Krieg in Nahost: Hamas meldet Tötung von Hanija

Bei mutmaßlich israelischen Angriffen auf Beirut und Teheran wird ein Hisbollah-Kommandeur zum Ziel und Hamas-Politchef Ismail Hanija getötet.

30. Juli, Teheran: Ismail Hanija trifft im iranischen Parlament ein, um an der Vereidigung des neuen Präsidenten teilzunehmen Foto: Vahid Salemi/ap

BEIRUT taz | Mit Angst hatten die Menschen in Beirut einen möglichen Angriff Israels auf die libanesische Hauptstadt erwartet, der die Gefahr für einen ausgeweiteten regionalen Krieg barg. Am Dienstagabend war klar, wie dieser militärische Schlag konkret aussieht: Israel hat im Süden Beiruts ein Wohnhaus mit Raketen beschossen. Das israelische Militär gibt an, dabei gezielt einen hochrangigen Kommandeur der Hisbollah getötet zu haben.

Die Hisbollah äußerte sich bisher nicht dazu, ob der Kommandeur getötet wurde, bestätigte aber, dass er im getroffenen Haus war. Laut Medienberichten soll es sich um Fuad Schukr handeln. Aber auch den Medien ist unklar, ob er verletzt oder getötet wurde. Er gilt als enger Berater von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und damit wichtiger Mann in der ersten Reihe.

Schukr ist nach Angaben der US-Regierung Mitglied des höchsten militärischen Gremiums der Hisbollah, die US-Behörden haben ein Kopfgeld von 5 Millionen US-Dollar auf ihn ausgesetzt, wegen Verstrickungen in einen Anschlag auf US-Truppen in Beirut im Jahr 1983. Der Sprecher des israelischen Militärs sagt, Schukr sei für den Raketeneinschlag auf das Dorf Majdal Schams in den von Israel besetzten Golanhöhen verantwortlich gewesen. Die nach israelischen Angaben iranische Rakete tötete am Samstag 12 Kinder und Jugendliche beim Fußballspielen. Israel hatte die Hisbollah verantwortlich gemacht, die wiederum dementierte. Ex­per­t*in­nen halten es für möglich, dass die Rakete ein Irrläufer war und ihr eigentliches Ziel verfehlte.

Danach hatte Israel einen großen Gegenangriff angekündigt. Am Montag hatte ein hoher israelischer Verteidigungsbeamter der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, Israel wolle zwar die Hisbollah treffen, aber die Region nicht in einen „allumfassenden Krieg“ ziehen. Am selben Tag traf sich das israelische Kriegskabinett, um über einen Gegenschlag zu beraten. Angeblich seien die Minister bei der Kabinettssitzung nicht über das Ziel des Luftangriffs informiert worden, aus Angst vor undichten Stellen. Auch unmittelbar vor der Operation seien keine Einzelheiten über das Ziel mitgeteilt worden, berichtet die israelische Zeitung Jediʿot Acharonot.

Zwei Angriffe in wenigen Stunden

Am Mittwochmorgen meldeten dann die iranischen Revolutionsgarden und die Hamas die Tötung des Chefs des Hamas-Politbüros, Ismail Hanija. Er sei bei einem israelischen Angriff „auf seine Residenz in Teheran“ getötet worden, so die Hamas. Hanija habe zuvor an der Vereidigung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen.

Hanija wuchs in ärmlichen Verhältnissen im Geflüchtetencamp Al Schati auf, wurde 2017 politischer Anführer der Hamas und lebte dadurch reich im Exil zwischen der Türkei und Katar. Die israelische Armee lehnte einen Kommentar zu ausländischen Medienberichten ab. Es ist gängige Praxis, dass sich die israelische Führung nicht zu Anschlägen äußert, die ihre Handschrift tragen.

Der Angriff in Beirut traf ein achtstöckiges Wohnhaus neben einem Krankenhaus im Viertel Haret Hreik, drei Stockwerke des Gebäudes stürzten ein. Das Krankenhaus wurde leicht beschädigt, die umliegenden Straßen und Autos waren mit Trümmern und Glasscherben übersät. Bei dem Angriff kamen nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums zwei Kinder und eine Frau ums Leben, 74 Menschen wurden verletzt.

Der Luftangriff sei mit einer Drohne durchgeführt worden, die drei Raketen abgefeuert habe, meldete die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA. Ein Anwohner sagte der Nachrichtenagentur AP, der Staub der Explosion habe sich auf die Umgebung gelegt. In der Wohnung seines Sohnes sei Glas zerbrochen.

Für Hisbollah gelten Angriffe auf Beirut als „rote Linie“

In den Minuten nach dem Angriff in Beirut berichtete die israelische Zeitung Haaretz, etwa „20 Raketen“ seien aus dem Südlibanon in Richtung Nordisrael abgefeuert worden, was zu Bränden in den Einschlagsgebieten führte.

Eine Sprecherin der USA sagte noch am Abend, die USA setzten sich weiter für eine diplomatische Lösung und Deeskalation zwischen Israel und Libanon ein. Nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN hat Israel die USA vor dem Angriff informiert. Der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, erklärte gegenüber Reportern, dass die USA und Israel vor dem Angriff „laufende Gespräche“ geführt hätten.

„Ob wir einen Krieg beginnen oder nicht, hängt von der Hisbollah ab. Wir haben nicht die Absicht, einen regionalen Krieg zu starten“, sagte ein hoher israelischer Beamter nach dem Anschlag in Beirut dem israelischen Fernsehsender Channel 12, aber noch vor der Nachricht von der Tötung des Hamas-Chefs Hanija.

Für die Hisbollah gelten Angriffe auf Beirut als rote Linie – also als Zeichen, den Krieg auszuweiten. Das israelische Militär hatte bereits im Januar mit Hilfe einer Drohne eine Rakete auf Beirut abgefeuert, die den Hamas-Funktionär Saleh Aruri tötete. Damals hatte die Hisbollah als Gegenschlag 62 Raketen auf eine Militärbasis abgefeuert sowie weitere 40 Raketen auf Gemeinschaften in Nordisrael und in den von Israel besetzten Golanhöhen. Dabei wurde kein Toter gemeldet, Israels Abwehrsystem konnte die Raketen abwehren.

Zuvor war die Sorge groß, Israel könne den Flughafen in Beirut angreifen. Daher hatten viele Fluglinien ihre Flüge gestrichen. Israel hatte den Flughafen im Sommer 2006 angegriffen, nachdem zwei israelische Soldaten von der Hisbollah gekidnapped wurden. Bei dem Krieg wurden 1.200 Menschen im Libanon und 160 in Israel, davon die meisten Soldaten, getötet.

„Wir hoffen, dass die Reaktion der Hisbollah, wenn sie kommt, verhältnismäßig sein wird“, sagte der libanesische Außenminister Abdallah Bou Habib der libanesischen Tageszeitung L'Orient-Le Jour. „Aber für uns ist noch wichtiger, dass dieser Konflikt zu einem Ende kommt.“ Nun schaut der Libanon besorgt in den Iran und auf die Reaktion auf die Tötung von Hamas-Chef Hanija.

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