piwik no script img

Putin zur Kriegslage„Hauptziel“ Donbass

Beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok zeigt sich Russlands Präsident optimistisch. Den US-Wahlen begegnet er mit antisemitischer Verschwörungsideologie.

Mit dem Lachen hat er es nicht so: Wladimir Putin beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok Foto: Kirill Kazachkov /reuters

Moskau taz | Es ist seine übliche Aufzählung von Erfolgsmeldungen, das macht Russlands Präsident Wladimir Putin gern, egal, wo ihm der rote Teppich ausgerollt wird. Am Donnerstag eben auf dem Wirtschaftsforum in Wladiwostok, in Russlands Fernem Osten. Die Inflation, ja, etwas hoch, sagt Putin, aber sie sinke nun. Arbeitskräftemangel, ja, gebe es, aber in Russland, sagt Putin, strebe man immer nach vorn, sein Ziel vor Augen. Und das sei klar: Entwicklung, Entwicklung, Entwicklung. „Alles für die Menschen.“

Die Menschen, vor allem in der Region Kursk, verlassen gerade nur mit dem, was sie am Leib tragen, ihre Häuser, weil die ukrainische Armee Tausende Quadratmeter dieser Region kontrolliert. Sie stranden in Flüchtlingsunterkünften, Zukunft ungewiss.

In anderen Teilen des Landes verpflichten sich Menschen als Soldaten, weil Millionen Rubel sie locken und die russische Propaganda sie glauben macht, sie verteidigten als Helden ihr Vaterland. Die Mütter dieser Neusoldaten wissen, dass sie ihre Söhne verlieren werden, und reden sich gleichzeitig ein, es werde diesen schon nichts passieren. Eine Strategie der Beschönigung, um sich den Verbrechen der Söhne und des eigenen Staates nicht stellen zu müssen.

Zynismus und Beschönigungen

Beschönigen, verdrehen, dazu zynisch lachen, das beherrscht auch Russlands Präsident, wie er in Wladiwostok zeigt. Beim US-Wahlkampf unterstütze er natürlich Kamala Harris, sagt er, und überrascht damit offensichtlich einige. Seine Körpersprache, sein verächtliches Lächeln verraten allerdings, dass Putin sich über die US-amerikanische Präsidentschaftskandidatin lustig macht. Sie habe so ein ansteckendes Lachen, sagt einer, dem gerade das fehlt. „Es geht ihr also gut. Das wird sie hoffentlich davon abhalten, gegen unser Land so viele Sanktionen einzuführen wie einst Präsident Trump.“ Dann wartet er auf die nächste Frage.

Dass die Ukraine Teile der russischen Region Kursk besetzt hält, die erste Eroberung russischen Territoriums seit 1941, erwähnt er fast beiläufig. „Der Feind wollte uns nervös machen und dazu bringen, Truppen zu verlegen und unsere Offensive im Donbass zu stoppen. Doch die Befreiung des Donbass ist unser Hauptziel“, sagt Putin. Dann driftet er ab. „Ich habe den Eindruck, dass die, die die Ukraine regieren, entweder Außerirdische oder Ausländer sind“, sagt er und bedient sich damit antisemitischer Verschwörungstheorien.

Rechtsesoterische Weltverschwörungstheorien

Der weltweit populäre rechtsesoterische Brite David Icke beschreibt in seinen Schriften reptilienähnliche Außerirdische, die aus unterirdischen Bunkern heraus politische Prozesse kontrollieren. In Russland verbreitete der Antizionist Waleri Jemeljanow bis zu seinem Tod 1999 die Theorie der Weltverschwörung durch reptilienartige Außerirdische und schwadronierte über die Überlegenheit der russischen Nation.

Putin bedient sich nicht zum ersten Mal antisemitischer Sprüche. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bezeichnete er einst als „Schande des jüdischen Volkes“. Das hätten ihm „jüdische Freunde“ gesagt. Ein antisemitischer Klassiker.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Frau Hartwich muss nicht alles ins "antisemitische" Muster ziehen, was an Putins Äußerungen unglaubwürdig oder kritikwürdig erscheint.



    Der Spruch mit "jüdische Freunde" hätten ihm gesteckt, Selenskyj sei "eine Schande" ist nicht per se antisemitisch. Er ist einfach unglaubwürdig durch den der es sagt: Was immer auch Putin für "jüdische Freunde" haben mag oder nicht: sie sagen im genauso was er hören will, wie alle anderen. Da braucht's keinen Antisemitismus.



    Wenn ein Bayern - Fan sagt: ein befreundeter Leverkusener hätte ihm erzählt, im Bayer-Trainingslager humpeln sie alle, ist das auch kein Glaubensbekenntnis.

  • Der Wert des Donbass und seiner Bodenschätze ist wie hoch?



    600 Billionen US$ ?

    Da ist noch Luft nach oben für weitere Verschuldung der UA an US Waffenfirmen.



    Rüstungsgüter in Kriegsgebiete ein gutes Geschäft.



    Das haben jetzt sogar die Grünen begriffen.



    Oder doch schon damals, 2014?



    Als ML Beck noch die ewige Kanzlerin zum Thema UA beriet.. ?

    So viele Fragen.



    So viel Leid.



    Kollateralschäden für das Grosse Ganze.



    Dem Donbass

    • @CeeEmm:

      Wenn Putin den Krieg tatsächlich um die fossilen Boden"schätze" im Donbass führen würde, dann könnte er ja mit den Eroberungsversuchen aufhören und anbieten: das war's jetzt, ich habe, was ich wollte.



      Ich fürchte, die Bodenschätze sind ihm herzlich egal. Er will den Schwarzmeerzugang, die Krim und keine Demokratie neben seinen Atom-U-booten.



      Und wahrscheinlich sind, was "Bodenschätze" angeht, ihm die landwirtschaftlichen Produktionsflächen der Ukraine weit wichtiger, weil sie einer der wichtigsten Konkurrenten auf dem Welt-Nahrungsmittelmarkt ist.

    • @CeeEmm:

      "Der Wert des Donbass und seiner Bodenschätze ist wie hoch? 600 Billionen US$ ?"



      Der Wert des Donbas ist gleich Null. Das letzte noch in Betrieb befindliche Bergwerk des Donbas (auf russisch besetztem Gebiet) wurde vor zwei, drei Monaten dicht gemacht.



      Schon vor 2022 haben die Russen im besetzten Gebiet die meisten Bergwerke einfach verkommen und vielfach volllaufen lassen. Weil die Stollen über zig km korrespondieren, kam man auf der ukrainischen Seite mit dem Pumpen kaum hinterher. Dann kam der Angriff, und gepumpt werden kann nicht mehr. Diese abgesoffenen Schächte werden niemals wieder in Betrieb gehen. In riesigen Gebieten sind Grund- und Oberflächenwasser verseucht. Mit Schwermetallen, und auch (wegen der Ausschwemmung eingelagerter radioaktiver Abfälle) radioaktiv.



      www.deutschlandfun...tastrophe-100.html



      www.tearline.mil/p...in-eastern-ukraine



      www.dw.com/en/toxi...ut-coal/a-60084288



      https://euromaidan...rainian-frontline/

      • @Barbara Falk:

        Sehr interessant. Der Donbass wäre ein ökonomisch sehr lohnendes Kiegsziel. - Wenn man sich früher mit gebildeten ethnischen Russen unterhalten, die hierher gekommen waren um zu arbeiten, konnte man ihnen eine Frage stellen: Warum sind Sie hier, Sie kommen aus dem größten und dem reichsten Land der Erde und müssen sehen wie Sie hier ein Auskommen finden ? Diese Frage konnten sie regelmäßig nicht beantworten. D.H. sie konnten mit ihrem Land nichts anfangen. Sie sind so erzogen, dass sie von anderen etwas wollen, obwohl sie selbst alles haben. M.T. Kalaschnikow wäre am liebsten Landmaschinenkonstrukteur geworden, der aufgezwungene Krieg hat ihn zum Waffenkonstrukteur gemacht. /1 Das gibt es auch. Das saure Gesicht von Waldemar P. bei der Beisetzung ist bekannt.

        /1



        www.foxnews.com/st...with-his-invention

        • @Hans - Friedrich Bär:

          Die Frage nach den ökonomischen Gründen für die Eroberungen des Donbass stellt sich zumindest mir persönlich schon eine ganze Weile.

          Die EU möchte immer weiter weg von fossiler Energie hin zu erneuerbarer und E-Mobilität.



          Hierfür sind natürlich die Ressourcen die im Donbass liegen interessant.



          Auf diesem Weg könnte Russland weiterhin ein Lieferant für die EU werden nachdem das Erdöl für die EU weniger relevant geworden ist.

          Nur die Bösen Ukrainer wollen da irgendwie nciht mitspielen...

          Das andere das es zu berücksichtigen ist natürlich die, bevor Russland ales erfolgreicht Groznyfiziert hat, Fabriken in der Ost-Ukreine dir für das russiche Militär wichtige Komponenten wie Hubschraubermotoren und Raketentriebwerke hergestellt haben.



          Also ebenfalls ökonomisch und militärisch wichtig.

          Natürlich hätte Putin diese gerne ohne einen Schuss abzufeuern einfach heim ins Reich geholt.

          Aber auch da haben die bören Ukrainer wieder nicht mitgespielt.



          Wäre es nciht so traurig was dort passiert könnte man es mit einer Folge Scooby-Doo vergleichen.

  • Er steckt ein Minimalziel ab und lotet Frieden aus: Lasst mich den Donbass (in welchen Grenzen?) behalten, die Krim sowieso, dann sind wir im Gespräch.

    Auch Putin-Russland hat eingesehen, dass es die europafreundliche Regierung in Kiyw nicht loswürde. Jetzt muss es nur noch begreifen, dass nur Status Quo Ante halbwegs stabil wäre, und daraus Folgerungen ziehen.

  • _Putin ist eine Schande für ein Land, das u.a. Tolstoij, Dostojewski und Strawinskij hervorbrachte.