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Fehlbelegte Sozialwohnungen in HamburgFDP jagt Millionäre

Die Hamburger FDP will Besserverdienende in Sozialwohnungen zuzahlen lassen. Für die Linke sind das Nebelkerzen statt Lösungen fürs Mietenproblem.

Hamburg baut Sozialwohnungen, wie hier im Februar 2019. Aber nicht genug Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Was sind das für Zeiten, in denen sich die FDP Sorgen macht, dass Millionäre zu gut wegkommen? „Wenn in Hamburg Millionäre in Sozialwohnungen leben, muss man sich fragen, zu welchem wohnungspolitischen Absurdistan unsere Stadt geworden ist“, schreibt die stellvertretende Landesvorsitzende, Katarina Blume. Die CDU ist da ganz auf ihrer Seite und fordert ebenfalls, die Fehlbelegungsabgabe wieder einzuführen.

Die wurde in Hamburg von 1990 bis 2002 von Mie­te­r:in­nen in Sozialwohnungen erhoben, deren Einkommen über dem vorgesehen Mindestsatz lagen. Rund 15 Prozent der Wohnungen seien damals von Zuvielverdienenden belegt worden, das schrieb der Hamburger rot-grüne Senat eher schmallippig in seiner Antwort auf eine CDU-Anfrage.

Der Hamburger Wohnungsmarkt ist seitdem nicht besser, sondern er ist schlicht katastrophal geworden. Die hiesigen Nettokaltmieten sind die höchsten im Bundesländervergleich und wenn selbst die zuständige Stadtentwicklungssenatorin offen zugibt, dass es zu wenig neue Wohnungen gibt, kann es nicht gut stehen. Wenigstens Gerechtigkeit im prekären Sozialwohnungsbereich – das ist eine Forderung, die Beifall verspricht.

Die SPD duckt sich hinter einem „Bürokratie schlägt Fehlabgabe“-Argument und versucht es ansonsten mit scholzeskem Schweigen. Ganz so leicht machen es sich die Grünen nicht und haben mit dem „Hamburg-Haus“ einen interessanten Vorschlag gemacht: Nach diesem Modell sollen die Be­woh­ne­r:in­nen 30 Prozent ihres Einkommens als Miete zahlen. Und sollte das steigen, wird die Miete turnusmäßig per KI am Einkommensbescheid abgeglichen.

Wohnungspolitischer Knallfrosch

Noch ist das allerdings bloße Theorie, sprich eine Idee für das Konzept zur nächsten Bürgerschaftswahl, und es schadet nicht, parallel zu hören, was die Linke zur Debatte zu sagen hat: Die ist laut Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion, nicht mehr als ein wohnungspolitischer Knallfrosch. Tatsächlich helfen, so Sudmann, würde etwas ganz anderes: mehr geförderter Wohnraum, das Verbot, Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, und ein Drängen beim Bund, die Mietpreisbremse in einen Mietendeckel umzuwandeln.

Nun kann man sagen, dass der Umgang mit dem Mietenproblem deutlich Trial-and-Error-Charakter hat und Patentlösungen außer Sicht sind. Genauso klar ist aber, dass das, was bislang passiert, nicht ausreicht. So wenig, dass die Wohnungssuche einen trüben Spitzenplatz unter den Motiven junger Leute hat, rechtsextrem zu wählen. Es ist schön, dass Parteien wie die FDP inzwischen glauben, dass die Zeit eine Erweiterung ihres Zielgruppenfokus verlangt. Deutlich schöner wäre es, wenn sie die Debatte so komplex führte, wie sie tatsächlich ist.

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11 Kommentare

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  • Die Fehlbelegungsabgabe wurde damals auch mit der Begründung abgeschafft, dass sie eher dazu führte, Ghettos entstehen zu lassen. Weil „Besserverdienende“ wegzogen und „sozial Schwache“ in den Wohnungen verblieben. Falls sich noch jemand erinnern will: auch die Lenzsiedlung in Eimsbüttel - heute Vorzeigenachbarschaft - hatte Anfang der Nullerjahre einen sehr zweifelhaften Ruf.

    • @HamburgAltona:

      In der Lenzsiedlung war ich Anfang der 90er Jahre in der häuslichen Pflege tätig. Das war damals ein heißes Pflaster. Die alten Leute mit wenig Rente, die dort wegen der vorhandenen Fahrstühle einquartiert wurden, haben sich kaum aus der Tür getraut.

  • Die Fehlbelegungsabgabe versickert nur im Haushalt . Die Wohnung muss gekündigt werden, meinetwegen mit 1 Jahr Kündigungsfrist.

    • @Stoffel:

      Die Leute kriegen Sie nach dem Mietrecht doch überhaupt nicht raus.

    • @Stoffel:

      Das würde die Ghettobildung verstärken und das kann nicht das Ziel sein.

  • Der eigentliche Skandal ist doch, dass diese Abgabe 2002 abgeschafft wurde. Von Oktober 2001 bis März 2011 regierte die CDU die Hansestadt, seitdem (also über 13 Jahre) die SPD.



    Mit welcher Begründung wurde sie aktiv abgeschafft und was für ein Gerechtigkeitsempfinden gegenüber dem Steuerzahler, der dieses subventionierte Wohnen querfinanziert oder den Menschen, die, obwohl sie bedürftiger waren, keine Sozialwohnung erhielten und auf dem freien Markt mehr zahlen mussten, besitzen die handelnden Politiker und die öffentliche Verwaltung ?



    Man könnte ja Olaf fragen, aber der kann sich sicher an nichts erinnern.

    • @Martin Eugenio Restrepo:

      Warum wollen die Grünen für ihren 30%-Vorschlag eine KI einsetzen, eine schlichte Excel-Tabelle würde das doch auch schaffen?!

      • @o_aus_h:

        Excel gilt in weiten Teilen der öffentlichen Verwaltungsbürokratie bereits als KI.

    • @Martin Eugenio Restrepo:

      Warum wollen Sie Olaf fragen, wenn doch Ole die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft hat?

      • @o_aus_h:

        Das war doch mal vorausschauend gehandelt. Er wollte doch ins Kanzleramt und da hätte er zahlen müssen.

      • @o_aus_h:

        Weil er von 2011-2018 erster Bürgermeister Hamburgs war und die Fehlbelegung bekannt war.



        Aber das wussten Sie wahrscheinlich.

        Wer falsche Entscheidungen seiner Vorgänger nicht rückgängig macht, trägt sie mit. Wenn eine Regierung § 218 StGB (Schwangerschaftsabbruch) über Jahre nicht korrigiert, lasse ich die Entschuldigung "aber der ist ja nicht von uns" auch nicht zu. Selbiges gilt für Dividendenstripping (Cum-Ex). Seit 2002 war es dem Bundesministerium der Finanzen bekannt. Wenn Eichel, Steinbrück, u.a. das Aussitzen sind sie mitschuldig.