US-Bekenntnis zur Nato: Neue Waffen nach Deutschland
Die USA wollen neue Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren. Und damit ihr Bekenntnis zur europäischen Sicherheit unter Beweis stellen.
![Der ukrainische Präsident in Washington beim Nato-Gipfel Der ukrainische Präsident in Washington beim Nato-Gipfel](/picture/7113990/624/selenskyj-1.jpeg)
Geht beim Nato-Gipfel nicht leer aus: Der ukrainische Präsident Selenskyj in Washington Foto:
Jose Luis Magana/AP/dpa
WASHINGTON taz | Die USA werden mit Beginn des Jahres 2026 neue Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren. Dies gaben beide Länder am Rande des Nato-Gipfels in Washington am Mittwoch bekannt. Diskussionen über eine Ausweitung der militärischen Kapazitäten soll es demnach bereits im Vorfeld des Gipfels zwischen den beiden Regierungen gegeben haben.
Laut einer gemeinsamen Erklärung werden die USA die neuen Waffensysteme zunächst nur zeitweilig als Teil einer sogenannten „multi domain task force“ in der Bundesrepublik stationieren. Dies sei jedoch nur eine vorübergehende Maßnahme, da der Plan letzlich eine dauerhafte Stationierung der Waffensysteme vorsieht. Zu den Waffensystemen gehören Langstreckenraketen vom Type SM-6 und Tomahawk, wie auch in der Entwicklung befindliche Hyperschallwaffen.
Die Raketen vom Type SM-6 und Tomahawk haben eine Reichweite von 240 bis 2.400 Kilometer je nach Variante und Abschusssystem und damit eine „deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa“, hieß es in der Stellungnahme.
Mit der Stationierung dieser fortschrittlichen Waffensysteme in Deutschland wollen die Vereinigten Staaten ihr Bekenntnis zur Nato und zur europäischen Sicherheit unter Beweis stellen. Die Stationierung der Waffensysteme auf deutschem Boden ist nicht nur eine Reaktion auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine, sondern auch ein Zeichen dafür, dass sich die USA unter Präsident Joe Biden für den Fortbestand des transatlantischen Bündnisses einsetzen wollen.
Die Zukunft der Nato steht auf dem Spiel
Die Zukunft der Nato dürfte vor allem unter einer möglichen zweiten Amtszeit von Donald Trump zur Debatte stehen. Beim aktuellen Jubiläumsgipfel, der das 75-jährige Bestehen der Allianz feiert, geht es daher auch darum, den Fortbestand zu der Nato zu sichern. „Wir sind stärker als je zuvor. Seit meinem Amtsantritt haben wir die Zahl der Gefechtsverbände an der Ostflanke der Nato verdoppelt. Finnland und Schweden sind der Allianz beigetreten und die Zahl der Bündnispartner, die mindestens zwei Prozent für Verteidigung ausgeben, ist von neun auf 23 gestiegen“, erklärte Biden im Vorfeld einer Arbeitssitzung der Verbündeten.
Neben der Stationierung von US-Waffensystemen in Deutschland in den kommenden Jahren haben sich die Bündnispartner darauf verständigt, der Ukraine in ihrem Kampf gegen Russland langfristig zu helfen. Die 32 Nato-Partner werden im kommenden Jahr Kyjiw mit mindestens 40 Milliarden US-Dollar unterstützen. Diese Summe ist jedoch nur ein Gradmesser und könnte je nach Situation aufgestockt werden.
Gleichzeitig haben die USA, Dänemark und die Niederlande angekündigt, dass Kampfflugzeuge vom Type F-16 noch in diesem Sommer für den Einsatz in der Ukraine zur Verfügung stehen werden. „Die dänische und die niederländische Regierung, mit Unterstützung der Vereinigten Staaten, sind gerade dabei, in den USA hergestellte F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine zu spenden“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der drei Länder.
Belgien und Norwegen hatten bereits angekündigt, weitere F-16-Kampfflugzeuge zur Verfügung zu stellen. Diese und weitere militärische Maßnahmen sowie die Zusicherung, die Ukraine beim Aufbau von Streitkräften, die in der Lage sind, Russland zu besiegen, unterstützen zu wollen, waren zentrale Themen beim Nato-Gipfel.
Bereits am Dienstag verkündeten die USA, Deutschland und eine Reihe von anderen Nato-Mitgliedern, dass sie Luftabwehrsysteme, unter anderem die von Kyjiw geforderten Patriot-Systeme, in den kommenden Monaten bereitstellen würden.
„Unumkehrbarer“ Weg für die Ukraine
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der auch in Washington ist, bedankte sich für die Unterstützung der Nato-Partner. Selenskji traf sich mit Mitgliedern des US-Kongresses sowie einer nationalen Delegation, um seinen Anliegen und Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Die Nato erklärte in einer am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Erklärung, dass sich die Ukraine auf einem „unumkehrbaren Weg“ zur vollen Mitgliedschaft in der Allianz befände. Der scheidende Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte allerdings klar, dass die Ukraine dem Bündnis erst nach dem Ende des Kriegs mit Russland beitreten werde.
Trotz aller Lippenbekenntnisse – die versprochenen militärischen, finanziellen und wirtschaftlichen Hilfen für die Ukraine beinhalten keine von Selenskyj geforderten Angriffswaffen, um das russische Militär zu besiegen.
Leser*innenkommentare
metalhead86
Tomahawk sind nuklear bestückbar, davon ist aber nirgends die Rede.
Soweit bekannt also nichts, was die Bundeswehr mit TAURUS nicht auch schon hätte.
Und wenn man unbedingt unterstellen will, dass die doch nuklear bestückt werden, nehme man die nukleare Teilhabe hinzu und schon haben wir auch da nix nennenswert Neues.
Während Russland tatsächlich nuklear bestückte Mittelstreckenraketen und taktische Kernwaffen innerhalb und am Rande der EU aufbaut.
Sommerloch lässt grüßen.
Philippo1000
Ja, klar sind wir sicherheitspolitisch wieder in Zeiten des kalten Krieges.
Mit dem Unterschied, dass der "Stellvertreterkrieg " in der Ukraine, vor unserer Haustür stattfindet.
Seit Ausbruch des Krieges wird ja betont, dass die Ukraine auch uns verteidigt.
Ist es vielleicht auch angebracht, sich selbst verteidigen zu können!?
Patriot und Iris T Systeme, die wir an die Ukraine weiterreichen haben wir nicht im Überfluss, sondern auch zu wenig, oder (noch ) gar nicht (Iris T).
Angesichts der Waffenbegeisterterung, insbesondere der Grünen, finde ich die jetztige "Empörung" ziehmlich überraschend...
thinktankgirl
Es wäre der europäischen Sicherheit dienlicher, wenn keine us-amerikanischen Waffen in Europa stationiert wären.
Saile
@thinktankgirl Das glaub ich ja nicht, angesichts dessen was Putins Handlanger so alles in der Ukraine anrichten…
Encantado
@thinktankgirl Das sollten Sie bei der Faktenlage dann doch lieber begründen.
Tom Tailor
@thinktankgirl Warum? Sind Sie der Meinung das es in (Ost)Europa gerade besonders sicher ist?
Chronist
Bin mal gespannt, ob die Russen dann Kuba als vorgeschobene Raketenbasis wiederentdecken.
Wäre jedenfalls schwer, hier zu argumentieren.
Schalamow
@Chronist Nö, überhaupt nicht.
Die Stationierung amerikanischer Truppen und Soldaten in Deutschland ist seit Bestehen der Nato gängige Praxis und Teil der Abschreckung.
Ist auch von der SU immer akzeptiert worden.
Alexander Schulz
@Chronist Das wäre zu Recht für die USA nicht akzeptabel und verstößt gegen die Monroe-Doktrin. Freundliche gesinnte militärische Bündnisse in Lateinamerika sind verständlicherweise zu unterbinden. Warum hat es selbst in Zeiten des kalten Krieges wohl kein Bündnis der UDSSR mit Kuba gegeben?
warum_denkt_keiner_nach?
Wir sind also wieder in den 80ern. Atomare Mittelstreckenwaffen in D. Aber diesmal bleibt alles ruhig...
Da werden einige verstorbene Grüne in den Gräber rotieren.
Alexander Schulz
@warum_denkt_keiner_nach? Wenn jemand noch vor wenigen Jahren behauptet hätte, dass Grüne und Unionspolitiker identische Vorstellungen in Außenpolitik unter Sicherheitsaspekten haben würde, hätte das kaum jemand glauben können.
Encantado
@Alexander Schulz Umso erfreulicher ist es dann doch, dass sich Meinungen auch über Parteilinien hinweg entwickeln können und nicht nur in Dogmen verharren.
Bürger L.
Es ist wohl wieder die Zeit der kalten und heißen Krieger. Da wird die Stationierung weitreichender Amerikanischer Waffen in Deutschland beschlossen, ohne dass es eine öffentliche Debatte darüber gibt.
Es wird lapidar mitgeteilt, dass die Ukraine auf einem unumkehrbaren Weg in die Nato sei, als würde die Möglichkeit einer Verschärfung der Konfrontation mit Russland garkeine Rolle spielen.
Ebenso wenig wie die Haltung der Deutschen Bevölkerung beim Weg zur deutschen "Kriegsfähigkeit" berücksichtigt wird. Das würde allerdings auch eine Erklärung aller mögliche Szenarien und Risiken voraussetzen. So geht alles im Klein Klein um einzelnelne Waffenlieferungen an die Ukraine unter.
Die Fragen bei denen es in letzter Konsequenz um Krieg oder Frieden gehen kann, werden von unseren drittklassigen Politikern so behandelt, als ginge es dabei um Nebensächlichkeiten im alltäglichen Politik-Geschäft.
Da wird mir Angst und Bange, zumal eine starke Gegenbewegung nicht in Sicht ist.
Chronist
@Bürger L. Ja, wäre an der Zeit für eine Wiederauflage der Friedensbewegung.
Diesmal dann ohne die Grünen.
O sancta simplicitas
@Chronist Die Wiederauflage der Friedensbewegung wäre spätestens 2014 notwendig gewesen. Aber da viele Friedensbewegte ihre Empörungsbereitschaft mit bemerkenswert änderungsresistenter Einseitigkeit (Russland hat seit 2008 über eine Billionen Dollar für Rüstung investiert) nach Westen richten und nur dort die Gefahren für Frieden und Sicherheit verorten, scheint ihnen seitdem und bis heute etwas entgangen zu sein. Wenn die Friedensbewegung erst etzt aktiv werden soll, fühle ich mich in dieser Sicht blöderweise auch noch bestätigt.
Alexander Schulz
@Chronist Der politische Gegner nannte damals die Bewegung "sogenannte Friedensbewegung". Kommt einem bekannt vor? Gerade bei den Grünen finde ich diesen Wandel in der Friendsthematik sehr erstaunlich.
Man Stelle sich Mal die heutigen Grünen in den 80er Jahren vor.
Pi-circle
Laut aktuellenÄußerungen von Pistorius (SPON) sollen die US-amerikanischen Langstrecken-Raketen nur vorübergehend bei uns unstationiert werden. Diese Zeit soll dazu genutzt werden, vergleichbare Waffensysteme sebst zu entwickeln.
Uwe Kulick
Hä? 240 bis 2400km Reichweite - das sind doch Mittelstreckenraketen.
Kinds Kopp
@Uwe Kulick Der BGM-109 Tomahawk ist keine Rakete, sondern ein Marschflugkörper. Er fliegt nicht wie eine ballistische Rakete mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit im hohen Bogen ins Ziel, sondern horizontal wie ein Düsenflugzeug mit ca. 800 km/h dem Ziel entgegen.
Daher ist die Reichweite extrem variabel.
Gleichzeitig ist er auf der Eskalationsstufe unter der Mittelstreckenrakete, weil die Flugzeit und damit Vorwarnzeit sehr lang ist. (Flugzeit Deutschland -Moskau wie beim Verkehrsflugzeug). Bei einer Mittelstreckenrakete beträgt sie nur ein paar Minuten. Ein Marschflugkörper kann auch viel leichter abgefangen werden als eine ballistische Rakete.
Konstantin Wosner
Schade, dass die Wähler nie per Wahl gefragt wurden, ob wir diese Eskalation mit tragen wollen. Wir werden damit (wieder) zum Ziel Nr. 1 für Russland, und können wieder zittern, dass der Cold War nicht Hot wird. Man will Tatsachen schaffen, und wir werden wieder das Bauernopfer im Schachspiel wahnsinniger Welten"lenker".
Encantado
@Konstantin Wosner "Wir werden damit (wieder) zum Ziel Nr. 1 für Russland"
Eher nicht. Ziel Nr. 1 bleibt vorerst die Ukraine. Nr. 2 ist dann wahlweise das Baltikum oder Moldawien.
Und dass Deutschland in Fokus und Reichweite russischer Atomwaffen liegt, haben unsere Freunde im Osten ja bereits mehrfach deutlich gemacht.
elma
oh man dagegen haben wir schon mal demonstrieren müssen, muss das jetzt wieder sein?