58-Euro-Ticket vs. E-Auto-Prämie: Prämiert das Nichtbauen von Autos!

Während das 49- zum 58-Euro-Ticket wird, beraten Po­li­ti­ke­r:in­nen über eine E-Auto-Prämie. Damit befriedigen sie die Süchte der Autoindustrie.

Drohnenaufnahme Parkplatz mit vielen PKW

Für die Karren werden keine Kosten gescheut Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Man wird ja bescheiden in diesen Zeiten. Auf große Revolutionen im Verkehrssektor kann man so lange warten wie an einer roten Druckknopfampel für Fuß­gän­ge­r:in­nen – also mindestens so lange, bis man sich verhohnepipelt fühlt. Während Auto um Auto an einem vorbeirast. Es heißt ja auch Vorfahrt. Nicht Vorgang.

Darum freut man sich zum Beispiel wirklich extrem über den Weiterbestand des 49-Euro-Tickets. Das heißt zwar ab 1. Januar 58-Euro-Ticket, weil es teurer wird. Und zwar um satte 18 Prozent, was in Zeiten von zum Glück wieder gesunkener Inflation doppelt und dreifach ins Portemonnaie schlägt. Zudem erinnert die Preiserhöhung um 9 Euro fatal an das wirklich revolutionäre und daher natürlich sofort wieder eingestampfte 9-Euro-Ticket, mit dem man damals im Sommer 2022 drei Monate lang das Leben in vollen Zügen genießen konnte.

Aber immerhin konnten sich die Verkehrsminister von Bund und Ländern darauf einigen, dass es weiterhin dieses bundesweit geltende und bundeseinheitliche Ticket gibt, obwohl es dem Klimaschutz dient. Das darf man in der ansonsten alles torpedierenden Kleinstaatendominanz nicht unterbewerten.

Fast könnte man sich als Pragmatiker damit abfinden. Wenn es denn nicht auch noch andere Politiken gäbe. Zum Beispiel nahezu gleichzeitig auf dem Autogipfel. Da wird gerade über Kaufprämien für Elektro-Autos verhandelt. 4.000 Euro, so ist zu hören, hätte der Volkswagen-Konzern gern vom Staat. SPD-Wirtschaftspolitiker schlagen gar eine neue „Abwrackprämie 2.0“ vor. Wer seinen Verbrenner „abwrackt“ und ein neues E-Auto kauft, soll einen Bonus von 6.000 Euro bekommen. Man möchte wild aufbrausen wie der Porsche-Turbo, der auf der Überholspur hinter einem Sonntagsfahrer klemmt.

Die Nöte der Autoindustrie

4.000 Euro? Damit könnte man die jetzt fällige Preissteigerung beim ÖPNV für das – warum nennt die FDP das eigentlich nicht so? – Freiheitsticket locker 20 Jahre lang finanzieren – für gleich zwei Personen. Länger also, als jede Kiste halten wird, die in Wolfsburg vom Band läuft – äh, fährt. Und mit 6.000 Euro sogar 30 Jahre lang. Dann sieht auch jeder E-Oldtimer uralt aus.

Schlimmer noch: Auch wenn viele in der Diskussion dieses kleine „E“ verbal vor die Individualverkehr und damit Stau, Stress und Flächenfraß verursachenden Autos bappen, um damit dem ganzen einen klimabewussten Ökoanstrich zu geben; kein einziger Cent der jetzt diskutierten staatlichen Maßnahmen wird ausgegeben, um den Klimawandel zu stoppen. Oder wenigstens wegen eines irgendwie gearteten sozialen Ausgleichs. Nein, es dreht sich einzig und allein um die Nöte der Autoindustrie.

Der geht es gerade nicht so gut. Wegen China. Wegen eigener Behäbigkeit. Wegen … ach, es könnte einem egal sein. Doch dummerweise wurden in Deutschland in den letzten Jahrzehnten so viele Autos produziert, verkauft und verbraucht, dass der ganze Wirtschaftskreislauf schlichtweg abhängig davon ist. Wie ein Raucher vom Tabak, wie ein Junkie vom nächsten Schuss. Nur dass kei­n:e ver­nünf­ti­ge:r Po­li­ti­ke­r:in auf die Idee käme, Produktion und Verbrauch von Suchtmitteln noch staatlich zu begünstigen.

Helfen auf lange Sicht würde der Autorepublik Deutschland nur eins: der kalte Entzug

Weniger Arbeit, weniger Autos, weniger CO₂

Helfen auf lange Sicht würde der Autorepublik Deutschland nur eins: der kalte Entzug. Statt auf absatzfördernde Kaufprämien müsste der Staat der Industrie Nichtbauprämien anbieten. Für jedes Auto, das VW, BMW und Benz nicht auf den Markt stoßen, gibt es ein paar tausend Euro! Bei der Landwirtschaft geht das doch auch. Da bekommen Bauern Subventionen dafür, dass sie den Acker nicht beackern. Mal um die Überproduktion abzubauen. Mal aus zumindest vorgeblich ökologischen Gründen.

Wenn man dann noch die Konzerne dazu verpflichten würde, ihre Mit­ar­bei­te­r:in­nen angemessen an der Nichtbauprämie zu beteiligen, sodass sie beim vollen Lohnausgleich die Arbeitszeit reduzieren könnten, wären alle glücklich. Weniger Arbeit, weniger Autos, weniger CO₂. Mehr vom Leben für alle.

Wirklich schade ist es also, dass Verkehrsrevolutionen noch seltener kommen als grünes Licht an der Fußgängerampel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben