+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Drohnenangriffe Richtung Moskau
Nach Abwehr eines ukrainischen Drohnenangriffs stellen mehrere Moskauer Flughäfen den Betrieb vorübergehend ein. Selenskyj mahnt zur Eile bei Waffenlieferungen.
Russland meldet Abschuss von 144 ukrainischen Drohnen
Das russische Militär hat laut Verteidigungsministerium in der Nacht zum Dienstag über neun Regionen des Landes 144 ukrainische Drohnen abgefangen und zerstört. 72 davon seien über der an die Ukraine grenzenden Region Briansk abgewehrt worden, 20 über der Region Moskau, 14 über der Grenzregion Kursk, 13 über der zentralen Region Tula und 25 weitere in fünf anderen Teilen Russlands.
In Ramenskoje nahe der russischen Hauptstadt sei eine Frau ums Leben gekommen, sagte Gouverneur Andrej Worobjow. Drei weitere Menschen wurden demnach verletzt. Es war einer der größten Drohnenangriffe der Ukraine auf Russland seit Kriegsbeginn. In der Nacht auf den 1. September hatte das russische Militär nach eigenen Angaben 158 ukrainische Drohnen abgefangen. Ukraine und Russland greifen sich in der Nacht regelmäßig gegenseitig mit Drohnen an. Aber es ist selten, dass es ukrainischen Drohnen gelingt, die Region Moskau zu treffen. (ap/afp)
Russische Flughäfen melden Ausfälle wegen Drohnengefahr
Nach den Drohnenattacken im Moskauer Gebiet haben drei Hauptstadtflughäfen über Stunden keine Starts und Landungen mehr zugelassen. Betroffen gewesen seien die Airports Wnukowo, Domodedowo und Schukowski, teilte die russische Luftverkehrsbehörde Rosawiazija in Moskau mit. Demnach lief der Betrieb nur am größten Hauptstadtflughafen Scheremetjewo ungehindert weiter.
An den anderen drei Airports gab es den Angaben zufolge über sechs Stunden lang bis zum Morgen keine Starts und Landungen. Die Zahl der Flugausfälle war zunächst unklar. Auch in der Vergangenheit gab es an den Moskauer Flughäfen nach Drohnenattacken zeitweise Stopps von Starts und Landungen. Doch dürften die neuen Einschränkungen die größten seit Beginn des russischen Angriffskrieges gewesen sein.
Auch in Kasan, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tatarstan, gab es erneut keine Starts und Landungen auf dem Flughafen. Dort will sich Kremlchef Wladimir Putin im Oktober als Gastgeber des Brics-Gipfels aufstrebender Industrieländer präsentieren. Es ist das mit Abstand größte politische Ereignis in Russland in diesem Jahr. (dpa)
Ukraine meldet Beschuss, Russland meldet Vormarsch
Bei russischen Drohnen- und Raketenangriffen sind Behördenangaben zufolge in der Ukraine mindestens drei Menschen verletzt worden. Gebäude seien beschädigt und Brände ausgelöst worden, teilen örtliche Behörden mit. Die Luftabwehr habe bei dem nächtlichen Angriff 38 von 46 russischen Drohnen über 13 Regionen abgeschossen, teilt die Luftwaffe auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Russland habe bei seinem Angriff auch zwei Raketen eingesetzt. Bei dem Angriff seien auch Energieanlagen in acht ukrainischen Regionen attackiert worden, teilt das Energieministerium in Kyjiw mit. Dies habe Störungen an Hochspannungsleitungen und Umspannwerken verursacht. In der Hauptstadt wurde die Luftabwehr ebenfalls aktiviert, laut Militärverwaltung in Kyjiw gab es „keine Konsequenzen nach dem russischen Drohnenangriff“.
Am Vortag des jüngsten Angriffs hatte Russland gemeldet, eine weitere Ortschaft nahe der strategisch wichtigen Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine eingenommen zu haben. Die russische Armee habe das rund 20 Kilometer von Pokrowsk gelegene Dorf Memryk „befreit“, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Pokrowsk ist ein wichtiger Logistikstützpunkt der ukrainischen Armee. (afp/rtr)
Selenskyj mahnt zur Eile bei Waffenlieferungen
Die ukrainische Staatsführung ruft dazu auf, die beschlossenen Hilfsvereinbarungen mit dem Westen schnellstmöglich in die Tat umzusetzen. „Der Kriegsverlauf hängt direkt von der Qualität der Logistik bei den Lieferungen und der Erfüllung aller Versprechen der Partner ab“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Waffen und Gerät müssten rechtzeitig ankommen, um Erfolg zu haben. „Was im September gebraucht wird, muss im September an unsere Truppen geliefert werden.“
Die Ukraine ist massiv unter Druck geraten, nachdem die Hilfslieferungen aus den USA durch einen innenpolitischen Streit in Washington monatelang gestockt hatten. Auch weil Waffen und Material fehlten, konnten die ukrainischen Truppen einige wichtige und gut befestigte Frontabschnitte speziell im Osten nicht halten. (dpa)
Raketenlieferungen: Kyjiw bestellt iranischen Gesandten ein
Die materielle Überlegenheit an der Front verdankt Russland Berichten zufolge auch Lieferungen von Verbündeten wie dem Iran. Wegen der angeblichen Lieferung ballistischer Raketen an Russland bestellte Ukraines Außenministerium den iranischen Gesandten ein. Diesem sei in „harter Form“ eine Warnung an die iranische Staatsführung übermittelt worden, teilte das Ministerium in Kyjiw mit. Sollten sich die Berichte bestätigen, werde das „verheerende und nicht wiedergutzumachende Folgen“ für die bilateralen Beziehungen haben.
Zuvor hatten US-Zeitungen unter Berufung auf Quellen in Washington berichtet, dass Teheran ballistische Kurzstreckenraketen an Russland geliefert habe. Moskau greift Ziele in der Ukraine bereits seit Herbst 2022 mit Kampfdrohnen iranischer Bauart an. Teheran streitet Waffenlieferungen jedoch immer wieder ab. (dpa)
Scholz nennt Bedingungen für Verhandlungen mit Moskau
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Teilnahme Russlands an einer möglichen Ukraine-Friedenskonferenz an Bedingungen geknüpft. Er betonte am Montagabend auf einer Veranstaltung des Vorwärts, dass neben der notwendigen militärischen Unterstützung der Ukraine gegen den Angreifer Russland auch ausgelotet werden solle, wie man aus der Kriegssituation wieder herausfinde. Er wolle wie die ukrainische Führung eine weitere Friedenskonferenz, an der auch Russland teilnehmen solle, sagte er.
„Das geht natürlich nicht, wenn derjenige, der da sitzen soll, gleichzeitig sagt ‚Ich greife aber immer weiter an‘“, fügte Scholz mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin hinzu. Dieser sage zu einer Friedensaussicht sogar, dass er dann noch mehr vom ukrainischen Territorium haben wolle. „Ich finde, wir brauchen in dieser Situation das, was in der Politik immer wichtig ist: Klarheit, Festigkeit und Charakter. Darum geht es, wenn man Frieden und Sicherheit in Europa sichern will“, betonte der Kanzler. (rtr)
Lawrow: Westen will nicht ehrlich verhandeln
Russland wirft den Unterstützern der Ukraine Unehrlichkeit vor. „Der Westen will nicht ehrlich verhandeln“, sagte Außenminister Sergej Lawrow nach einem Treffen mit arabischen Kollegen des Golfkooperationsrats in Riad. Westliche Staatschefs klammerten sich an die für Moskau unannehmbare Initiative des ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Das bedeute, dass der Westen weiterhin alles tue, um Russland eine strategische Niederlage auf dem Schlachtfeld zuzufügen. Die Initiative Selenskyjs fordert den Abzug russischer Truppen von ukrainischem Gebiet.
Lawrow ging auch auf einen Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz ein. Nach dessen Worten über die Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung gebe es in der deutschen Presse Andeutungen darüber, dass eine Lösung die russischen Eroberungen berücksichtigen müsse. Es gehe aber nicht um Territorien, behauptete Lawrow: „Wir haben niemals fremden Boden gewollt, wir wollten nur, dass man den Menschen, die Teil der russischen Welt, der russischen Kultur, russischen Sprache, Geschichte, Religion sind, human begegnet, wie dies das internationale Recht, viele Menschenrechts- und Minderheitskonventionen und vor allem die Satzung der Vereinten Nationen fordert“.
Russland wird keine Verhandlungen mit der Ukraine führen, bis sich ihre Streitkräfte aus russischen Gebieten zurückgezogen haben. Das berichtet die Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf den russischen Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu. (dpa/rtr)
Van Aken: Scholz muss für Ukraine-Frieden aktiv werden
Der mögliche neue Linken-Chef Jan van Aken drängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu konkreten Schritten für Friedensgespräche mit Russland über ein Ende des Ukraine-Kriegs. Daran müsse sich Scholz messen lassen, sagte van Aken der DPA. „Es gibt dafür bis heute keine Energie der Bundesregierung. Ob das jetzt ein Wendepunkt wird, wird sich daran zeigen, ob sie jetzt wirklich aktive Schritte gehen.“
Scholz hatte am Wochenende im ZDF gesagt: „Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht.“ Bei einer weiteren Friedenskonferenz müsse auch Russland dabei sein.
Die Linke fordert seit Langem diplomatische Bemühungen für ein Ende des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. „Aber es geht um einen gerechten Frieden, und was das ist, können nur die Menschen in der Ukraine selbst definieren“, sagte van Aken, der sich gemeinsam mit Ines Schwerdtner um den Vorsitz der Partei bewirbt. Da unterscheide sich die Position der Linken vom Bündnis Sahra Wagenknecht. „Alles, was ich von BSW höre, läuft auf den Diktatfrieden hinaus, und das lehne ich komplett ab.“
Van Aken und Schwerdtner bekennen sich ausdrücklich zum Grundsatzprogramm der Linken, in dem es heißt: „Wir fordern die Auflösung der Nato und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands“. Das gehe zwar im Moment nicht, weil das Vertrauen zu Russland fehle. „Doch da müssen wir wieder hinkommen“, sagte van Aken. Ein Zeitrahmen von 30 Jahren scheine realistisch. „Die Nato braucht kein Mensch, sie ist keine Wertegemeinschaft, sondern ein knallhartes Machtbündnis. Wir sind für eine strategische Autonomie der EU und dafür, dass Sicherheit in Europa gedacht wird.“ (dpa)
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