piwik no script img

Autogipfel im WirtschaftsministeriumEin bisschen mehr Abgas soll’s sein

Wirtschaftsminister Habeck verspricht der Autoindustrie, in Brüssel für mildere CO2-Regeln zu kämpfen. Dort stößt das auf wenig Gegenliebe.

Will der Autoindustrie entgegenkommen: Wirtschaftsminister Robert Habeck vergangene Woche bei einem Besuch des VW-Werks in Emden Foto: Sina Schuldt/dpa

BERLIN/BRÜSSEL taz | Mit leeren Händen wollte Wirtschaftsminister Robert Habeck die Vertreter der Autobranche nach dem Krisengipfel nicht nach Hause schicken. Also versprach der Grünen-Politiker ihnen etwas, das den klammen Haushalt nicht belastet, aber Deutschlands wichtigster Industrie helfen könnte: Er wolle sich in Brüssel dafür einsetzen, dass die Revision der CO2-Flottengrenzwerte der EU um ein Jahr auf 2025 vorgezogen wird.

Subventionen, wie eine etwa von SPD-Politiker*innen oder VW ins Spiel gebrachte Kaufprämie für Elektroautos, lehnte Habeck zwar ab. „Lieber keine Maßnahmen als Schnellschüsse oder Strohfeuermaßnahmen“, sagte Habeck nach der Videokonferenz am Montagnachmittag mit unter anderem Vertretern des Branchenverbands VDA, der Gewerkschaft IG Metall sowie von Herstellern wie Volkswagen, BMW und Mercedes. Auch unter den Autobauern sind Subventionen umstritten. „Die deutsche Automobilindustrie braucht keine kurzfristigen, marktverzerrenden Strohfeuer“, erklärte BMW. Zudem würden die Autobauer durch die Revision der CO2-Flottengrenzwerte massiv Geld sparen.

Dabei geht es um den Wunsch der Autobranche nach einer Aufweichung der EU-Klimapolitik. Derzeit dürfen neu zugelassene Autos im EU-Durchschnitt nicht mehr als 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Nächstes Jahr soll dieser Grenzwert auf 93,6 Gramm sinken. Die deutschen Autobauer sind noch weit von diesem Wert entfernt, da ihre Verbrenner-Autos zu klimaschädlich sind und sie zu wenige Elektroautos verkaufen. „Um die CO2-Vorgaben der EU ab 2025 einzuhalten, müsste der Elektroanteil schlagartig von 10 auf 25 Prozent steigen. Das ist kaum zu erreichen“, begründet etwa Mercedes-Chef Ola Källenius die Forderung nach einer Aufweichung der Regeln, da sonst empfindliche Strafen drohen.

EU-Parlamentarier: Frankreich und Norwegen als Vorbild

Die deutsche Autokrise beschäftigt auch Brüssel. Im Europaparlament lehnt man jedoch eine Lockerung der EU-Vorgaben ab. „Wir sind für Technologie-Offenheit“, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. „An den Zielen sollten wir jedoch festhalten.“ Ähnlich äußerte sich der SPD-Parlamentarier Bernd Lange. „Die Lage bei Volkswagen ist ernst“, sagte Lange der taz. „Doch es macht wenig Sinn, die CO2-Grenzwerte früher als geplant zu überprüfen – denn das verunsichert nur und führt zu Zurückhaltung beim Autokauf.“

Die Bundesregierung sollte sich lieber ein Beispiel an Norwegen oder Frankreich nehmen, meint der Chef des mächtigen Handelsausschusses im Europaparlament. „In Norwegen sind bereits 82 Prozent der Neuwagen elektrisch betrieben. Frankreich fördert gezielt E-Autos durch extrem günstige Leasingraten für Arbeitnehmer“, so Lange.

Umstritten ist in Brüssel hingegen das bislang für 2035 geplante Verbot von Neuwagen mit Verbrennermotoren. Dieses soll eigentlich erst 2026 überprüft werden, um es eventuell der Lage anzupassen. Doch die konservative Europäische Volkspartei fordert schon lange, diese Prüfung vorzuziehen. Dafür will sich nun offenbar auch Italien bei einem formalen Treffen in Brüssel am Mittwoch einsetzen – im Gespräch ist laut dem auf Europapolitik spezialisierten Portal Euractiv eine vorzeitige Prüfung schon im Frühjahr 2025.

Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung bezeichnet die Lage in der Autobranche als „durchaus problematisch“. Sein Institut veröffentlichte am Dienstag eine Konjunkturprognose, die für dieses Jahr eine Stagnation der deutschen Wirtschaft vorhersagt. Für das kommende Jahr erwarten Dullien und sein Team ein Wachstum von 0,7 Prozent.

Immer weniger Autoverkäufe in Deutschland

Der Grund für diese Flaute liegt in der schwachen Nachfrage. Deutschland profitiert weder von der Erholung der Weltwirtschaft, weil wichtige Handelspartner wie China und die USA ihre Wirtschaft subventionieren oder Importe über Zölle zu verteuern. Noch konsumieren die Menschen im Land wieder mehr. Wegen Zukunftsängsten legen sie ihre zuletzt gestiegenen Gehälter lieber auf Kante. Hinzu kommen ein sparender Staat und hohe Zinsen, die die Baubranche belasten.

Diese Probleme spiegeln sich auch in der Autobranche wider. Die Konzerne haben die Transformation zur Elektromobilität verschlafen und nun macht ihnen besonders in Fernost die neue chinesische Konkurrenz den Markt streitig. Gleichzeitig werden auch hierzulande weniger Autos verkauft. 2019 wurden in Deutschland rund 3,6 Millionen Pkw neu zugelassen. Vergangenes Jahr waren es nur noch 2,8 Millionen. Unterm Strich ein Minus von über einem Fünftel.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Wenn man solche Mitstreiter wie die FDP hat, die jedes Projekt torpedieren, kommt am Ende nicht mehr raus. eFuels, Ausstieg aus dem Verbrennerverbot 2035, Schuldenbremse (bis nichts mehr geht) ....



    Mitstreiter, die auch schon mal die Grünen als die größte Gefahr für Deutschland bezeichnen.



    Leider hat man sich von dieser kleinen Splitterpartei immer vorführen lassen.

  • Eigentlich habe doch die Deutschen nur Angst mit einer Prämie den Chinesen mehr zu helfen als den eigenen Autobauern. Trend verschlafen, da kann auch die Politik vorerst nix machen. Ich bin entsetzt über Habecks Versuch die CO2-Flottengrenzwerte aufweichen zu wollen und hoffe auf eine Öko Partei, die ich 2025 wählen kann, die Grünen werden es wohl nicht wieder.

  • Ein Sargnagel nach dem anderen.

    Danke dafür, Herr Habeck!

  • Dass ihn das "Das ist kaum zu erreichen" jetzt interessiert, ihn das bei "Heizugsgesetz" aber nicht interessiert hat ist eigentlich unfassbar. Den Bürgern kann man ein "Das ist kaum zu erreichen" zumuten - der Insdustrie aber nicht ...

  • 2,8. Mio. neue Autos jedes Jahr (!) in Deutschland sind immer noch 2,8 Mio. zu viel.

  • "Die Konzerne haben die Transformation zur Elektromobilität verschlafen"

    Sie hatten wohl eher ein Motivationsloch, würde ich sagen, da sie von der Politik kaum Vorgaben und andererseits massive Hilfestellung bekamen, wenn ihre Managementfehler bis auf EU-Ebene ausgebügelt werden mussten, schließlich hat, wir erinnern uns, Merkel vor Jahren schon dort interveniert, damit die Grenzwerte hoch bleiben. So ist das, wenn der sog. "Freie Markt" einerseits die Marschroute festlegen darf, aber andererseits wie üblich die Konsequenzen nicht trägt.

    Gegenüber der dt. Regierung funktioniert das, gegenüber der Konkurrenz aus China oder Frankreich - nicht.

    Dennoch bekommen die "Leistungsträger" und Entscheider im Vorstand das hundertfache eines Facharbeitereinkommens in ihrem Konzern. Warum?

  • Genau dafür wurden die Grünen doch gewählt, dass sie striktere CO2-Vorschriften bekämpfen. Was Trittin konnte, kann Habeck schon lange.

  • Ein großer Fehler sind ohnehin die planwirtschaftlichen Flottengrenzwerte.



    Zum Beispiel, weil die CO2-Emissionen bei der Herstellung von E-Autos komplett unter den Tisch fallen.

    Der Weg zur bestmöglichen Einsparung ist lange bekannt:



    Ein konsequenter Emissionshandel, der auch alle Importe einschließt.

  • Auch Norwegen ist kein wirklich unergründbares Geheimnis in Sachen boomende Fahrzeuge, sondern ein Paradebeispiel, wie in den Markt eingegriffen wurde.



    /



    taz.de/Elektroauto...Norwegen/!5055767/

  • Es wird auf jeden Fall viel (Steuer-) Geld kosten. In welcher Form auch immer. Anders lässt sich die notwendige Transformation nicht schnell genug ans Laufen bringen.

  • Das.Kann.Nicht.Wahr.Sein.

    Ich will diesen Artikel nicht lesen.



    WOZU CO2 Emissionswerte abschwächen?



    WEM nützt das?



    Absolut niemanden.



    Ist das schon vollständiges Umfallen oder nur ein Stolpern?

    Gibt es eigentlich noch einen Politiker, der die Interessen seiner Wähler und/ Bürgerinnen vertritt?

    Bei Habeck hatte ich noch bis heute die Hoffnung- nachdem Özdemir, Heil, die Bauministerin, Paus und nicht zuletzt Führungs-Olaf schon lange durchsetzungsmässig am Boden liegen bzw. wie Faeser abgedriftet sind.

    Der VDA wählt nicht die Grünen in den Bundestag.



    Das ist sicher.

  • letztlich ist es egal, ob wir hier in D den Verbrenner noch etwas länger fördern, tolerieren, was auch immer. Der Zug geht weltweit in Richtung E-Mobilität, das Kernproblem bleibt, dass VW den Umstieg schaffen muß, um nicht abgehängt zu werden.



    VW ist jetzt schon vom chinesischen Markt abhängig, wenn VW dort nicht in den E-Automarkt kommt, kann der dt. Markt das niemals kompensieren. Und VW wird absteigen.



    Die Frage ist also nicht auf welche Weise wir hier den Verbrenner noch länger tolerieren, sondern einzig, wie gelingt es dt Autoherstellern schnell umzusteigen und nicht den Anschluß zu verlieren.

    • @nutzer:

      Der Markt regelt das...sagt eine Partei immer dazu. VW und Co. wurden seit Jahren darauf hingewiesen, ihre Entwicklungen umzubauen. Die Skandinavier haben teils schon sehr viel früher keinen Markt mehr ab 203x für Verbrenner. Wenn die Herrschaften Chefs und Vorstand das nicht kapieren, sollten sie zumindest mit ein bisschen ihres eigenes Geldes dafür habhaft genommen werden, sollten die große Konzerne hier massive Stellenabbau und Co. initiieren.

      Sie wurden alle gewarnt, aber Wissing und Co. von FDP und CDU, haben weiter für deutsche Verbrennerproduzenten die schützende Hand aufgelegt. Nun wieder den Umbau zu sozialisieren, ist nicht nur frech, dass ist ein Markteingriff der total absurd ist.

      • @Chris Ehl:

        es hängen eben auch viele Arbeitsplätze dran und eben auch Wirtschaftskraft, das ist dann der Erpressungsjoker, den solche "too big to fail" Giganten gerne ausspielen.



        Wer mehrere Milliarden Dividende ausschüttet, kann nicht Arbeitnehmer den Lohn kürzen, weil gespart werden muß. So die Logik, aber das Erpresserpotential solcher Giganten ist eben nicht logisch, sondern machttaktisch.

  • Der Kanzleranwartsschaftschutzminister.

    Ob er nun im eigenen Machtinteresse oder dem seiner Partei agiert, macht keinen Unterschied. Grüne Regierungspolitik ist von Klimaschutz, nachhaltiger Wirtschaft und sozialer Gerechtigkeit mindestens soweit entfernt, wie die SPD von dem Ziel einer sozialistischen Gesellschaft. Die Grünen waren nur sehr viel schneller, beim Etikettenschwindel. Ihren Pakt mit den bürgerlichen Militaristen haben sie ja schon geschlossen. Schon bald werden sie auch in ihrem 'Godesberger Programm' Farbe bekennen: Nationales Wirtschaftswachstum geht allem voran!

  • Die Grünen haben fertig - die Hauptgründe: Prinzipienfreiheit und Waffenlieferungen an Kriegführende. Kein Wunder, dass die niemand mehr wählt.

  • "Die Konzerne haben die Transformation zur Elektromobilität verschlafen"

    Und jetzt will es Habeck zulasten des Klimas richten. Als Wähler der ersten Stunde wird mir speiübel bei der Prinzipien- und Konturlosigkeit der jetzigen Riege. Von großen Reden über den Klimaschutz bei Amtsantritt zum Retter des Verbrennungsmotors in gerade einmal drei Jahren.

    Das nenne ich Standfestigkeit. 9% sind daher die logische Konsequenz, mit Tendenz nach unten. Aber angesichts des derzeitigen Zustands der Partei traue ich es den Grünen und insbesondere Habeck auch zu, bei Umfragewerten um die 5%, auch noch einen Kanzlerkandidaten zu nominieren. So viel Realitätsverlust muss sein.

    • @Sam Spade:

      So ist und war es mit der Friedenspolitik auch. Wenn man sich mit dem Kapital und großen "Ländern" (ok meist nur eins) ins Bett legt, kommt halt sowas raus.

      Ich finde es wie Sie, speiübel,wenn jetzt die Transformation sozialisiert werden sollte. Danach dann also BMW, Audi,....nennen wir das dann auch wieder "Sondervermögen"? ;) Es ist einfach nur absurd, und anstatt die Menschen dass zur Kenntnis nehmen und ihre Wahl daran anpassen. Wählt man dann die AfD und Co.? Man kann es einfach nicht glauben..

    • @Sam Spade:

      Deinem Beitrag kann man nur uneingeschränkt zustimmen!

    • @Sam Spade:

      …anschließe mich - denk ich an Schland in der Nacht…& 🏃 & 🏃‍♀️ & 🏃‍♂️ …KdF-Wagen by Habie - 🙀🥳😳 -

      Na Mahlzeit