Hisbollah warnt Israel: Libanesische Drohkulisse
Nach Israels gezielten Tötungen von Hisbollah-Kommandeuren im Libanon rüstet die Miliz rhetorisch auf. Sie warnt vor weiteren Angriffen.
Die Hisbollah unternahm am Dienstag eine Serie von Drohnen- und Raketenangriffen auf Nordisrael. Die israelische Armee tötete mit einem gezielten Angriff den hohen Hisbollah-Feldkommandeur Amin Badr Eddin und vier weitere Personen niedrigeren Hisbollah-Ranges. Bisher lässt sich die Hisbollah nicht in die Karten schauen, wie und wann sie auf die gezielte Tötung ihres hohen Militärkommandanten Fuad Schukr in Beirut und die Tötung des politischen Hamas-Führers Ismael Hanijeh in Teheran letzte Woche reagieren wird. Im Moment hält sie vor allem die Drohkulisse aufrecht. Man gibt sich seit Wochen selbstbewusst.
Etwa Scheich Sadeq Nabulsi, ein schiitischer Geistlicher, der eng mit der Hisbollah verbunden ist. Er trifft die taz in einer Moschee in der südlibanesischen Stadt Saida, um über die grundsätzlichen Positionen zu reden. „Die Hisbollah hat bisher nicht ihre volle Feuerkraft gezeigt. Wenn ein Krieg und eine offene Konfrontation ausbrechen, wird die Hisbollah ihr Kampfpotenzial und ihre modernen Waffen aufdecken. Israel kann sich da auf einige Überraschungen gefasst machen“, droht er.
Zuvor hatte er noch einmal vehement abgestritten, dass die Hisbollah etwas mit dem Raketenangriff auf das Dorf Madschdal Schams im israelisch besetzten Golan zu tun hatte, der diese letzte Krise ausgelöst hat. „Die Hisbollah hätte auch den Mut, zuzugeben, wenn sie einen Fehler begangen hätte“, insistiert er und zweifelt auch die Logik einer solchen Aktion an. „Die Familien der Opfer gehören zu dem syrischen Land, das von Israel besetzt ist, und sind damit kein Ziel für die Hisbollah“, erläutert er.
Kein Rückzug
Den Vorwurf, dass die Hisbollah der verlängerte Arm des Irans im Libanon sei, schiebt er beiseite. „Warum gibt es eine Allianz zwischen Israel und den USA und Israel und dem Westen? Und der Hisbollah soll es verboten sein, ihre Allianzen mit Iran, Syrien oder Jemen einzugehen?“, fragt er. „Der Westen führt einen Krieg gegen unser Land und unsere Region und uns ist es verboten, Verbündete zu suchen? Diese Logik westlicher Medien ist einfach inakzeptabel“, führt er fort.
Zur Entschärfung der Lage zwischen der Hisbollah im Südlibanon und der israelischen Armee haben westliche Politiker, die in den letzten Wochen nach Beirut gekommen sind, immer wieder gefordert, dass der Libanon die UN-Resolution 1701 durchsetzt. In der UN-Sicherheitsrats-Resolution wird gefordert, dass sich die Hisbollah im Südlibanon hinter den Fluss Litani zurückzieht, je nach dessen Verlauf zwischen 4 und 20 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, und die reguläre libanesische Armee dort Stellung bezieht.
Auch der britische Außenminister David Lammy forderte bei einem diplomatischen Besuch in Beirut zur Eindämmung der Krise, dass diese Resolution durchgesetzt werden müsse und der Schlüssel für eine Deeskalation an der Grenze sei. Zuvor hatte der permanente Vertreter Frankreichs im UN-Sicherheitsrat, Nicolas de Rivière, bekräftigt, dass Frankreich in Kontakt mit allen Seiten sei, die Bedingungen herzustellen, dass die UN-Resolution befolgt wird und dass alle Kampfhandlungen beendet werden.
Scheich Nabulsi, der der Hisbollah nahesteht, lehnt das strikt ab. Israel habe den libanesischen Luft-, See- und Landraum und damit die libanesische Souveränität seit dem letzten Krieg 2006 mehr als 22.000-mal verletzt, argumentiert er. „Wie kann man von der Hisbollah in dieser Situation verlangen, dass sie der UN-Resolution 1701 folgt“, fragt er. Israel habe schließlich bisher jede UN-Resolution ignoriert. „Dass wir uns hinter den Litani zurückziehen, das ist eine Illusion“, erklärt er. „Die das fordern, haben keine Ahnung von Politik.“
Der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat dagegen immer wieder in seinen letzten Reden deutlich gemacht, dass für ihn der Schlüssel für ein Ende der gegenwärtigen Spannungen in einem Ende der israelischen Offensive im Gazastreifen liege.
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