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Diplomatievorstoß von Olaf ScholzEs riecht nach Wahl

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Der Kanzler ändert vor der Brandenburg-Wahl den Ton. Doch er hat Recht: Natürlich gehören Waffenlieferungen an die Ukraine und Diplomatie zusammen.

Olaf Scholz verlautbarte beim ZDF-Sommerinterview, er halte es für möglich, „zügiger zu einem Frieden“ in der Ukraine zu kommen Foto: Thomas Kierok/ZDF/dpa

O laf Scholz hält es für möglich, doch „zügiger zu einem Frieden“ in der Ukraine zu kommen. Das klingt ungewohnt. Die Worte Diplomatie und Frieden kommen in Scholz’ Wortschatz ja seit Längerem kaum mehr vor. CDU-Falken wie Roderich Kiesewetter wittern schon Verrat. Die SPD wolle mal wieder die Ukrai­ne ans Messer liefern. Verrat? Eine Wende?

Verrat – auf keinen Fall. Die recht vage Ankündigung des Kanzlers ist offenbar mit der Ukraine abgestimmt. Auch Präsident Selenskyj will, dass Russland bei der nächsten Ukraine-Konferenz dabei ist. Eine Wende ist das alles nicht.

An der vergangenen Ukraine-Konferenz in der Schweiz nahmen Vertreter von 59 Regierungen teil, China und Russland nicht. Die Konferenz war sinnvoll, um Staaten des Globalen Südens die berechtigten Forderungen der Ukraine nach dem Rückzug aller russischen Truppen und Entschädigung näherzubringen. Aber ernsthafte Deals werden nicht in dem Format Ukraine-Konferenz gemacht – sondern mit China, Russland, den USA und wenigen anderen Playern. Dass Scholz und Selenskyj Russland zur nächsten Ukraine-Konferenz einladen wollen, ist also nicht ganz so wichtig. Und: Seriöse Verhandlungen sind erst nach den US-Wahlen im November denkbar. Die Frage, ob Donald Trump oder Kamala Harris regieren werden, ist zentral. Die US-Waffenlieferungen sind für die Verteidigung der Ukraine unersetzbar.

Scholz’ neue Wortwahl ist der zaghafte Versuch, ruinierte Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Scholz hatte lange vor dem Einsatz deutscher Waffen auf russischem Gebiet gewarnt. Als die Ukraine genau dies tat, winkte die Bundesregierung das ebenso schweigend durch wie die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Von Scholz’ Image als kühl vorausdenkender Stratege, der besonnener handelt als Hitzköpfe wie Kiesewetter, sind nur noch Trümmerstücke übrig.

Die andere Seite des Schweigens

In zwei Wochen wird in Brandenburg gewählt. Eine Niederlage der SPD nach 34 Jahren Regierung wäre auch für Scholz ein Desaster. Die Friedensrhetorik von Wagenknecht – der Westen müsse nur wollen, schon gebe es Frieden – ist intellektuell beleidigend, aber in ihrer schlichten Suggestivität auch für Teile der SPD-Klientel attraktiv. Die Erfolge des BSW sind die andere Seite des Schweigens des Kanzlers.

Also ist Scholz’ neu erwachte Friedensrhetorik Wahltaktik? Es wirkt so. Im besseren Fall würde die Rückbesinnung folgen, dass Waffenlieferungen an die Ukraine und Diplomatie zusammengehören. Und es ist Scholz’ Job, das zu erklären. Der Platz zwischen Wagenknecht und Kiesewetter darf diskursiv nicht leer sein.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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16 Kommentare

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  • Kohl -> Wiedervereinigung



    Schröder -> Hartz4



    Merkel-> Flüchtlingspolitik



    Scholz->?? Profillos

    • @Rudi Hamm:

      Kohl -> Korruption und Verscherbeln des Ostens an die reiche Kaste

      Schröder -> Neoliberalisierung Deutschlands zugunsten der reichen Kaste

      Merkel -> Herunterwirtschaften des Landes und Umverteilung von unten nach oben

      Scholz -> Korruption und Totalversagen.

      Passt in die Reihe, meines Erachtens.

  • Die Zusammenhänge werden mal wieder falsch dargestellt. Waffenlieferung und Diplomatie "gehören nicht zusammen", sondern Waffenlieferungen eröffnen erst die Chance auf Verhandlungen in ferner Zukunft. Es gibt in diesem Land eine Menge Profis, die ihre Brötchen mit verhandeln verdienen. Die können genau erklären, welche Voraussetzungen Verhandlungen haben, was Verhandlungen ermöglicht und was sie scheitern lässt. Die fragt keiner. Stattdessen fragt man Leute wie Winfried Herrmann, der offensichtlich schon mit der Verhandlung eines Gebrauchtwagens rettungslos überfordert wäre, und der außer dem einen Wort "Verhandlungen" nichts mehr zu sagen weiß. Mal abgesehen davon, dass gute Ratschläge dazu an die Ukraine aus Deutschland sowieso schon eine bodenlose Unverschämtheit sind.

  • Das Problem hatten wir doch 2015, auf Druck aus dem Westen hat die Ukraine einen Vertrag abgeschlossen. Das war für Putin die Einladung weiterzumachen. Die Angebote zu Friedensgesprächen durch Putin sind doch toxisch. Die von Ihm definierten Vorbedingungen können keine Gesprächsbasis sein. Die von Ihm angesprochenen Gesprächergebnisse von 2022 können auf Grund seines grausamen Angriffskrieges nicht mehr Basis für heutige Verhandlungen sein. Ich habe auch nicht gelesen, dass die Vorschläge mit Selensky abgesprochen waren. Es wäre schön wenn man den Krieg entsprechend dem Völkerrecht beenden könnte. Das wird Putin aber nicht machen. Es ist leider so dass das zögerliche Handeln des Westens Putin Abnutzungskrieg in die Hände spielt.

  • „Der Platz zwischen Wagenknecht und Kiesewetter darf diskursiv nicht leer sein.“



    Na ja, Herr Reinecke, zumindest hier im Forum versuchen ich und so einige Mitstreiter das ja immer wieder … nur irgendwie dringt man nicht durch.😉

  • Migration und Frieden waren die Themen mit denen AfD und BSW in Sachsen und Thüringen gepunktet haben, natürlich springt Scholz jetzt auf diesen Zug auf.



    Nur hat Scholz durch seine Untätigkeit diese Sachen erst groß gemacht.

    • @Günter Witte:

      Ich würde eher sagen, Rassismus und Russenfreundlichkeit waren die Themen von AFD und BSW. Damit haben sie im Osten gepunktet.

  • Ein richtig grosses Problem bekommt Scholz, bekommen die Waffenlieferungen, bekommt vor allem die Ukraine, wenn Putin seine Strategie wechselt und anbietet : Stopp der Kampfhandlungen, Verhandlungen mit Putin am Tisch.



    DIESE Sorge war vermutlich der Hauptgrund für den ukrainischen Angriff auf russisches Gelände. Denn dann kann Putin schlecht sagen: Ich hab, was ich wollte, ohne russisches Gebiet dauerhaft zu verlieren.

    • @Monomi:

      Putin hat (in territorialer Hinsicht) ja eigentlich schon das erreicht, was er wollte, viel mehr geht nicht. Das Ziel, sich die ganze Ukraine einzuverleiben, musste er sich doch schon in den ersten Kriegstagen abschminken.



      Mit Blick auf eine Verhandlungslösung ist es jetzt entscheidend, in welche Richtung sich die Einschätzungen der westlichen Ukraine-Unterstützer bewegen, insbesondere in Washington: 1. Putin erkennt, dass für ihn mit den bisherigen Gebietsgewinnen das „Ende der Fahnenstange“ erreicht und definitiv nicht viel mehr herauszuholen ist (die ukrainische Kursk-Offensive mag da den Erkenntnisprozess beflügeln). 2. ein Einknicken der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt wird seinen Landhunger nur noch mehr anheizen und wäre die Vorstufe für noch unangenehmere Szenarien für Russlands Nachbarn und sogar die gesamte „freie“ Welt.



      Da wir nicht vor einer Glaskugel sitzen, können wir nicht wissen, welches Szenario das wahrscheinlichere ist.

  • Nuja, bei dem, was bei potentiellen Neuwahlen vermutlich antritt (Sahra Höcke, das Unterwäsche-Model, Mr. Magoo, Cindy & roBert, der Pinky und der Fritze und natürlich die Schweizer Hasspredigerin) gibts nur eine ansatzweise seriöse Möglichkeit: die PARTEI.

  • Es gibt genau drei Szenarien, in denen Diplomatie möglich sein wird: Es zeichnet sich ein militärischer Sieg der Ukraine ab, es zeichnet sich ein militärischer Sieg Russlands ab oder beide Seiten sehen keine Möglichkeit mehr zu Gewinnen. Wsffenlieferungen sind dazu da, zu beeinflussen in welcher lachen Szenario es zur Diplomatie kommt.

    • @Magnus_15:

      Mit dürren Worten ausgedrückt, was ist. Sie sollten Friedensforscher werden.

  • Nach der Wahl ist ja immer auch vor der Wahl.



    Dass in der SPD auch eine große Gruppe für Friedensverhandlungen eintritt, ist kein Novum.



    Insofern ist der Schritt folgerichtig.



    Angeblich wollen ja irgendwie Alle Frieden, also ganz nach dem Motto handeln : Versuch macht kluch!

    • @Philippo1000:

      Es gab genug Versuche, jetzt müssen die Erkenntnisse aus Putins Handlungsweise umgesetzt werden.

  • Es hängt auch mit der Wahl in Brandenburg zusammen, aber nicht nur. Es gibt auch noch die US-Wahlen. Es ist auch das spürbare Desinteresse für die Ukraine, nicht nur bei uns. Und es ist auch interessant, dass ausgerechnet Melnyk sich mehr Diplomatie wünscht. Dann noch die ständigen personellen Veränderungen in der Ukraine durch Selenskyj. Das alles zeigt doch auch, dass es auf dem Schlachtfeld nichts mehr zu gewinnen gibt. Die Diplomatie soll es richten, was durchaus möglich ist.

  • Wenn Scholz das mit Blick auf kommende Wahlen erklären muss, soll und hoffentlich kann, dann müsste er das vor Ort in Brandenburg tun. Mit mehr Charisma, Energie und Überzeugungskraft als er bisher gezeigt hat.



    Blöd nur, dass ihn dort für den SPD-Wahlkampf praktisch niemand dabei haben will, denn die Angst davor, dass er mit seiner Rhetorik toxisch wirkt, ist übergroß.



    Es gibt eine Ähnlichkeit zu Biden: auch ihn wollte vor seinem Rückzug kaum jemand als Wahlkampfhelfer, denn das Risiko von kontraproduktiver Wirkung erschien zu hoch.