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Unkritisches Interview im DLFEine Lüge folgt der nächsten

Der Deutschlandfunk interviewt zur besten Sendezeit den russischen Botschafter. Heraus kommen 20 Minuten voller unwidersprochener Lügen.

Der russische Botschafter in Berlin Sergej Netschajew Foto: Emmanuele Contini/imago

Es ist journalistisch ehrenwert, mit allen sprechen zu wollen. Selbstverständlich kann man auch den russischen Botschafter Sergej Netschajew als überaus relevanten Gesprächspartner betrachten. Es ist schließlich sein Land, das die Ukraine mit Krieg und Terror überzieht. Der Deutschlandfunk sah jedenfalls einen journalistischen Nutzen darin, auch die Perspektive des Aggressors zu Wort kommen zu lassen, und sendete am Dienstagmorgen ein Interview mit Netschajew. Was eine kritische Befragung hätte sein sollen, wurde zur schwer erträglichen russischen Propagandashow. Die meisten Lügen blieben unwidersprochen.

Schon die Wahl des Interviewortes irritiert. Der DLF-Redakteur sprach in der russischen Botschaft mit Netschajew. Wieso ein Interview genau dort stattfinden muss, bleibt offen. Der Redakteur ist anfangs bemüht zu erfahren, unter welchen Bedingungen Russland verhandlungsbereit wäre. Dass er keine eindeutige Antwort erhält, spricht für sich. Als der Moderator fragt, warum Russland den demokratisch gewählten ukrainischen Präsidenten Selenskyj nicht anerkennt, fährt Netschajew ihn an: „Entweder Sie unterbrechen mich, oder ich beantworte Ihre Fragen!“. Ab diesem Moment hakt der Interviewer kaum mehr kritisch nach. Es entsteht der Eindruck, dass er seinen Gesprächspartner vor allem nicht verärgern will.

Als Netschajew behauptet, die Nato befinde sich „total im Konflikt gegen Russland“, wenn sie der Ukraine erlaube, Ziele in Russland zu zerstören, erwidert der Journalist: „Es ist nicht an uns, das auszudiskutieren.“ Wieso stellt er nicht richtig, dass es zweifelsohne völkerrechtskonform ist, die russische Kriegsmaschinerie zu zerstören, mit der Kinderkrankenhäuser bombardiert werden? Er fragt den Botschafter des Kriegsverbrechers Putin, wie der Krieg enden könnte, anstatt zu fragen, wann Russland seine Truppen zurückzieht.

Den traurigen Höhepunkt erreicht das Interview mit der Istanbul-Lüge. Netschajew fabuliert, der Westen habe der Ukraine bei den Verhandlungen in Istanbul im Frühjahr 2022 verboten, mit Russland Frieden zu schließen. Es ist eine altbekannte Mär. In Wahrheit endeten die Verhandlungen, weil die entsetzlichen Kriegsverbrechen von Butscha ans Licht kamen. Der Moderator hält es nicht für notwendig, Netschajew damit zu konfrontieren. Dabei hätte er genau auf diese Situation vorbereitet sein müssen. Er dürfte es auch nicht einfach hinnehmen, dass Netschajew unentwegt vom „Kiewer Regime“ spricht, als wäre die Ukraine ebenso eine Diktatur wie Russland.

Eine Lüge Netschajews folgt auf die nächste. Es sei Russland bei seinem Krieg um den Schutz der russischen Bevölkerung in der Ostukraine gegangen, gegen die die Ukraine „militärisch gekämpft“ habe. Das ist falsch. Zu keinem Zeitpunkt wurden russischsprachige Menschen in der Ukraine von der ukrainischen Regierung unterdrückt oder bekämpft. Der Moderator sagt nur, dass es dazu „andere Sichtweisen“ gebe. Natürlich kann in einem 20-minütigen Interview nicht jedes Detail korrigiert werden, aber für eine entschiedene Zurückweisung der bekanntesten russischen Lügen muss genug Zeit sein.

Zum Schluss möchte der Interviewer nochmal Netschajews Einschätzung zu den deutsch-russischen Beziehungen erfahren. Der beklagt melancholisch, dass nun „auf Wunsch der deutschen Seite alles auf Eis gelegt“ worden sei, obwohl Russland so viel für die Annäherung der beiden Länder getan habe. Man hätte dies zum Anlass nehmen können, nochmal auf Russlands alleinige Verantwortung für den größten Angriffskrieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg hinzuweisen. Der Moderator bedankt sich lieber „sehr“ für das Gespräch. Es endet ein Interview, das des Deutschlandfunks nicht würdig ist. Später folgt eine Einordnung des Gesprächs.

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17 Kommentare

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  • Der Moderator bedankt sich lieber „sehr“ für das Gespräch

    Es wäre nicht das erste Mal, dass der DLF negativ auffällt. Es gab mal ein weiches, unkritisches Interview mit einem AfD-Parteifunktionär, da wurde sich auch "sehr" bedankt. Mir ist dieser Satz in Erinnerung geblieben und hat dazu geführt, dass ich DLF nicht mehr höre. DLF Kultur und Nova sind mir zumindest in dieser Hinsicht nicht mehr aufgefallen.

    Mir ist bewusst, dass es Aufreger wie diese sind, die dazu führen, dass Menschen sagen, es gäbe in Deutschland eine "Meinungsdiktatur", oder "Moraldiktatur", aber Rechtsextremen darf nicht unwiedersprochen das Feld überlassen werden.

  • "Wieso stellt er nicht richtig, dass es zweifelsohne völkerrechtskonform ist, die russische Kriegsmaschinerie zu zerstören"



    Natürlich ist es völkerrechtskonform, wenn andere Länder auf dessen Bitte ein angegriffenes Land unterstützen. Aber das widerlegt doch nicht die Behauptung des Botschafters, dass die NATO sich im Krieg mit Russland befinde, sobald deren Lenkwaffen auf russischem Territorium eingesetzt werden.

    • @Plonitalmonit:

      Das ist nicht komplett 100% ig auszuschließen.



      Es ist ebensowenig 100%ig auszuschließen dass Trump am Wochenende seine Ambitionen auf das Präsidentenamt aufgibt.



      Oder Dass Russland sich bedingungslos aus der Ukriane zurückzieht.



      Oder dass Friedrich Merz zum BSW wechselt.

      Aber wir wahrscheinlich ist dies?



      Oder handelt es sich bei der Aussage des Botschafters um den selben Humbug, den im groben 2 Mal die Woche aus Russland hören?

      Das Schwert ist noch nicht einmal mehr stumpf. Es ist nur noch der Griff übrig.

  • Der Schluss des Interviews ist fast schon niedlich.



    NEIN: Ich möchte nicht, dass sich Russland uns so annähert, wie es sich der Ukraine angenähert hat!

  • Wenn wan rausfinden möchte, was der russische Botschafter denkt, muss wan ihn fragen und sich die Antworten anhören

    Das ist Journalismus - wan kann sich doch nicht jahrelang gegenseitig den Hans-Joachim-Friedrichs-Preis um die Ohren hauen - Motto: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache. “ - und dann finden, wenn es um Krieg oder Frieden geht, nun seien aber alle verpflichtet, ihre Funktion als Abteilung Gegenpropaganda wahrzunehmen.

    Und sich dabei als "linke" taz genau wie die Faz anzuhören: "20 Minuten Lügen des russischen Botschafters"

    Und Antimilitarismus als "linksradikal" zu framen. shorturl.at/uXvNd

    Das Totalversagen liegt nicht beim DLF, sondern bei dieser Art Journalismus hier: statt in der Frage Krieg immer wieder kritisch nachzufragen, ist auch die taz nur noch Sprachrohr des grünen Teils der Ampel - das heißt gewöhnlich "Regierungsnähe" und ist für Journalisten ein NoGo.

    Wer z.B. Northstream 2 gesprengt hat? Will die Regierumg offensichtlich nicht wissen - Seymour Hersh shorturl.at/ZdRoZ kommt hier also nur als Vollpfosten vor shorturl.at/MdRVh

    Usw

    • @ke1ner:

      "...statt in der Frage Krieg immer wieder kritisch nachzufragen, ist auch die taz nur noch Sprachrohr des grünen Teils der Ampel"

      Aber wenn der russische Botschafter Lüge an Lüge reiht, dann soll nicht kritisch nachgefragt werden? Das wäre dann "Gegenpropaganda"?

      Um die russische Position zu kennen, benötige ich kein Interview mit einem der Chargen des Regimes. Aber dessen Lüge mit Fakten zu konfrontieren, wäre sicherlich aufschlussreich gewesen. Nur: dazu hätte man sich für ein solches Interview halt vorbereiten müssen.

  • Hier wird deutlich, was schlechter Journalismus bzw. schlecht qualifizierte oder gar persönlich fragwürdige Journalisten politisch anrichten können!

    Diesen Missstand bzgl. schlechtem, oder gar dumm-naivem Journalismus erlebe ich gefühlt seit Anfang der 1990 ger, offenbar mit Luft nach unten.



    Journalismus ist immerhin eine wichtige und unerlässliche Säule unserer Demokratie!

    Dies zu unterschätzen führt dazu, dass Informationen immer willkürlicher und unfundierter werden und schlussendlich den Zerfall unseres Systems ganz offensichtlich (Schwurbler) forcieren, ganz in Putins Sinne, und im Sinne der AfD!



    Seitens des Dlf ist es organisatorisch sicherlich kein Zufall, gerade für ein so bedeutendes Interview einen vollkommen unterqualifizierten Journalisten zu verwenden, der sich von beiden Seiten gut manipulieren lässt.

  • Gab es vergleichbare Reaktionen bei Interviews mit dem Bandera-Botschafter Melnyk? Warum nicht?

    • @Rosmarin:

      Bandera hat einen eigenen Botschafter?

  • Der Deutschlandfunk fällt mir schon länger auf, gerne eher "rechtsgedrillte" Tendenzen zu verbreiten. Bei GRÜNEN oder Linken fällt auf -sofern die überhaupt zu einem Interview eingeladen werden- dass sie sehr oft mit Suggestivfragen angegangen werden, oft mitten in ihren Ausführungen kritisch und massiv unterbrochen werden. Bei AfD, FDP und Unionspartnern passiert das deutlich !! weniger. In meiner Jugend nannte man den Sender "Radio Adenauer" - warum wohl??

  • Ich habe das Interview heute morgen 18.9.24, gehört. Aber gegen so einen Profi, da muss man auch einen ganz ausgebufften Interviewer schicken.



    Z.B.: "Sie haben mich zum Interview gebeten. Sie stellen Fragen und ich beantworte sie. Also unterbrechen Sie mich nicht."



    Da stehst dann da mit deinem Talent.



    Im übrigen bin ich mit dem Inhalt des Minsk-Abkommens nicht vertraut.

  • Es gibt ja eine Einordnung des Inteviews bei www.deutschlandfun...ordnungen-100.html

    Die Deutsche Welle hat Kevin Lick am 06.08.2024 in russischer Gefängniskleidung! vor die Kamera gebracht! und keinen Grund gesehen sich dafür zu schämen. Das ist so ähnlich . www.dw.com/de/befr...gehofft/a-69867207

    Tatsächlich gibt es maßgebliche Statements wie mit Verbrechern dieser Größenordnung publizistisch umzugehen ist :







    "I implore you, speak the names of those who were lost rather than the name of the man who took them. He is a terrorist. He is a criminal. He is an extremist. But he will, when I speak, be nameless."



    www.bbc.com/news/world-asia-47620630

    „Es ist eine phantastische Illusion, einen dauerhaften Frieden auf einen Pakt mit dem Teufel zu gründen."



    Carl Friedrich Goerdeler , 1938

    Deswegen ist eigentlich und grundsätzlich längst geklärt was zu tun und was zu lassen ist.

  • Ich vermisse in dem Artikel die Analyse des Datums.

    de.wikipedia.org/w...esetzung_Ostpolens

    • @metalhead86:

      Ich verstehe was Sie meinen, es war besonders taktlos. - Was auf der Seite des Auswärtigen Amtes zum 01.09.2024 steht empfinde ich als Schüleraufsatz. Höhere deutsche Ränge sollen auf der offiziellen Gedenkveranstaltung bei Danzig www.tagesschau.de/...-gedenken-100.html und gänzlich in Wieluń www.tagesschau.de/...weltkrieg-100.html abwesend gewesen sein. Vor 5 Jahren hat der damalige Bundespräsident an und in Polen versprochen, dass wir nicht vergessen. Es ist in unserem Namen versprochen worden, deswegen dürfen wir uns dafür interessieren.

    • @metalhead86:

      Wieso? Was trägt das zur Sache bei?

      • @CarlaPhilippa:

        Neben dem offensichtlichen auch noch dass Putin schon seit fast 4 Jahren Polen eine erhebliche Mitschuld am Überfall auf sich selbst bescheinigt.



        Und der SU und der Roten Armme quasi keine.

        www.tagesspiegel.d...krieg-4133257.html

        Ählich wie jetzt, wo alle anderen Staaten und Akteure Schuld haben außer Russland.

        In der aktuellen Situation dann ein solch unkritisches Interview mit einem weiteren Absolventen der



        "Josef Stalin Schule für Geschichtsfälschung" ™



        zu führen ist schon mehr als peinlich.

      • @CarlaPhilippa:

        Der Deutschlandfunk und die Deutsche Welle sind aufgrund ihrer Einbindung besonders regierungsnahe öffentlich rechtliche deutsche Sender, die die deutsche Kultur und deutsche Politik auch im Ausland verbreiten sollen. Zur deutschen Außen- und speziell Ostpolitik gehören die Rücksichtnahmen auf durch die Geschichte begründete Empfindlichkeiten in diesen Ländern, insbeondere wenn explizit versprochen wurde, darauf Rücksicht zu nehmen. Der sowjetische Überfall auf Polen am 17.09.1939 wäre ohne den Pakt mit NS - Deutschland und den vorangegangenen deutschen Überfall auf Polen am 01.09.1939 nicht möglich gewesen. Verstimmungen mit Polen können wir uns diplomatisch eigentlich nicht leisten. Ich finde, das ist der sachliche Zusammenhang. Ich wusste gar nicht, dass der 17.09.1939 der sowjetische Überfall auf Polen war. Davor fürchten sich die Polen doch spätestens seit 2022 wieder.