhalten auf eine Stufe mit Falschparken gestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gericht dieser Systematik folgt. Da erscheint mir die Einordnung bei den Tötungsdelikten im StGB schon logischer, denn es geht ja um die Tötung eines menschlichen Lebens.

    • @Winnetaz:

      Es soll auf der Grundlage der Menschenwürde und Gleichberechtigung der Frauen von dieser bigotten und unschlüssigen Entscheidung abrücken und endlich das anerkennen, was auch vor 31 Jahren ersichtlich wurde. Niemand hat ein Anrecht auf den Körper eines Menschen, weder zu Lebzeiten, noch nach dem Ableben, es sei denn, dier Mensch ist hiermit explizit einverstanden.



      Das Recht über den eigenen Körper zu bestimmen gehört nicht ins StGB, es ist eben normal, alltäglich und zulässig dies zu tun. Alleine zum Zwecke des Schutzes ggü Eingriffen Dritter sollten die Körperverletzungsdelikte insoweit ergänzt werden, dass ein Abbruch gegen den Willen der Schwangeren strafbar bleibt.

      • @Croissant:

        „Niemand hat ein Anrecht auf den Körper eines Menschen, weder zu Lebzeiten, noch nach dem Ableben, es sei denn, dier Mensch ist hiermit explizit einverstanden.“



        Aber genau darum geht es doch bei Abtreibungen, der Frau wird das Recht über den Körper des Kindes zugesprochen.



        Das muss doch nicht beschönigt werden.

        • @Abraham Abrahamovic:

          Wenn ich von meinem Körper eine unerwünschte Berührung oder Eindringen abwehre, verfüge ich über meinen eigenen Körper und das darf ich.

  • Darauf dann 2 Fragen: 1) Bleiben Abbrüche nach der 23.ten Schwangerschaftswoche strafbar (dann hätten wir ja weiter den Paragrafen 218) und 2) sind die Vorgaben des Bundesverfassubgsgerichts beachtet?

    • @DiMa:

      Im Artikel steht die Frau soll nicht bestraft werden. Das Ordnungsrecht anstatt das Strafrecht soll angewendet werden, bei Medizischem Personal,wenn jemand ab 23. Woche abtreibt.

      Wenn ich den Artikel richtig interpretiere müsste eine eigens durchgeführte Abbruch bzw. Versuch legal sein bzw. eine Ordnungswidrigkeit.

      Da mich das interessiert versuche ich mal den Vorschlag zu finden, da er bei dem ganzen links im Text wohl nicht dabei ist. Das wäre für eine Meinungsbildung echt super, wenn so links enthalten wären und vllt auch besondert markiert wären.

    • @DiMa:

      Steht doch im Text. Die Frau soll nie bestraft werden und nach 22 Wochen sollte ein Abbruch auch möglich sein, vorausgesetzt es liegt eine medizinische Indikation vor.



      Die Vorgaben aus dem Jahr 1993 sind erst einmal egal, weil selbst verfassungswidrig und heutzutage nicht haltbar. Es kann gerne zur Neuentscheidung vorgelegt werden.

      • @Croissant:

        "Die Vorgaben aus dem Jahr 1993 sind erst einmal egal, weil selbst verfassungswidrig und heutzutage nicht haltbar."



        Bitte was? Die aktuell gültige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist verfassungswidrig? Das ist, gelinde gesagt, eine extrem steile These, die zumindest etwas Erklärung Ihrerseits bedürfte. Hierbei sollten Sie beachten: "Das widerspricht meinen Wertvorstellungen" ist nicht das Gleiche wie "Das ist verfassungswidrig".

        • @Agarack:

          Ist nicht weiter schwer. Kein Mensch in der BRD darf dazu gezwungen werden, seine Organe oder seinen Körper zur Lebzeiten oder nach dem Ableben einem anderen zur Verfügung zu stellen. Wenn Frauen Menschen sind, gilt dies auch für sie.



          Von Menschenwürde zu faseln und Frauen dabei herauszunehmen ist eben verfassungswidrig.

      • @Croissant:

        Die Menschenwürde nach Art 1 GG ist nicht nach Belieben dem Zeitgeist unterworfen, sondern zu allen Zeiten und an allen Orten gültig. Die Vorgaben aus 1993 wurden ja damals sorgfältig begründet. Der springende Punkt war und ist: Wann beginnt eigentlich das menschliche Leben? Um diese gar nicht so leichte Frage darf man sich nicht drücken und bei einer Neuregelung wird sich das Verfassungsgericht wieder damit beschäftigen. Alle Argumente die sich leichtfertig nur mit den Rechten der Mutter beschäftigen, aber das grundlegende Lebensrecht als wichtigstes aller Grundrechte einfach ausblenden, machen es sich zu einfach. Warum soll einem Kind im Mutterleib das völlig ohne Diskussion abgesprochen werden?

        • @Winnetaz:

          Der springende Punkt ist die Frage des Anrechts auf Nutzung der Organe einer Person.

      • @Croissant:

        Ohne Bestrafung der werdenden Mutter wird das niemals durchgehen. Insoweit ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eindeutig. Andernfalls könnte die Frau noch kurz vor dem Geburtstermin einen Abbruch durchführen lassen - ggf. im Ausland. Der Schutz des ungeborenen Lebens würde nicht mehr berücksichtigt werden.

        • @DiMa:

          Die Rechtsprechung von vor 31 Jahren ist egal.

          • @Croissant:

            Es ist eine Rechtsprechung zum Grundgesetz. Am GG hat sich insoweit nichts geändert. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat kein Verfallsfrist.