piwik no script img

Wiederaufbau der GarnisonkircheTurmbau zu Potsdam

Nach jahrzehntelangem Streit eröffnet Bundespräsident Steinmeier den Turm der Garnisonkirche. Er soll für Versöhnung und Frieden stehen.

The place to be: Einweihung des wiedererrichteten Turms der Garnisonkirche in Potsdam Foto: Christoph Soeder/dpa

Potsdam taz | Es ist kein einfacher Termin, den Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Potsdam vor sich hat. Zur Eröffnung der wiederaufgebauten Garnisonkirche sprechen, eines Gebäudes also, das weithin als Symbol für die schlimmste Zeit der deutschen Geschichte gilt. Steinmeier aber hat die Schirmherrschaft für den umstrittenen Bau übernommen, und so ist er an diesem Donnerstag die paar Kilometer aus Berlin gekommen, um im Kirchturm die Festrede zu halten.

Von einem „guten Anfang auf altem Grund“ spricht Steinmeier in der Kapelle und von einer barocken Fassade, die „mit viel Geschichte beladen“ sei. „Gerade hier werden wir schnell auf schmerzhafte, unheilvolle Teile unserer Vergangenheit stoßen.“

Tatsächlich muss man die positiven Stellen in der Geschichte der Kirche mit der Lupe suchen. Von Anfang an Ausdruck der engen Verbindung von aggressivem Nationalismus, Militarismus und der evangelischen Kirche in Preußen, wurde der Bau 1933 zur Bühne für den symbolischen Handschlag von Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler. Im Krieg schwer beschädigt, ließ die DDR die Ruine schließlich sprengen. Die Initiative für den Wiederaufbau kam ab den 80er Jahren zunächst aus rechten Kreisen. Nun, über 30 Jahre später, also die Eröffnung des Turms.

Dass es bis heute viele in Potsdam gibt, die den Wiederaufbau ablehnen, merkt man auch am Donnerstag. Einige hundert De­mons­tran­t*in­nen haben sich vor dem Kirchturm versammelt. In den ersten Minuten von Steinmeiers Rede dringen ihre Sprechchöre sogar durch die dicken Mauern in die Kapelle.

Steinmeier hält ihnen entgegen: „Ein Ort, der nicht mehr da ist, würde das kritische Erinnern nicht leichter machen.“ Gleichzeitig sagt er auch: „Die Debatte um die Garnisonkirche ist Ausweis eines kritischen Geschichtsbewusstseins.“ Zeitweise wirkt es so, als wäre er den Protestierenden fast dankbar.

Meine Hoffnung ist, dass es ein Insolvenzprojekt wird

Ein Demonstrant

Auch die anderen Red­ne­r*in­nen, wie Bischof Christian Stäblein und Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), geben sich sichtlich Mühe, Position gegen Militarismus, Nationalismus und Geschichtsrevisionismus zu beziehen. Stäblein will den Turm als „Ort der Wachsamkeit“ gegen rechte Ideen begriffen wissen. An der Decke hängen Origami-Tauben, und eine Gruppe Schü­le­r*in­nen trägt eine Performance vor mit dem Titel „Frieden ist…“.

Dieser Botschaft gegenüber steht ein Teil der Menschen auf der Gästeliste. In der Kapelle sitzt neben Polit- und Kirchenprominenz auch der umstrittene Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen, direkter Nachfahre von Kaiser Willhelm II. Bis März 2023 versuchte er, die durchaus bedeutende Rolle seiner Familie, der Hohenzollern, beim Aufstieg der Nazis zu beschönigen, um enteignete Besitztümer zurückzubekommen.

Im Kirchturm ist zwischen Kapelle und Aussichtsplattform auch eine Ausstellung untergebracht. Nach allen Regeln der Kunst moderner Museumspädagogik wird auf der dritten Etage der historische Kontext der Garnisonkirche dargestellt. Ein touristischer Hotspot war die Kirche im 19. Jahrhundert, erfährt man. Be­su­che­r:in­nen strömten in die Kirche, vor allem, um die sterblichen Überreste des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., der den Bau der Kirche einst in Auftrag gab, und dessen Sohns, Friedrich II. („der Große“), in Augenschein zu nehmen, die in der Gruft begraben lagen. „Für deutsche Nationalpatrioten ist der Besuch vor diesem Hintergrund nahezu obligatorisch“, heißt es in der Ausstellung, schon weit vor der NS-Zeit.

So wird ersichtlich, wie sich preußischer Militarismus und Christentum miteinander verbanden. Immer wieder nimmt die Ausstellung auf die deutsche Kirchengeschichte Bezug, erklärt detailliert die Rivalität zwischen der „Bekennenden Kirche“ und den „Deutschen Christen“, die sich positiv auf den Nationalsozialismus bezogen, und spart auch die Umweltbewegung in der DDR nicht aus – zwei Aspekte, die freilich nur bedingt mit der Garnisonkirche in Zusammenhang stehen.

Es dauert eine Weile, bis die NS-Zeit und der folgenschwere „Tag von Potsdam“ 1933 behandelt werden. Ein alter RBB-Beitrag verdeutlicht die Bedeutung des Handschlags zwischen Hitler und von Hindenburg, zitiert Letzteren, der sich wünscht, der Geist der alten preußischen Ruhmesstätte möge auch „das heutige Geschlecht beleben“. Im Überblickstext eingangs der Ausstellung fehlt der Hinweis auf die zwölf NS-Jahre zwischen Preußenreich und der Sprengung der Kirche durch die DDR-Regierung 1968.

Die ist im letzten Ausstellungsraum ausführlich Thema, bevor es an den Wiederaufbau geht. Dass der durchaus umstritten ist, lässt sich an den Infotafeln an der Wand nachlesen. Ein Zitat des Historikers Martin Sabrow, wonach Be­für­wor­te­r:in­nen und Geg­ne­r:in­nen des Wiederaufbaus mehr vereint als trennt – beide würden sich „aus Furcht vor der Zukunft an das, was gewesen ist“, klammern – unterstreicht den Anspruch von Kurator Jürgen Reiche, sich nicht von einer Seite vereinnahmen zu lassen.

Dem Zitat Sabrows ist eins von Oberstleutnant a. D. Max Klaar zur Seite gestellt, der den Wiederaufbau einst angestoßen hatte. Dass es sich bei Klaar um einen Rechtsradikalen handelt, ist auf den ersten Blick allerdings nicht ersichtlich.

Wer sich für Feinheiten interessiert, kann in einem Ordner mit Zeitungsartikel blättern. Die skandalträchtige Aufstellung des Glockenspiels findet immerhin noch Platz auf der Wand, bevor die letzte Tafel der Ausstellung die Wichtigkeit der Bundeswehr in Zeiten aktueller Bedrohungslagen würdigt.

Dass die heutigen Militärs nach wie vor an der Garnisonkirche interessiert sind, zeigt sich am Donnerstag deutlich. Zwischen dem Dunkelblau der vielen Anzüge sticht im Publikum immer wieder das Feldgrau der Bundeswehr-Paradeuniformen durch.

Als Anzugträger, Militärs und schließlich auch Steinmeier aus dem Turm treten, schreien ein paar Ge­gen­de­mons­tran­t*in­nen der Initiative „Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ ihm und seiner Entourage „Heuchler“ entgegen und: „Schämt euch“. Der taz sagt eine von ihnen: „Ich verstehe nicht, woran man hier positiv erinnern will“, die Kirche sei immer nur dazu da gewesen, „Soldaten auf den Krieg vorzubereiten“. Und ein Mann mit schwarzem Pulli neben ihr meint mit Blick auf den Turm: „Meine Hoffnung ist, dass es ein Insolvenzprojekt wird.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Steinmeier zieht mit Ulbricht gleich: Nun hat er seine Turmrede gehalten.

    Als nächstes sollte er ein Gesetz unterzeichnen, das den Titel "Prinz" in Deutschland verbietet. Prinz Reuß war der Warnschuss, aber die Prinzen von Preußen wollen auch immer wieder mal mehr Rechte. Womöglich am Ende ins Stadtschloss einziehen und in Potsdam in die Garnisonskirche gehen? Wenn Architektur Erinnerungskultur sein soll, muss die Vergangenheit auch endlich Vergangenheit sein dürfen, die Prinzenrolle in der Gegenwart also immer auf Märchenfiguren beschränkt sein.

  • Zum einen wäre es hochinterssant, der Bau welcher Gebäude möglicherweise gegen die Political Correctness (PC) verstiess, selbst dann, wenn es zu der Zeit PC noch gar nicht in heutigen Sinne gab.



    Zum anderen kämen sicher viele Gebäude im v.g. Sinne, aber auch historisch zuvor "unbelastete" für einen Abriss oder Nicht-Wiederaufbau in Frage, weil sie einmal für perverse Zwecke mißbraucht wurden.



    Zum dritten wurde der Reichstag zwar in der Garnisonkirche zu Potsdam eröffnet, nußte aber auf Betreiben v.a. der Frau Gemahlin der Bürgermeisters und des Klerikalen Dibelius in der Berlinder Kroll Oper abgehalten werden. Ein Abriss wegen ihres Mißbrauchs als Reichstags-Gebäudeersatz erübrigte sich spätestens, als am 4. Mai 1957 das Grundstücksamt Berlin-Tiergarten die „öffentliche Abräumung“ beantragte, die noch im Herbst 1957 abgeschlosssen war.

  • Das Schlimme am Trollen in Potsdam gegen die Kirche, den die Aufmerksamkeit in den Kulturteilen der Zeitung bewusst ist, ist der "Tag von Potsdam" selbst.

    Das ganze ist kein historisches sondern ein erstes Beispiel für die Propaganda des Nationalsozialismus und seine Inszenierung im Radio. In der DDR konnte man die nahtlos fortsetzen, weil man damit jene konservativen Kräfte diskreditieren konnte, die man als Abziehbild der kaiserlichen Sozialisten geerbt hatte.

    Die nationale Bedeutung der Kirche könnte auch liegen:



    1. Im Glockenspiel



    2. Als Grablege der preussischen Könige



    2. Als Ort, an dem Napoleon seinen Tribut zollte.



    4. Im Barock.



    aber all das ja auch nicht.

    Wir machen heute ein buntes Olympia, das mit dem Olympia der Nazis nur noch die Fackel gemein hat, die bei den Spielen in Berlin erfunden wurden. Die Olympiade ist denazifiziert wenn wir so wollen. Mit dem Olympiastadion verbinde ich das letzte Coldplay Konzert und mit Olympia damals die Popularität von Jesse Owens. Riefenstahls Bilder kennen wir, haben aber keine Macht mehr.

    So kann man jetzt auch die Garnisonkirche als Ort in Besitz nehmen. Aber die Trolle sind unrettbar in ihrer Propagandawolke gefangen.

  • Gut das er wieder steht - der Turm - ein Stumpf ohne Abschluss. Eine Erinnerung an eine wechselvolle Geschichte, die unser ist - so oder so. Ein Mahnmal auch wider das Vergessen, das eben nicht verschwindet, wenn man Steine sprengt.

  • Nie wieder Deutschland.

  • Die Trennung von Staat und Kirche wurde hier nie vollzogen, die Garnisonkirche war und ist immer eine fragwürdige Staatskirche. Dass nun die Oberhäupter von Staat, Land und Stadt Steinmeier, Woidtke und Schubert diese Kirche eröffnet haben, macht das nochmal sehr deutlich. Hier wurden über Jahrhunderte tausende Soldaten für ihren Weg in den Krieg gesegnet. Der hierzu im Potsdamer Lustgarten auch im Freien genutzte Feldaltar (!) steht heute als Altar in der Kapelle im Erdgeschoss des Turms.

    Die Geschichte dieses Blutaltars kann man hier nachlesen:



    lernort-garnisonki...rnisonkirchenturm/

    Mehr zur Historie im Schwarzbuch Garnisonkirche



    lernort-garnisonki...oschuere_web_2.pdf