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Unglücksreaktor Three Mile IslandAtomenergie für KI

Im Atomkraftwerk Three Mile Island kam es 1979 zum größten Atomunfall in den USA. 2028 soll es wieder in Betrieb gehen – nur für Microsoft.

Das Kraftwerk Three Mile Island hinter Vorstadtidylle Foto: Chris Gardner/EPA

Washington taz | Das stillgelegte Kernkraftwerk Three Mile Island im US-Bundesstaat Pennsylvania wird in den kommenden Jahren wieder in Betrieb gehen. Das hat das Energieunternehmen Constellation Energy jetzt bekannt gegeben. Man habe einen Stromkaufvertrag mit Microsoft unterzeichnet, der eine Laufzeit von 20 Jahren habe. Der Technologiekonzern will mit dem Strom aus dem AKW seine großen Rechenzentren mit Strom versorgen.

Der Strombedarf steigt seit mehreren Jahren sukzessive an. Gründe dafür sind unter anderem die durch die Coronapandemie veränderte Arbeitswelt mit mehr Homeoffice, die Transformation im Straßenverkehr hin zu mehr Elektrofahrzeugen und die rasanten Entwicklungen im Gebiet der künstlichen Intelligenz.

„Die Energieversorgung von Industrien, die für die wirtschaftliche und technologische Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind, darunter auch Rechenzentren, erfordert enorme Mengen Energie, die rund um die Uhr zuverlässig verfügbar sein muss und CO2-neutral sein soll. Kernkraftwerke sind die einzigen Energiequellen, die dieses Versprechen dauerhaft erfüllen können“, sagte Joe Dominguez, der Präsident und CEO von Constellation Energy.

Der letzte Reaktor des AKWs wurde 2019 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Der Reaktor hatte eine Kapazität von 837 Megawatt und erzeugte damit genug Elektrizität, um mehr als 800.000 amerikanische Häuser mit Strom zu versorgen. Nun soll er wiederbelebt werden und ab 2028 wieder produzieren. Laut Wirtschaftsanalyse sollen dadurch mehr als 3.000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden, Steuereinnahmen von mehr als drei Milliarden US-Dollar seien zu erwarten. „Der Strombedarf in den USA ist seit mehreren Jahrzehnten entweder gleich geblieben oder hat vielleicht ein oder zwei Prozent Wachstum pro Jahr verzeichnet. Aber jetzt und in absehbarer Zukunft wächst der Bedarf im Grunde fünfmal so schnell“, sagte Aaron Ruby vom Energieunternehmen Dominion Energy.

Unfall und Kernschmelze

Die USA setzen stark auf Atomkraft. „Pennsylvanias Kernenergieindustrie spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von sicherem, zuverlässigem und CO2-freiem Strom, der zur Reduzierung der Emissionen und zum Wirtschaftswachstum Pennsylvanias beiträgt“, sagte der demokratische Gouverneur des Bundesstaates Josh Shapiro.

Dabei gehört ausgerechnet Three Mile Island in Harrisburg zu den Namen, die weltweit für die Risiken der Atomenergie stehen. Sieben Jahre vor der Atomkatastrophe in Tschernobyl kam es in Pennsylvania fast zu einem atomaren Super-GAU. Am 28. März 1979 versagte das Kühlungssystem in einem der beiden Reaktoren. Die Folge war eine Kernschmelze und die Freisetzung von radioaktivem Material.

Es ist bis heute der schwerste Unfall in der amerikanischen Atomenergie, auch wenn es nicht zu einer Explosion kam. Tausende Kinder und Schwangere im Umkreis wurden evakuiert, mindestens 140.000 Menschen ergriffen die Flucht. Die gesundheitlichen Folgen der freigesetzten Strahlung sind bis heute nicht umfassend untersucht. Die Aufräumarbeiten am havarierten Reaktor dauerten mehr als zehn Jahre und kosteten mehr als eine Milliarde US-Dollar. Der zweite Reaktor war von dem Vorfall nicht betroffen und blieb weitere 40 Jahre unfallfrei am Netz. Er ist es, der nun für Microsoft wieder in Betrieb gehen soll.

Bedarf wird schnell wachsen

Der IT-Konzern will sich mit der Entscheidung, den Strombedarf für seine wachsenden Rechenzentren mithilfe von Atomenergie zu decken, auf die Zukunft vorbereiten. Der Ostküstenstaat Virginia hat weltweit die höchste Dichte an Rechenzentren und mehr sind bereits im Bau. Die Betreiber verlangen nach neuen Elektrizitätswerken, Stromleitungen und anderen Infrastrukturinvestitionen.

„Der Strombedarf in den USA ist seit mehreren Jahrzehnten entweder gleich geblieben oder hat vielleicht ein oder zwei Prozent Wachstum pro Jahr verzeichnet. Aber jetzt und in absehbarer Zukunft wächst der Bedarf im Grunde fünfmal so schnell“, sagte Dominion Energy-Direktor Ruby

Ob Three Mile Island ab 2028 für Microsoft tatsächlich Strom produzieren wird, hängt nun davon ab, ob die US-Aufsichtsbehörde NRC ihr grünes Licht gibt. Constellation Energy hat bereits angekündigt, eine Lizenzverlängerung bis ins Jahr 2054 anzustreben.

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9 Kommentare

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  • @DONALD DUCK

    Sie haben nicht aufgepasst. Nicht das Büro ist es -- das Training der LLMs, in irreführender Weise zu Marketingzwecke "KI" genannt

  • Es gibt doch auch das Konzept, Strom vorwiegend dann zu verbrauchen, wenn er zur Verfügung steht. Man könnte Rechenzentren doch sonnenabhängig betreiben. Natürlich müßten dann die Bürozeiten flexibler gestaltet werden (Gutes Wetter = Arbeit, Schlechtes Wetter = Freizeit) und die Schulferien in das Winterhalbjahr verschoben werden.

    • @Donald Duck:

      Fänd ich als WW-Paddler ja geil. Aber das Kapital ist halt end- und masslos. Bleiben also nur Speichersysteme.Oder effizientere Rechner, so wie die fünfundzwanzig Watt Funzel, die wir als Gehirn haben.

  • Bis jetzt sorgen die Reichen nur für sich selbst.



    Wenn die KI das auch tut, und das wird sie, dann endgültig Gute Nacht...

  • Es ist hauptsächlich die stromfressende "KI", die diesen Irrsinn wieder anfacht.

    Der Verweis aufs Home Office ist ein Ablenkungsmanöver von Microsoft (es sind dadurch ja nicht auf einmal doppelt so viele Rechner eingeschaltet), und die AKW-Betreiber freut's natürlich.

  • Wo kommt dann der Atommüll hin?

    Wenn der Strom ein Land versorgt, dann kann ich mir noch vorstellen das es möglich ist in dem Land aich irgendwann irgendwo ein Plätzchen zu finden, wo dieser Dreck für die nächsten Jahrtausende verbuddelt wird.



    Aber wenn ein Kommerzielles Unternehmen den Strom nutzt um letztendlich ihre Aktionäre höher auszuzahlen - wer kümmert sich dann um die Schäden und den Aufwand die durch den Atommüll entstehen? Da wird doch nicht der Donald großzügig für "sein" Land sprechen und dafür bürgen....

    • @Solar4Life:

      Wenn ich als Kleinstaktionär meine ganz subjektive Sicht anmerken darf:



      Bisher gleichen massentaugliche "KI" Produkte eher einem Schwarzen Loch für Investitionsgelder. Ich wäre wirklich beeindruckt wenn ein Unternehmen Gewinn erwirtschaftet das es mir auszahlen kann.

      Als IT-Fachkraft: "KI" hat seine ganz spezifischen Vorteile, diese Marktblase ist aber eine Farce...

      • @Stubenhocker1337:

        Naja, nachdem die Blockchain-Sau sich beim Treiben durchs Dorf schon eine Bein gebrochen hat, muß halt eine Neue her. 😁

    • @Solar4Life:

      Für die Lösung des Problems gibt es sicher bald eine KI. 😂