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Hisbollah warnt IsraelLibanesische Drohkulisse

Nach Israels gezielten Tötungen von Hisbollah-Kommandeuren im Libanon rüstet die Miliz rhetorisch auf. Sie warnt vor weiteren Angriffen.

Proteste in Saida nach dem Angriff auf Hisbollah- und Hamas­führer mit einer Raketenattrappe Foto: ­Mohammed Zaatari/ap

Saida taz | Noch sind die erwarteten großen militärischen Aktionen zwischen dem Iran und der Hisbollah auf der einen und der israelischen Armee auf der anderen Seite ausgeblieben. Doch auch ohne die großen Militärschläge eskaliert die Situation an der Grenze zwischen Israel und Libanon immer mehr.

Die Hisbollah unternahm am Dienstag eine Serie von Drohnen- und Raketenangriffen auf Nordisrael. Die israelische Armee tötete mit einem gezielten Angriff den hohen Hisbollah-Feldkommandeur Amin Badr Eddin und vier weitere Personen niedrigeren Hisbollah-Ranges. Bisher lässt sich die Hisbollah nicht in die Karten schauen, wie und wann sie auf die gezielte Tötung ihres hohen Militärkommandanten Fuad Schukr in Beirut und die Tötung des politischen Hamas-Führers Ismael Hanijeh in Teheran letzte Woche reagieren wird. Im Moment hält sie vor allem die Drohkulisse aufrecht. Man gibt sich seit Wochen selbstbewusst.

Etwa Scheich Sadeq Nabulsi, ein schiitischer Geistlicher, der eng mit der Hisbollah verbunden ist. Er trifft die taz in einer Moschee in der südlibanesischen Stadt Saida, um über die grundsätzlichen Positionen zu reden. „Die Hisbollah hat bisher nicht ihre volle Feuerkraft gezeigt. Wenn ein Krieg und eine offene Konfrontation ausbrechen, wird die Hisbollah ihr Kampfpotenzial und ihre modernen Waffen aufdecken. Israel kann sich da auf einige Überraschungen gefasst machen“, droht er.

Zuvor hatte er noch einmal vehement abgestritten, dass die Hisbollah etwas mit dem Raketenangriff auf das Dorf Madschdal Schams im israelisch besetzten Golan zu tun hatte, der diese letzte Krise ausgelöst hat. „Die Hisbollah hätte auch den Mut, zuzugeben, wenn sie einen Fehler begangen hätte“, insistiert er und zweifelt auch die Logik einer solchen Aktion an. „Die Familien der Opfer gehören zu dem syrischen Land, das von Israel besetzt ist, und sind damit kein Ziel für die Hisbollah“, erläutert er.

Kein Rückzug

Den Vorwurf, dass die Hisbollah der verlängerte Arm des Irans im Libanon sei, schiebt er beiseite. „Warum gibt es eine Allianz zwischen Israel und den USA und Israel und dem Westen? Und der Hisbollah soll es verboten sein, ihre Allianzen mit Iran, Syrien oder Jemen einzugehen?“, fragt er. „Der Westen führt einen Krieg gegen unser Land und unsere Region und uns ist es verboten, Verbündete zu suchen? Diese Logik westlicher Medien ist einfach inakzeptabel“, führt er fort.

Zur Entschärfung der Lage zwischen der Hisbollah im Südlibanon und der israelischen Armee haben westliche Politiker, die in den letzten Wochen nach Beirut gekommen sind, immer wieder gefordert, dass der Libanon die UN-Resolution 1701 durchsetzt. In der UN-Sicherheitsrats-Resolution wird gefordert, dass sich die Hisbollah im Südlibanon hinter den Fluss Litani zurückzieht, je nach dessen Verlauf zwischen 4 und 20 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, und die reguläre libanesische Armee dort Stellung bezieht.

Auch der britische Außenminister David Lammy forderte bei einem diplomatischen Besuch in Beirut zur Eindämmung der Krise, dass diese Resolution durchgesetzt werden müsse und der Schlüssel für eine Deeskalation an der Grenze sei. Zuvor hatte der permanente Vertreter Frankreichs im UN-Sicherheitsrat, Nicolas de Rivière, bekräftigt, dass Frankreich in Kontakt mit allen Seiten sei, die Bedingungen herzustellen, dass die UN-Resolution befolgt wird und dass alle Kampfhandlungen beendet werden.

Scheich Nabulsi, der der Hisbollah nahesteht, lehnt das strikt ab. Israel habe den libanesischen Luft-, See- und Landraum und damit die libanesische ­Souveränität seit dem letzten Krieg 2006 mehr als 22.000-mal verletzt, argumentiert er. „Wie kann man von der Hisbollah in dieser Situation verlangen, dass sie der UN-Resolution 1701 folgt“, fragt er. Israel habe schließlich bisher jede UN-Resolution ignoriert. „Dass wir uns hinter den Litani zurückziehen, das ist eine Illusion“, erklärt er. „Die das fordern, haben keine Ahnung von Politik.“

Der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat dagegen immer wieder in seinen letzten Reden deutlich gemacht, dass für ihn der Schlüssel für ein Ende der gegenwärtigen Spannungen in einem Ende der israelischen Offensive im Gazastreifen liege.

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9 Kommentare

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  • "Etwa Scheich Sadeq Nabulsi, ein schiitischer Geistlicher, der eng mit der Hisbollah verbunden ist. Er trifft die taz in einer Moschee in der südlibanesischen Stadt Saida, ..."

    Das ist einer der Punkte, die ich schon mehrfach erfragt habe bzw. erörtern wollte. Ob die taz trotz Gaza-Tagebuch und vermutlich sehr guten Kontakten in die gazanische Gesellschaft, keine Möglichkeit hat, irgendetwas über die Geiseln in Erfahrung zu bringen bzw. über sie zu berichten.

    • @*Sabine*:

      Ihnen ist schon klar, was ausländische Journalisten in der Kampfzone erwartet? Der israelische Einmarsch dürfte der Rekordhalter der letzten Zeit sein, was getötete Journalisten angeht, und die hatten sich in der Regel deutlich gekennzeichnet.

      Die Geiseln interessieren Netanyahu wohl eher nur funktional, um seinen Krieg gegen Iran und gegen seine eigene Verurteilung zu bekommen.



      A propos Verurteilung: ich hätte es lieber gesehen, wenn evtl. Verbrechen z.B. Hanijas wie z.B. Netanyahus in Gerichten verhandelt und aufgeklärt werden, nicht per Selbstermächtigung.

      • @Janix:

        "Ihnen ist schon klar, was ausländische Journalisten in der Kampfzone erwartet?"

        Ja, mir ist die gehäufte Tötung von Journalisten in Gaza bekannt. Ich denke auch nicht, dass jemand von der taz hinfahren sollte und den Gaza-Streifen vermutlich ohnehin nicht betreten dürfte.

        Ich frage mich eher, ob bei den guten Kontakten, auch von Friedensaktivisten, Linken usw. zu palästinensischen Familien und politischen Gruppierungen es wirklich so unmöglich ist, jemanden zu kennen, der um 5 Ecken herum jemanden kennt, der etwas über die Geiseln oder wo sie festgehalten werden weiß.

        Der Gaza-Streifen ist so klein, die Menschen leben dort seit Jahrzehnten, große Familien, da kann ich es einfach schwer verstehen, dass keiner der Journalisten oder politisch für Palästina aktiven Mitstreiter in Deutschland jemanden kennt der jemanden kennt.

        Es scheint so, als wäre auch hier aus dem Forum noch nie jemand vor dem Krieg in Gaza gewesen, zumindest wurde es noch nicht erwähnt.



        Israel/die Region bereisen wird das Erste sein, was ich nach dem Krieg tue. Ich will mehr unmittelbares und direktes Wissen, ohne Filter über Vermittler.

  • Wie kaputt und hasserfüllt sind denn Eltern die einem kleinen Jungen so ein Tötungsobjekt in die Hand geben, sei es auch nur für das Foto.

    • @Tino Winkler:

      Ganz schön groß und stramme, behaarte Unterarme für einen "kleinen Jungen", oder?



      Immer prüfen, was man zu "sehen" glaubt.



      Tötungsobjekte sind ansonsten auch u.a. Messer, Gabel, Schere und Auto.

      • @Janix:

        Das Foto wurde entweder ausgetauscht oder der Kommentator Tino Winkler und ich verwechseln zwei Artikel. Das andere Foto war widerlich.

  • Das Bild zeigt Hamas Anhänger. Hezbollah anhängerinnen tragen Chador nicht Niqab, auch die Fahbe auf dem Stirnband des jungen ist die Hamas Flagge.

  • was soll mann da noch sagen, offensichtlicherweise will die hisbollah krieg. Auch das titelbild spricht hier ja schon eine recht deutliche sprache bezüglich der strategie. Märtyrer braucht das Volk, am besten minderjährige.



    Was soll mann dazu noch sagen?

    • @Berglandraupe:

      Man könnte aufhören, durch solche Meucheleien noch mehr 'Märtyrer' zu schaffen. Man könnte sich wie andere Länder auch an Völkerrecht halten.



      Man könnte aufhören, den Krieg so sehr zu wollen, dass man sogar den Unterhändler der anderen Seite umbringt.



      Das schreibe ich in Trauer, dass Netanyahu Israel so zu Pariastaat machen will, aus eigennützigen Motiven.