Unglücksreaktor Three Mile Island: Atomenergie für KI
Im Atomkraftwerk Three Mile Island kam es 1979 zum größten Atomunfall in den USA. 2028 soll es wieder in Betrieb gehen – nur für Microsoft.
Der Strombedarf steigt seit mehreren Jahren sukzessive an. Gründe dafür sind unter anderem die durch die Coronapandemie veränderte Arbeitswelt mit mehr Homeoffice, die Transformation im Straßenverkehr hin zu mehr Elektrofahrzeugen und die rasanten Entwicklungen im Gebiet der künstlichen Intelligenz.
„Die Energieversorgung von Industrien, die für die wirtschaftliche und technologische Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes von entscheidender Bedeutung sind, darunter auch Rechenzentren, erfordert enorme Mengen Energie, die rund um die Uhr zuverlässig verfügbar sein muss und CO2-neutral sein soll. Kernkraftwerke sind die einzigen Energiequellen, die dieses Versprechen dauerhaft erfüllen können“, sagte Joe Dominguez, der Präsident und CEO von Constellation Energy.
Der letzte Reaktor des AKWs wurde 2019 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Der Reaktor hatte eine Kapazität von 837 Megawatt und erzeugte damit genug Elektrizität, um mehr als 800.000 amerikanische Häuser mit Strom zu versorgen. Nun soll er wiederbelebt werden und ab 2028 wieder produzieren. Laut Wirtschaftsanalyse sollen dadurch mehr als 3.000 Arbeitsplätze in der Region geschaffen werden, Steuereinnahmen von mehr als drei Milliarden US-Dollar seien zu erwarten. „Der Strombedarf in den USA ist seit mehreren Jahrzehnten entweder gleich geblieben oder hat vielleicht ein oder zwei Prozent Wachstum pro Jahr verzeichnet. Aber jetzt und in absehbarer Zukunft wächst der Bedarf im Grunde fünfmal so schnell“, sagte Aaron Ruby vom Energieunternehmen Dominion Energy.
Unfall und Kernschmelze
Die USA setzen stark auf Atomkraft. „Pennsylvanias Kernenergieindustrie spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von sicherem, zuverlässigem und CO2-freiem Strom, der zur Reduzierung der Emissionen und zum Wirtschaftswachstum Pennsylvanias beiträgt“, sagte der demokratische Gouverneur des Bundesstaates Josh Shapiro.
Dabei gehört ausgerechnet Three Mile Island in Harrisburg zu den Namen, die weltweit für die Risiken der Atomenergie stehen. Sieben Jahre vor der Atomkatastrophe in Tschernobyl kam es in Pennsylvania fast zu einem atomaren Super-GAU. Am 28. März 1979 versagte das Kühlungssystem in einem der beiden Reaktoren. Die Folge war eine Kernschmelze und die Freisetzung von radioaktivem Material.
Es ist bis heute der schwerste Unfall in der amerikanischen Atomenergie, auch wenn es nicht zu einer Explosion kam. Tausende Kinder und Schwangere im Umkreis wurden evakuiert, mindestens 140.000 Menschen ergriffen die Flucht. Die gesundheitlichen Folgen der freigesetzten Strahlung sind bis heute nicht umfassend untersucht. Die Aufräumarbeiten am havarierten Reaktor dauerten mehr als zehn Jahre und kosteten mehr als eine Milliarde US-Dollar. Der zweite Reaktor war von dem Vorfall nicht betroffen und blieb weitere 40 Jahre unfallfrei am Netz. Er ist es, der nun für Microsoft wieder in Betrieb gehen soll.
Bedarf wird schnell wachsen
Der IT-Konzern will sich mit der Entscheidung, den Strombedarf für seine wachsenden Rechenzentren mithilfe von Atomenergie zu decken, auf die Zukunft vorbereiten. Der Ostküstenstaat Virginia hat weltweit die höchste Dichte an Rechenzentren und mehr sind bereits im Bau. Die Betreiber verlangen nach neuen Elektrizitätswerken, Stromleitungen und anderen Infrastrukturinvestitionen.
„Der Strombedarf in den USA ist seit mehreren Jahrzehnten entweder gleich geblieben oder hat vielleicht ein oder zwei Prozent Wachstum pro Jahr verzeichnet. Aber jetzt und in absehbarer Zukunft wächst der Bedarf im Grunde fünfmal so schnell“, sagte Dominion Energy-Direktor Ruby
Ob Three Mile Island ab 2028 für Microsoft tatsächlich Strom produzieren wird, hängt nun davon ab, ob die US-Aufsichtsbehörde NRC ihr grünes Licht gibt. Constellation Energy hat bereits angekündigt, eine Lizenzverlängerung bis ins Jahr 2054 anzustreben.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen