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Kurdischer Journalist über Pressearbeit„Der Türkei ein Dorn im Auge“

Der kurdische Journalist Rêbîn Bekir spricht über Angriffe auf kritische Re­por­te­r:in­nen im Nordirak. Er selbst überlebte nur knapp einen Anschlag.

Eine Störaktion in der ARD-Sendung „Caren Miosga“ Mitte September Foto: Claudius Pflug/dpa
Interview von Tim Krüger

taz: Herr Bekir, am 23. August sind Sie und Ihre beiden Kolleginnen Gulistan Tara und Hêro Bahadîn im Nordirak zum Ziel eines Luftangriffes geworden. Können Sie schildern, was passiert ist?

Rêbîn Bekir: Wir waren an diesem Freitagmorgen gerade mit unserem Team von Chatr Multimedia Productions, einer im irakisch-kurdischen Sulaimaniyya beheimateten Produktionsfirma, auf dem Weg in die 80 bis 90 Kilometer entfernten Orte Biyara und Ahmed Awa. Die Region heißt Hawraman und hat neben der besonderen Kultur der lokalen Bevölkerung auch wirklich grandiose Ausblicke. Wir hatten geplant, einen Dokumentarfilm über die Region und vor allem das Leben der nomadischen Bevölkerung zu drehen. Da schlug eine Rakete in unser Fahrzeug ein. Unser Fahrzeug ging in Flammen auf und meine beiden Kolleginnen verstarben an Ort und Stelle.

ZDF
Im Interview: Rêbîn Bekir

27 Jahre alt, ist ein kurdischer Journalist. Er arbeitet für die Produktionsfirma Chatr Multimedia Productions und berichtete unter anderem über das Kriegsgeschehen an der Nordgrenze des Irak zur Türkei.

taz: Haben Sie damit gerechnet, dass Ihnen so ein Angriff widerfahren könnte?

Bekir: Nein, auf gar keinen Fall. Wir waren glücklich, haben gescherzt und noch kurz zuvor an einem Restaurant gehalten, um gemeinsam zu essen. Wir haben so etwas in keinster Art und Weise erwartet. Schließlich sind wir keine Militanten, sondern verdienen als Journalisten unser Geld. Natürlich berichten wir über die Auswirkungen der türkischen Kriegsführung auf die Zivilbevölkerung und mögliche Kriegsverbrechen. Das ist der Türkei ein Dorn im Auge.

taz: Hat die Türkei sich zu Ihrem Fall geäußert?

Bekir: Tatsächlich hat das türkische Verteidigungsministerium zuerst abgestritten, verantwortlich zu sein, doch nach internationalem Druck haben sie kurzerhand öffentlich erklärt, dass es sich bei uns allen um PKK-Mitglieder gehandelt hätte. Die Behauptung, dass sich in unserem Fahrzeug „hochrangige PKK-Kommandanten“ befunden hätten, ist völlig aus der Luft gegriffen. Das hat auch Qubat Talabani, der stellvertretende Premierminister der teilautonomen Region Kurdistan im Irak (KRI), öffentlich bestätigt. Er hat klargestellt, dass wir lediglich Journalisten waren, die ihrer Arbeit nachgingen.

taz: Warum gehen Sie von einem gezielten Schlag aus?

Bekir: Der Angriff auf unser Team war leider kein Einzelfall. Nicht nur, dass immer wieder Zivilisten bei türkischen Luftschlägen zu Schaden kommen, auch Journalisten und Medienschaffende geraten immer wieder ins Fadenkreuz. So wurde erst am 8. Juli ein Fahrzeug des jesidischen Fernsehkanals Çira TV im Şengal Gebirge von der türkischen Luftwaffe bombardiert. Durch den Angriff kam ein Kollege ums Leben. Die meisten der Angriffe finden in den nördlichen Provinzen Sidekan und Dohuk statt und treffen meistens Anwohner.

taz: Ihrer Firma wurde eine Verbindung zur PKK vorgeworfen, da manche Beiträge auf Fernsehkanälen ausgestrahlt wurden, welche den Kampf der PKK offen unterstützen. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Bekir: Wir produzieren vor allem Dokumentarfilme. Über Kultur, traditionelle kurdische Bräuche, aber auch Fragen der Wirtschaft. Als Produktionsfirma verkaufen wir an verschiedene Kunden und unter diesen befinden sich auch die beiden Kanäle Sterk TV und Aryen TV, welche Sie wahrscheinlich meinen. Aber dass wir unsere Produkte an einen Kanal verkaufen, heißt nicht, dass wir alle Inhalte auf dem Kanal unterstützen oder gar dem Kanal angehören. Jeder kann bei uns Arbeiten in Auftrag geben.

taz: Wie ist die aktuelle Situation an der nördlichen Grenze des Irak?

Bekir: Die Situation ist schrecklich. Die türkische Armee dringt in die kurdischen Dörfer ein und errichtet Kon­trollposten. Manche Dörfer werden vollständig geräumt und die Bewohner werden daran gehindert, ihre Feld- und Weideflächen zu betreten. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung rückt die Türkei dabei in Gebiete vor, in welchen es überhaupt keine Guerillakämpfer und PKK-Stellungen gibt. Es geht ihnen nicht um die PKK. Was hier stattfindet, ist eine Besatzungsoperation. Gibt es PKK-Stellungen etwa in Libyen, in Somalia, in den besetzen Gebieten Nord- und Ostsyriens? Und doch ist die türkische Armee vor Ort. Der türkischen Führung um Präsident Erdoğan geht es in erster Linie darum, ihren neo-osmanischen Traum zu verwirklichen.

taz: Reporter ohne Grenzen warnte in einem Bericht kürzlich vor der steigenden Gewalt gegen Medienschaffende in der Autonomen Region Kurdistan. Wie steht es im Allgemeinen um die Pressefreiheit in der KRI?

Bekir: Die Sicherheitskräfte der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), die Asayish, gehen sehr harsch mit Journalisten um. Viele Kollegen sind deshalb mittlerweile nach Sulaimaniyya ausgewandert, wo die rivalisierende Patriotische Union Kurdistans regiert. Die in Erbil regierende KDP dagegen unterhält sehr enge ökonomische Beziehungen mit der Türkei und hilft der türkischen Armee bei ihrem Vorgehen gegen die PKK. Berichterstattung oder gar öffentliche Kritik haben sie nicht gerne. So wurde kürzlich der Kollege Suleiman Ahmed zu drei Jahren Haft wegen angeblicher Spionage verurteilt. Suleiman Ahmed hat viele Berichte über die Korruption und den Machtmissbrauch der Regierung veröffentlicht. Er wurde verhaftet und war monatelang spurlos verschwunden. Für Monate hatte er keinen Zugang zu anwaltlichem Beistand, während sie das Gerichtsverfahren für ihn vorbereiteten.

taz: Haben solche Fälle System?

Bekir: Erst vor wenigen Tagen hat das Metro Center für den Schutz von Journalisten einen Bericht über das Verschwinden von Imad Bajalan veröffentlicht. Seit einem Monat gibt es keine Informationen über seinen Verbleib. Er verschwand, nachdem er einen kritischen Bericht veröffentlicht hat. Die Familie sagt, er sei von Sicherheitskräften entführt worden, doch die Polizei streitet ab, ihn überhaupt zu kennen. Das ist hier gängige Praxis. Wenn Sie Ihre Stimme gegen die Regierung erheben oder auch die Besatzungspolitik der Türkei offen kritisieren, können Sie sich darauf einstellen, früher oder später mit einer konstruierten Anklage konfrontiert zu sein. Sie wollen nicht, dass die Öffentlichkeit etwas davon erfährt. Aber als Journalisten ist es unsere Berufspflicht, Licht ins Dunkel zu bringen.

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1 Kommentar

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  • Ich kann mich dem Gefühl nicht erwehren, dass dieser Artikel für mich persönlich irgendwie sehr beklemmend mit seiner Aussage ins Bedeutungslose, läuft, wenn er ebenso auch von palästinensischen Journalisten aus Gaza geschildert sein könnte und meines Wissens nach sogar auch in ähnlicher Form ist.



    Wo es bekanntlich auch keine nennenswerten Verurteilungen oder Konsequenzen gibt außerhalb der üblichen Menschenrechtsorganisation.



    Wenn Werte nicht universell gelten und verteidigt werden, sondern nur selektiv, verlieren Sie an Glaubwürdigkeit und Relevanz.