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Mit Rechten redenIst Grillen undeutsch?

Unser Autor regt sich über ein populistisches Wahlplakat auf. Aber wie sollte man eigentlich auf Rechte reagieren?

Propagandatauglich: die Sache mit dem Grillen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

I n Thüringen hängt ein CDU-Plakat mit der Aufschrift: „Grillen muss erlaubt bleiben.“

Ich postete ein Foto auf Twitter und schrieb, das sei „verantwortungsloser Dünnpfiff, der die liberale Demokratie gefährdet“. Worauf der Public Intellectual Armin Nassehi lapidar darunter schrieb, dass es doch wohl heißen müsse: „Grillen müssen erlaubt bleiben.“

Ich wählte also die große Geste zur Anprangerung des politischen und intellektuellen Ausverkaufs dieses Typus Christdemokraten, den es nicht nur im Osten gibt. Nassehi dekons­truierte den idiotischen Slogan durch Ironie und verweigerte es, sich überhaupt inhaltlich darauf einzulassen. Was ist hilfreicher für das Ziel, vielleicht doch eines Tages mit allen demokratischen Parteien ein gesellschaftliches Gespräch über die echten Probleme zu führen? Meine Einschätzung ist inzwischen: Keins von beiden.

Zur Sachlage: Das demokratiegefährdende Problem in Thüringen ist, dass die AfD in Wahlumfragen weit vor der CDU in Führung liegt. Würde die AfD das Grillen als entartet oder undeutsch verbieten wollen, dann wäre der CDU-Slogan eine notwendige Distanzierung und ein klares Angebot für Leute, die zwischen beiden Parteien schwanken. Die Grünen aber, auf die das zielt, stehen bei vier Prozent und sind irrelevant.

wochentaz

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Faktisch will gar keine Partei das Grillen oder die Bratwurst in der Bundesrepublik verbieten, auch wenn Obergrillmeister Markus Söder das 24/7 behauptet oder insinuiert. Das christdemokratische Grill- und Fleischverbot-Szenario ist eine faktenwidrige Light-Version der harten populistischen Angst- und Wuterzeugungsfiktionen.

Das ist demokratieperspektivisch dumm, und ich könnte jetzt noch mehr sagen, aber das nützt halt alles nichts, wenn wir uns hier schön darin bestätigen, wie schlimm das alles ist. Gleiches gilt für die feine Ironie, denn sie dekonstruiert auf ästhetisch hochwertige Art den Unsinn, aber das wirkt auch nicht über eine (selbst)ironiefähige Kommuniktionselite hinaus, und Ironie wird – wie ich im Alltag feststelle – immer weniger verstanden und ein Opfer der kommunikativen Verhärtung.

Wenn ich die zweite Ebene von Nassehis Ironie richtig verstehe (und ich habe sicherheitshalber nachgefragt), so steckt darin auch die nüchterne Annahme, dass es naiv wäre, in bestimmte Richtungen Sachdiskurse führen zu wollen. Es geht da nicht mit Argumenten, es geht nicht mit Demokratiebeschwörungen, es geht nicht mit deliberativem Sprechen. Das gilt in Thüringen genauso wie gegen Trump.

Wie aber geht es dann?

Grundvoraussetzung ist Politik. Die liberale Demokratie muss sich knallhart schützen gegen ihre Feinde, solange sie es noch kann. Demokratische Parteien müssen Leute dafür gewinnen, Probleme anzugehen und nicht Ressentiments schüren. Bürger, auch wenn sie kulturell „progressiver“ konditioniert sind, müssen priorisieren und dürfen keine Milieuselbstgespräche führen, in denen sie im hohen Ton Rassismus, Klassismus, Menschenfeindlichkeit et cetera anprangern und den „Anstand“ einfordern, den sie a priori für sich in Anspruch nehmen. Tut gut, klar, bringt aber in der Sache nichts.

Deshalb: Der Schritt voran ist heute der Schritt auf andere zu. Wer die Mehrheit behalten will, muss sprechfähig mit einer Mehrheit sein und sich auch mühen, die Beweggründe von Leuten zu verstehen, die auf die AfD hereinfallen, auch wenn man sicher ist, dass sie falsch liegen. Nicht brüllen: „Du Nazi“, sondern fragen: Wovor haben Sie Angst? Kann sein, dass man in manchen Fällen nicht weit kommt, aber die Grundlage für das Gemeinsame ist nie das eskalierende und immer das zivilisierende Gesprächsklima. Das bedeutet: Weder große Geste noch Ironie.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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22 Kommentare

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  • Erstmal ist das Problem, dass viele Deutsche sehr deutsch sind. Es kann aber sein, dass das statistisch gesehen ein Menschheitsproblem ist und kein Deutschenproblem.

    Zweitens wird an mancher Stelle hier noch versucht, zwischen CDU/CSU und "Rechten" zu differenzieren. Welche reaktionäre Politik hat die Afd-Wähler eigentlich früher abgeholt? ...

    Drittens kann ich glücklicherweise wieder aus der Diskussion aussteigen, da die gemeinsame Grundlage nicht zu sein scheint, dass das Grillen von Nahrungsmitteln erlaubt bleiben sollte, sondern das Grillen von Leichenteilen.

    Auch wenn ich damit die Grenzen zwischen Ironie und Sarkasmus gefährlich aufweiche, schließe ich



    in diesem Sinne mit: Grillen müssen erlaubt bleiben!

  • ".. AfD hereinfallen, auch wenn man sicher ist, dass sie falsch liegen. Nicht brüllen: „Du Nazi“, sondern fragen: Wovor haben Sie Angst?"

    Im ersten Augenblick hatte ich den Impuls zu antworten "Wer Wähler einer demokratischen Partei wahlweise als "Nazi" oder "Angst"hase bezeichnet, ist nicht wirklich an einem Gespräch interessiert. Die Defamierung Anderswählender hat sich wohl durch die vergangenen Diktaturen ins kollektive Gedächtnis eingebrannt."

    Bei gründlichen Lesen fiel mir "AfD hereinfallen", was den Kreis der bezeichneten stark einschränkt. Vielleicht sind damit ein paar ehemalige Grüne gemeint, die auf das AfD-Versprechen die Kilimaerwärmung abzuschaffen reingefallen sind? Dafür hat der Autor nein volles Verständnis. So und nicht anders sollten die armen verirrten abgeholt werden ;)

  • Umgangssprachlich gibt es auch Redewendungen mit "jemanden grillen", ähnlich entlehnt wie das bekanntere "schmoren lassen". Bei längeren Prozeduren im Spiel mit der Hitze kommt es zu erstaunlichen Farbwechseln.



    "Grillen" sollte diesbezüglich sogar gelegentlich geboten sein zur Überprüfung etwaiger (un-)lauterer Absichten.



    /



    www.openthesaurus....20grillen%20(ugs.)

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    „Nicht brüllen: ,Du Nazi', sondern fragen: Wovor haben Sie Angst? Kann sein, dass man in manchen Fällen nicht weit kommt, aber die Grundlage für das Gemeinsame ist nie das eskalierende und immer das zivilisierende Gesprächsklima. Das bedeutet: Weder große Geste noch Ironie."



    Weder große Geste noch Ironie. Das ist ein vernünftiger Ansatz, und Fragen ist gut, aber was? Angst wird ja niemand zugeben. Ich habe das mal einen Kettenhund gefragt. Als Antwort hat er mich gebissen. Eine wahre Geschichte, keine Ironie. Ich habe den Hund allerdings geduzt. Vllt. war das ein Fehler.

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Nennen Sie es Sorge, und Sie kommen super mit den Leuten ins Gespräch.

      Viele haben ein starkes Redebedürfnis.

      Das ist der Untwrschied zum Kettenhund.

      Den AfD-Wähler können Sie typischerweise duzen.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Grillen ist sehr deutsch...



    Touché: taz.de/#!tom=2020-05-27



    ("/" slash am Ende der URL evtl. entfernen)

  • Bei Grillveranstaltungen fällt mir meist der Film mit Mastroianni, Tognazzi, Piccoli, Noire und Ferreol ein, wenns um die Mengen geht.

  • Wo ist das Problem? Die Rechten stellen eine zutiefst liberale Forderung: "Grillen muss erlaubt bleiben!" Dass niemand vorhat, es zu verbieten, macht diese schöne freiheitliche Einstellung ja nicht schlecht, oder? Man hätte auch 2+2 muss 4 bleiben fordern können, oder so. Aber da wäre der Lindner sicher eingeschritten. So einen Unsinn wie 2+2=4 lässt der nicht mit sich machen. Der hat den Durchblick.

    Schön wäre von den Rechten auch eine andere, üblichere, Forderung gewesen wie "Ausländer raus!". Dann hätte man einfach mal 3 Monate alle "Ausländer" aus Deutschland rausgeschickt (Ferienspiele oder so) und anschließend hätten die "Deutschen" gewusst, was das bedeutet. Das mit den Menschenrechten hätten sie zwar nicht verstanden, aber was es faktisch bedeutet (Zusammenbruch des Pflegesystems und so), hätten sie kapieren müssen. Man sollte also vielleicht öfter auf die Rechten hören?! Dann zerlegen sie ihre Ansichten schon selbst.

    • @Jalella:

      Das Problem ist, dass die Forderung nicht von den Rechten kam, sondern von einer Partei, die man im Allgemeinen noch dem demokratischen Spektrum zuordnen würde.



      Und diese damit den Rechten eine Steilvorlage liefert, für die Behauptung, unter den Demokraten wären sich nicht alle einig, ob in Zukunft noch gegrillt werden darf.



      Dass das nicht stimmt, interessiert dann niemanden mehr.

    • @Jalella:

      Sehr schöner Gedanke! Wenns im Kühlregal keine würste mehr gibt, hat sich auch die Diskussion übers Grillen erledigt.



      Und wenn im Lidl niemand mehr an der Kasse sitzt, der die Maionaise scannt, hats vielleicht auch die letzte Kartoffel begriffen, dass ohne Ausländer in diesem Land nichts mehr geht.

    • @Jalella:

      "Wo ist das Problem? Die Rechten stellen eine zutiefst liberale Forderung..."



      Ein Problme sehe ich spontan schon mal darin, dass Sie hier unterschwellig die CDU mit der AfD gleichsetzen.



      Worauf genau wollen Sie damit hinaus?

  • Ganz abwegig ist der Gedanke leider nicht, wie dieser Vorstoß der französischen grünen zeigt:

    www.derstandard.de...-barbecues-infrage

    Die Geschichte zeigt auch, dass es hilft frühzeitig zu widersprechen.

  • Wer eifrig daran arbeitet, das Thema soziale Gerechtigkeit in der Schlagzeile durch Kiki zu ersetzen, wird eben nicht mehr ernst genommen. Der Autor sagt dazu so schön "irrelevant". Wenn man einem Söder den Ball auf den Elfmeterpunkt legt, wird der ihn schon verwandeln.

  • Verstehe schon die Position, aber was ist, wenn der Sprecher gar nicht weiß wovor er Angst hat oder die Angst überhaupt nicht artikulieren kann? Ja nicht einmal mit der Erkenntnis gesegnet ist, dass er überhaupt Angst hat?

    Letzteres, so mein Eindruck immer wieder, ist das Grundproblem überhaupt. Man kann erst ansetzen, wenn dem Gegenüber klar ist, dass ihm geholfen werden kann.

    Klingt jetzt vielleicht arrogant, aber man kann das mit einem Alkoholiker vergleichen, dessen erster Schritt in der Therapie ist, dass ihm bewusst wird, Alkoholiker zu sein.

    Und bei "besorgten"Bürgern ist es die Einsicht, dass ihnen Fakten und Wissen fehlt.

    Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

    • @rakader:

      Sie müssen sie emotional kriegen, damit sie mitgehen.

      Rational kommen Sie einer Angst selten bei.

      Ich begreife, warum den AfD-Wählern so schwer beizukommen ist.

      Weiten Teilen in diesem Land fehlt die Empathie.

      Die können das gar nicht mehr verstehen

      Die sind so überzeugt davon, selbst rational, gebildet und progressiv zu sein.

      Die staunen, dass.die anderen ihr Leuchten gar nicht sehen.

      Und währenddessen ziehen die Rechten die Jungen an, weil die sie für progressiv und unangepasst cool halten.

      • @rero:

        Vermutlich haben Sie recht. Ich bin kein Typ für Diskussion mit solchen Menschen, ich spüre das körperlich, mir wird schlecht. Obwohl ich wirklich eine Engelsgeduld habe.

  • Sach ich doch - le petit cheflereporter hat mal wieder (k)eine eine eine Frage.

    Keine eine ist ihm “Gleiches gilt für die feine Ironie, denn sie dekonstruiert auf ästhetisch hochwertige Art den Unsinn, aber das wirkt auch nicht über eine (selbst)ironiefähige Kommuniktionselite hinaus, und Ironie wird – wie ich im Alltag feststelle – immer weniger verstanden und ein Opfer der kommunikativen Verhärtung.“

    Stimmt. Mein Jüngster a Montessori



    “Gut - daß ich bei dir Ironie gelernt habe



    Einer meiner Pauker weiß das - schaut zu mir und ich erkläres in der Pause!“

    Na Mahlzeit - alles sonst mir Wurst! Gell



    😤 “ Hier geht mir meine gute 🦗🪈n!“



    Grille? - Steh ich grad aufm Schlauch!



    Nù. Ein Grashüpf tut es auch!

    Sommerfrische

    Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß,



    Das durch den sonnigen Himmel schreitet.



    Und schmücke den Hut, der dich begleitet,



    Mit einem grünen Reis.

    Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.



    Weil’s wohltut, weil’s frommt.



    Und bist du ein Mundharmonikabläser



    Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

    Und lass deine Melodien lenken



    Von dem freigegebenen Wolkengezupf.



    Vergiss dich. Es soll dein Denken



    Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.

    Ringelnatz

  • "aber die Grundlage für das Gemeinsame ist nie das eskalierende und immer das zivilisierende Gesprächsklima"

    Genau an dem fehlt es aber in Deutschland. Das ist in den letzten Jahren leider irgendwie verloren gegangen. Und daran sind nicht ausschliesslich die rechten Parteien schuld.

  • Lifestyle-Argumente in welche Richtung auch immer sind Vergeudung von Lebenszeit und politisch ein verführerischer wie grob falscher Holzweg.



    Lassen wir uns wieder über Umwelt und soziale Gerechtigkeit reden!

    • @Janix:

      …anschließe mich

      Und wie da mal wieder Sprache decantiert wird - mit beinahe Rutschkys‘schen Anklängen! Gell



      Und ich meine nicht Katharina! Woll



      Die - konnte ungestelzt schreiben.



      Normal

    • @Janix:

      Das ist beim Heizungsgesetz gnadenlos schiefgegangen. Erst muss die soziale Gerechtigkeit kommen und dann hört vielleicht auch wieder jemand beim Thema Umwelt zu.

      • @Kurt Kraus:

        Beides nannte ich, beides ist wichtig.



        Und bei den Heizungen ging und geht es darum, dass niemand noch das knappe Geld sinnlos in Fossilheizungen stopft. Und bezahlen tun es die Mieter.